Finanzen

Quirin-Bank: Große Banken müssen zerschlagen werden

Karl Matthäus Schmidt von der unabhängigen Quirin-Bank glaubt nicht, dass die Politik in der Lage sein wird, die Banken-Krise zu lösen: Die Großen Banken müssen in die Insolvenz geschickt werden, wenn sie nicht verantwortungsvoll wirtschaften. Die Behauptung, dass die großen deutschen Konzerne große Banken brauchen, ist nach Schmidts Einschätzung ein Märchen.
14.10.2013 02:43
Lesezeit: 4 min

Deutsche Wirtschafts Nachrichten: Woran krankt das Bankensystem?

Karl Matthäus Schmidt: Die Branche hat sich von ihrer eigentlichen Aufgabe entfernt. Banken sollten Kunden anständig und fair beraten und die Wirtschaft mit Krediten versorgen. Heute geht es aber nicht mehr um das Kundeninteresse, sondern darum, Geld zu machen.

Früher war der Banker ein „Bankier“. Der Bankier wollte natürlich auch Geld verdienen – aber er hat es gemeinsam mit seinen Kunden gemacht und nicht gegen sie. Mit dem Ende der Ära Alfred Herrhausen bei der Deutschen Bank ist diese Tradition des ehrbaren Kaufmanns zu Grabe getragen worden. Seitdem haben wir eine Bankenwelt, die ausschließlich vom „Shareholder-Value“-Gedanken getrieben ist.

Deutsche Wirtschafts Nachrichten: Wie wirkt sich das „Shareholder-Value“-Denken auf das Bankensystem aus?

Karl Matthäus Schmidt: Das klassische Bankgeschäft spielt dabei keine Rolle mehr. Abgesehen von der Immobilienfinanzierung, haben die Kredite an den Mittelstand im Jahr 2010 unter 2 % der Bilanzsumme der Deutschen Bank ausgemacht. Das Geschäft mit der Realwirtschaft spielt in den großen Bankhäusern heute keine Rolle mehr. Dabei ist es für eine funktionierende Volkswirtschaft von entscheidender Bedeutung.

Stattdessen haben die Banker sich billiges Geld geholt und die Bilanzen in den Banken aufgeblasen – entweder direkt oder über Zweckgesellschaften, in der Regel aber gleich auf beide Arten. Jedes normale Unternehmen würde dagegen niemals einen Kredit bekommen, wenn es so „gehebelt“ wäre wie eine Bank mit einer Eigenkapitalquote von lediglich 3 %.

Und dann haben die Banken Geschäfte gemacht, die völlig außerhalb ihrer eigenen Kernkompetenz liegen. Ein Beispiel ist das „stupid german money“, mit dem die deutschen Landes- und Privatbanken in den USA ihr Glück versucht und Milliarden an amerikanische Häuslebauer verliehen haben. Die Krönung ist die Manipulation des LIBOR-Zinssatzes, die – aus meiner Sicht – eindeutig kriminelle Züge trägt.

Deutsche Wirtschafts Nachrichten: Hat sich seit der Lehman-Pleite etwas geändert?

Karl Matthäus Schmidt: Im Bereich Kapitalmärkte und Investmentbanking hat sich gar nichts getan. Im Privatkundengeschäft gab es hingegen Veränderungen, beispielsweise in England und Skandinavien. Das liegt an einer wesentlich größeren Verbraucherorientierung, die in der dortigen Bankenaufsicht verankert ist. In England ist der Privatkunde ein gleichberechtigter Akteur im Finanzmarktgeschehen. Die Bankberatung auf Provisionsbasis ist dort per Gesetz verboten worden. Seit Januar 2013 muss ein Honorar für die Beratung mit dem Kunden vereinbart werden. Das geht dann beispielsweise so weit, dass sich ein Berater, der nur ein eingeschränktes Produktportfolio anbietet, „restricted advisor“ nennen muss. Auch in Skandinavien werden Altersvorsorge-Produkte seit Jahren nur über Honorare verkauft.

Deutsche Wirtschafts Nachrichten: Gibt es auch in Deutschland Veränderungen?

Karl Matthäus Schmidt: Deutschland ist bei der Reformierung des Bankensektors nach wie vor ein Entwicklungsland. Die BaFin hat kürzlich immerhin einen Verbraucherbeirat eingerichtet, was sehr zu begrüßen ist. Dennoch ist auf der Bankenseite für mich bis dato kein Umdenken auf breiter Front in Sicht.

