Politik

Rechtsruck in Polen – schlechte Aussichten für Berlin?

Polen hat einen neuen Präsidenten – und der Wahlausgang sorgt europaweit für Nervosität. Welche Folgen hat der Rechtsruck für Tusk, die EU und das Verhältnis zu Deutschland?
02.06.2025 17:11
Lesezeit: 3 min
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Rechtsruck in Polen – schlechte Aussichten für Berlin?
Ein Wahlkampfplakat des konservativen Präsidentschaftskandidaten Karol Nawrocki: Der rechtskonservative Kandidat ging als Sieger aus der Wahl in Polen hervor (Foto: dpa). Foto: Czarek Sokolowski

Erfolg des EU-Skeptikers in Polen – was das für Deutschland heißt

Der Wahlerfolg des EU-Gegners Nawrocki bei der Präsidentenwahl in Polen bringt Ministerpräsident Tusk unter Zugzwang. Dies könnte sich ebenfalls auf das Verhältnis zwischen Deutschland und Polen auswirken.

Der Triumph des rechten Konservativen Karol Nawrocki bei der Präsidentenwahl in Polen ist nicht nur ein Rückschlag für Regierungschef Donald Tusk, sondern auch für die EU, Berlin und die Ukraine. Polen erlebt einen Rechtsruck. Der neue Präsident kann durch sein Vetorecht Tusks Kurs blockieren, die Schäden an der Demokratie zu reparieren, die durch acht Jahre PiS-Regierung entstanden. Der bislang politisch kaum in Erscheinung getretene 42-jährige Historiker Nawrocki verdankt seine Karriere dem einflussreichen PiS-Vorsitzenden Jaroslaw Kaczynski, einem entschiedenen Gegner Tusks. Nawrockis Ziel zum Start seiner Amtszeit ist klar: Die Regierung Tusk zu stürzen. Bereits einen Tag nach der Polen-Wahl berichten Medien in Polen, Tusk könnte diese Woche die Vertrauensfrage stellen. Seine Reformpläne seien mit dem Wahlergebnis „zusammengefallen wie ein Kartenhaus“. Neuwahlen gelten als möglich.

Das deutet darauf hin, dass dem EU- und Nato-Staat Polen unruhige Zeiten mit politischen Machtkämpfen bevorstehen. Der Wahlausgang in der größten, wirtschaftlich und militärisch bedeutendsten Nation der Region zeigt, wie stark rechte Kräfte in Ostmitteleuropa sind.

Machtverschiebung in Polen bahnt sich an

Im zentralistisch strukturierten Polen besitzt das Staatsoberhaupt deutlich mehr Einfluss als der Bundespräsident in Deutschland. Er gestaltet die Außenpolitik mit, ist Oberbefehlshaber der Armee und kann Parlamentsgesetze per Veto stoppen. Zwar regiert er nicht direkt, doch behindern kann er erheblich. Diese Kompetenzen fallen nun einem Mann zu, den der Politikwissenschaftler Antoni Dudek aus Warschau als "klassisches Beispiel für eine autoritäre Persönlichkeit" einstuft. Nawrocki leitete bisher das Institut für Nationales Gedenken (IPN), vergleichbar mit der aufgelösten Stasi-Unterlagenbehörde.

Geboren in Danzig, stammt Nawrocki aus einfachen Verhältnissen, war früher Amateurboxer und arbeitete als Türsteher in einem Luxushotel. Er pflegt Kontakte ins Rotlichtmilieu und zur Hooliganszene. Im Jahr 2009 nahm er selbst an einer Massenschlägerei unter Fußballfans teil. Im Wahlkampf betonte er, im Besitz einer in Polen schwer erhältlichen Waffentragegenehmigung zu sein.

Nawrocki gilt als kompromisslos. Er könnte alles untergraben, was der proeuropäische Regierungschef Tusk zur Wiederherstellung von Rechtsstaatlichkeit in Polen plant.

