Nicht aus Bequemlichkeit, sondern aus Angst vor dem Scheitern schrecken die Deutschen davor zurück, sich selbstständig zu machen. Zwar sind 57 Prozent der Befragten einer Amway Studie positiv dazu eingestellt, ihr eigener Chef zu sein. Im Jahr zuvor waren es aber noch 59 Prozent. Mehr als ein Drittel der deutsche Befragten des Global Entrepreneurship Reports 2013 hält nichts von der Selbstständigkeit.
Damit liegt Deutschland vor Österreich, den USA und Ungarn auf dem viertletzten Rang weltweit. Im Durchschnitt bewerten 70 Prozent der weltweit 26.000 Befragten aus 24 Ländern Selbstständigkeit als positiv. Die höchsten Werte gibt es in Dänemark, Finnland und Australien.
Die Angst vor dem Scheitern ist in Deutschland für 81 Prozent der Männer und für 77 Prozent der Frauen der überragende Grund, sich gegen eine Selbstständigkeit zu entscheiden. Ängstlicher sind nur noch die Japaner (91%). Die Finanziellen Belastungen und die Gefahr einer Insolvenz wiegen offenbar schwerer als die Aussichten auf bessere Verdienstmöglichkeiten.
Dabei stehen Unabhängigkeit, flexible Arbeitszeiten und die Vereinbarkeit von Beruf und Familie bei der jüngeren Generation hoch im Kurs: 38 Prozent der Befragten zwischen 20 und 35 Jahren können sich vorstellen, ihr eigenes Unternehmen zu gründen. Das Gründerinteresse in dieser Altersgruppe liegt um 10 Prozent höher als in der deutschen Gesamtbevölkerung. Im europäischen Vergleich ist der Anteil jedoch bescheiden: Der Anteil der europäischen jungen Bevölkerung, die sich eine Selbstständigkeit vorstellen können, liegt um 10 Prozent über dem deutschen Anteil.
„Das unternehmerische Potenzial muss durch gezielte Fördermaßnahmen wie beispielsweise die frühe Vermittlung von Entrepreneurship Basiswissen in der Schule oder aber durch gezielte Mentoringprogramme unterstützt werden“, sagte Julia Lutter-Müller, Pressesprecherin von Amwa. „Nur so kann die Entrepreneurship-Kultur in Deutschland gestärkt werden”.
52 Prozent der Deutschen wünschen sich eine bessere Bereitstellung öffentlicher Mittel und Kredite, in den Niederlanden sind dies nur 20 Prozent. 40 Prozent wünschen sich weniger Bürokratie, im EU-Durchschnitt wollen dies nur 29 Prozent.
Scheinselbstständigkeit kann Folgen haben
Selbstständige in Deutschland mit nur wenigen oder häufig wechselnden Auftraggebern rutschen schnell in die Scheinselbstständigkeit. Wenn dieser Umstand von einer staatlichen Stelle – von der Deutschen Rentenversicherung, einem Arbeitsgericht oder den Sozialversicherungen – festgestellt wird, dann wird der Auftraggeber schnell zum Arbeitgeber – und damit sozialversicherungspflichtig.
Der ehem. Auftraggeber ist dann dazu verpflichtet, die ausstehenden Arbeitgeber- und Arbeitnehmerbeiträge zur Sozialversicherung rückwirkend für bis zu vier Jahre nachzuzahlen, gegebenenfalls auch plus Säumniszuschläge. Bei nachgewiesenem Vorsatz drohen Bußgelder und Haftstrafen sowie Rückzahlungen für bis zu 30 Jahre, berichtet das Freelancer-Portal Tagwerk. Auch Steuern können vier Jahre rückwirkend verlangt werden.
Der ehemals Selbstständige muss unter Umständen sogar die ausgewiesene Umsatzsteuer auf seinen Rechnungen zurückzahlen, erhält aber alle Rechte eines Arbeitnehmers, so wie Kündigungsschutz, Urlaubsanspruch und Lohnfortzahlungsverpflichtung im Krankheitsfall. Die unternehmerische Tätigkeit wird als beendet erklärt.
Das sind harte Konsequenzen, die jungen Selbstständigen im Falle einer Scheinselbstständigkeit drohen. Von den jungen Befragten zwischen 20 und 35 Jahren wird Deutschland nur von 43 Prozent als gründerfreundliches Land wahrgenommen.
In den USA hingegen sehen 68 Prozent dieser Altersgruppe. Zu den Ländern mit der Unternehmerfreundlichsten Klima gehören Dänemark (89%), Finnland (87%), und Australien (84%). In besonders krisengeplagten Ländern wird die Gründerfreundlichkeit der Gesellschaft außerordentlich negativ bewertet: in Portugal mit 76 Prozent, in Ungarn mit 74 Prozent und in Italien und Spanien mit je 64 Prozent.