Es gibt in Deutschland zwar Gesetze, die diskutiert und auch verabschiedet wurden. Die sind aber nicht so konsequent ausgestaltet, dass sie zu einer echten Veränderung führen. So haben die EU-Parlamentarier in einer entscheidenden Sitzung in Brüssel im vergangenen Jahr das europaweite Provisionsverbot verhindert. Das wäre der Durchbruch für eine anständige, faire Finanzberatung! Es kommt aber langsam Bewegung in die politische Diskussion: Heute sind SPD und Grüne sehr engagiert, wenn es um eine verbraucherfreundliche Finanzberatung in Deutschland geht, auch die CDU bewegt sich ein Stück weit. Es hat sich viel getan, aber es reicht noch nicht. Ein Erneuerungsprozess aus der Branche heraus wird aber vermutlich nicht stattfinden.

Deutsche Wirtschafts Nachrichten: Was wäre eine Lösung?

Karl Matthäus Schmidt: Wir brauchen die Aufteilung der großen Bankhäuser in kleinere Einheiten. Wir brauchen keine Banken, die ganze Volkswirtschaften in den Ruin treiben können. Allein die drei großen Schweizer Banken haben etwa das Sechs- bis Siebenfache des Schweizer Bruttosozialprodukts als Bilanzsumme. Die These, dass wir große deutsche Banken für die großen deutschen Konzerne brauchen, halte ich für falsch. Als Siemens brauche ich überhaupt keine Bank, sondern finanziere mich zum Beispiel über Anleihen. Im Sinne der Steuerzahler müssten wir die Banken also kleiner machen und die Luft aus den Bilanzen lassen.

Deutsche Wirtschafts Nachrichten: Kann eine Bank dann ohne „billiges Geld“ und ohne Spekulation überhaupt profitabel wirtschaften?

Karl Matthäus Schmidt: Ja, kann sie. Wir haben in Deutschland im Volks- und Sparkassensektor Banken, die lokal mit der Realwirtschaft sehr gut vernetzt sind. Das ist ein großer Standortvorteil gegenüber England. Und diese Banken verdienen in der Regel auch Geld. Sie verdienen jedoch keine Milliarden und haben keine hohen, zweistelligen Kapitalrenditen.

Deutsche Wirtschafts Nachrichten: Was wäre die Konsequenz einer Bankpleite in Deutschland?

Karl Matthäus Schmidt: Die Vernetzung der Staaten mit den Banken ist durch die Krise mehr geworden, nicht weniger. Es stecken viele Bankanleihen in Versicherungsportfolios und die großen Banken haben Staatsanleihen gekauft. Natürlich gäbe es daher Schmerz und Verlust durch etwaige Insolvenzen. In einer Marktwirtschaft muss es aber Bereinigungsprozesse geben, wenn Unternehmen nicht vernünftig wirtschaften und ganze Volkswirtschaften in den Abgrund zu reißen drohen.

Insolvenzen könnten den Wandel im Bankgeschäft vorantreiben. Wäre die Commerzbank nicht gerettet worden, dann hätten sich deren Millionen Privatkunden eben andere Banken gesucht und es wäre zu einer Marktbereinigung gekommen. Und vielleicht hätten wir als kleines Bankhaus mit einem fairen neuen Geschäftsmodell dann noch 20.000 Kunden mehr.

Deutsche Wirtschafts Nachrichten: Was macht der Bankkunde heute, wenn er mit seiner Bank nicht zufrieden ist?

Karl Matthäus Schmidt: Die Kunden werden inaktiv, sie verharren häufig in einer „Schockstarre“, fragen lieber Freunde und recherchieren im Internet – sie bleiben aber dennoch oft bei ihrer alten Bank. Warum soll ein Kunde von der Commerzbank zur Deutschen Bank gehen? Das ist das gleiche System, einmal gelb, einmal blau. Die Menschen kennen die Alternativen oft gar nicht. Viele wissen nicht, dass es Honorarberatung, wie etwa bei der quirin bank, gibt und wie dieses neue Banksystem funktioniert. Das muss man erleben, um die Vorteile einer unabhängigen und kostentransparenten Bankberatung zu verstehen. Hier ist noch viel Aufklärungsarbeit notwendig.

Karl Matthäus Schmidt ist der Gründer des Discount-Brokers Consors und heute Vorstandsvorsitzender der auf Honorarberatung spezialisierten quirin bank.

 

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