Der renommierte Strafrechts-Professor Lorenz Böllinger aus Bremen hat eine Petition zur Legalisierung von Marihuana gestartet. Er hält es für falsch, dass Konsumenten kriminalisiert werden. Die Petition hat bereits 106 Unterzeichner - ausschließlich Kollegen aus dem Bereich des Strafrechts. Die Gruppe ist die bisher prominenteste, die sich öffentlich für die Legalisierung von Cannabis einsetzt.
Böllinger bringt für das Thema besonders viel Kompetenz mit: Er ist emeritierter Professor und Leiter des Bremer Instituts für Drogenforschung. Er hat sich über Jahrzehnte mit dem Thema beschäftigt.
Seine Kritik an der Rechtslage ist eindeutig: Es sei völlig widersinnig, dass Cannabis-Konsumenten kriminalisiert werden. Böllinger nennt das Verhalten vom Staat „entgegen jeder Vernunft oder Empirie“. Die Verfolgung wurde massive Kosten verursachen, auf dem Schwarzmarkt werden gesundheitsschädliche Streckmittel dem Cannabis beigemischt und dem Staat entgehen enorme Steuereinnahmen, so der Professor. Es wäre besser, die Gelder zur Strafverfolgung in die Suchtberatung zu investieren.
Für seine Petition hat Böllinger alle 240 Strafrechtsprofessoren in Deutschland angeschrieben. 105 Professoren unterstützen seine Petition. Er hofft, dass er sich so bei den Abgeordneten des Bundestages Gehör verschafft: Alle Unterzeichner hätten vom Strafrecht und den strafrechtlichen Konsequenzen mehr Ahnung als ein durchschnittlicher Bundestagsabgeordneter.
Die Kriminalisierung von Cannabis erreiche selten „die großen Fische“. Dafür gefährde es mit „schwer nachvollziehbaren Fahrverboten“ berufliche Existenzen reiner Konsumenten. Diese Gefahr besteht für die fünf Prozent der Deutschen, die Cannabis rauchen, so Böllinger in einem Interview der Juristen-Fachwebsite Legal Tribune.
Böllinger erklärt seine Herangehensweise:
„Unsere Petition unterscheidet sich insofern von anderen, als wir keine direkte Legalisierung fordern, sondern in einem ersten Schritt nur die Einsetzung einer Enquete-Kommission. Diese soll die mutmaßlichen Konsequenzen einer Legalisierung dem Status quo, den kontraproduktiven Auswirkungen der Kriminalisierung gegenüberstellen und schließlich eine Empfehlung an den Gesetzgeber aussprechen. Das alles soll frei von Ideologien und gestützt auf praktische Erfahrungswerte aus anderen Ländern und wissenschaftliche Daten erfolgen. Wenn die Empfehlung dann lautet, das Verbot aufzuheben, kann man immerhin hoffen, dass die Regierung dafür ein offenes Ohr haben wird.“
Durch eine Legalisierung von Cannabis würden auch die Zahl der Konsumenten keinesfalls ansteigen. Ein Vergleich zu den Niederlanden liefere den praktischen Beweis. Auch der Mythos der Einstiegsdroge sei frei erfunden, so der auf Drogendelikte spezialisierte Professor.
In den USA ist bereits ein Mentalitätswandel zu dem Thema bemerkbar. Immer mehr amerikanische Bundesstaaten lassen Marihuana für den medizinischen Gebrauch zu, in zwei Staaten ist es auch als reines Genussmittel erhältlich. Medizinisches Marihuana wird sogar bei Haustieren immer öfter eingesetzt (mehr hier).
In Deutschland gibt es ebenfalls eine aktuelle Debatte über die Freigabe von Cannabis. In Berlin wird gerade die mögliche Eröffnung eines Coffeeshops diskutiert. Die grüne Kreuzberger Bürgermeisterin Monika Herrmann sieht das als einzige Lösung, um den Görlitzer Park von Dutzenden Dealern zu befreien.