EU-Streit könnte in Polen erneut entfachen

Die Partei PiS – Prawo i Sprawiedliwość, also „Recht und Gerechtigkeit“ – regierte Polen von 2015 bis 2023. Während dieser Zeit wurde die Pressefreiheit eingeschränkt und das Justizwesen grundlegend verändert. Ein entscheidendes Richtergremium geriet unter parteipolitische Kontrolle. Die EU-Kommission sah darin einen Angriff auf die Gewaltenteilung und fror milliardenschwere Fördergelder ein.

Diese Mittel wurden erst wieder freigegeben, nachdem Tusk im Dezember 2023 Brüssel versprach, die Justizreformen rückgängig zu machen. Der Reformprozess stockt jedoch, da der bisherige Präsident Andrzej Duda – selbst ein PiS-Mann – mit seinem Veto zentrale Gesetze blockierte. Tusks Regierung fehlt im Parlament die notwendige 60-Prozent-Mehrheit, um das Veto zu überstimmen. Sollte Nawrocki den Kurs fortsetzen, bleibt Polen politisch blockiert. Ein neuer Konflikt mit der EU wäre die Folge.

Beziehungen zwischen Deutschland und Polen auf dem Prüfstand

Auch die Beziehungen zwischen Deutschland und Polen könnten sich verschlechtern. Dabei hatten die Zeichen gerade erst auf Entspannung gestanden, etwa bei Bundeskanzler Friedrich Merz’ Antrittsbesuch in Warschau oder seiner gemeinsamen Reise mit Tusk nach Kiew. Doch die innenpolitische Krise in Polen könnte sich negativ auf die Außenpolitik auswirken, warnt Agnieszka Lada-Konefal vom Deutschen Polen-Institut. "Die Regierung wird hauptsächlich mit dem Kampf gegen den Präsidenten beschäftigt sein und außenpolitisch wenig Platz für Manöver haben." Tusk gerate unter Druck und werde jegliche Annäherung an Deutschland vermeiden. Größere Projekte zwischen Deutschland und Polen seien daher unwahrscheinlich.

Bereits im Wahlkampf hatte Nawrocki gesagt, Deutschland sei grundsätzlich misstrauisch zu begegnen. "Das wird die deutsch-polnischen Beziehungen nicht erleichtern", so Lada-Konefal. Zudem kündigte Nawrocki an, als Präsident für Weltkriegs-Reparationen von Deutschland einzutreten. Zwar könne er als Präsident keine Maßnahmen ergreifen, doch mit seinen Aussagen könne er das Klima zwischen Deutschland und Polen negativ beeinflussen. Die PiS-Regierung hatte damals über 1,3 Billionen Euro Reparationszahlungen von Deutschland verlangt – das belastete das Verhältnis zu Berlin erheblich.

Ukraine beobachtet Kurswechsel in Polen mit Sorge

Auch die Ukraine dürfte mit Besorgnis auf die außenpolitischen Prioritäten Nawrockis blicken. Polen ist einer der wichtigsten Unterstützer des von Russland angegriffenen Nachbarstaats. Das Land hat viele Flüchtlinge aufgenommen und spielt eine zentrale Rolle bei der westlichen Militärhilfe für Kiew. Bisher verfolgten Tusk und Präsident Duda trotz politischer Rivalität eine gemeinsame Ukraine-Politik.

Doch Nawrocki machte im Wahlkampf einem Rechtsextremen Zugeständnisse: Slawomir Mentzen, der in der ersten Runde 15 Prozent der Stimmen erhielt. Nawrocki unterschrieb dessen Acht-Punkte-Plan und versprach unter anderem, kein Gesetz zu unterschreiben, das den Nato-Beitritt der Ukraine ratifiziert. Diese Position entspricht den Forderungen Moskaus – und stellt einen Bruch mit der bisherigen Linie Polens dar.

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