Nigerianer heben ihr Geld künftig ohne Karte ab. Um Geldscheine aus dem Bank-Automaten zu bekommen, müssen sie ihre Finger auf den Scanner legen.
Die Technik zur Abhebung per Fingerabdruck liefert ein Hamburger Unternehmen. Für 50 Millionen Dollar (36,4 Millionen Euro) soll der Biometrie-Spezialist Dermalog ein System zur Identifikation aller Bank-Kunden per Fingerabdruck einführen. „Das ist der größte Auftrag unserer Firmengeschichte“, zitiert Die Welt Geschäftsführer Günther Mull.
Doch die Nigerianer sollen künftig nicht nur am Bankautomaten ihre Finger auflegen, um Geld abzuheben, sondern auch an der Ladenkasse, um ihren Einkauf zu bezahlen.
Der Gouverneur der Nigerianischen Zentralbank, Sanusi Lamido Sanusi, hat die Technik schon mit seinen eigenen Finger getestet. „Innerhalb der nächsten anderthalb Jahre werden wir das Projekt landesweit umsetzen“, sagte Sanusi. Dann werde Nigeria eines der komfortabelsten und sichersten Finanzsysteme der Welt besitzen. Betrug, Identitäts-Fälschung und Geldwäsche könne auf diese Weise vorgebeugt werden.
„Betrug ist eine der größten Herausforderungen im nigerianischen Bankwesen“, sagt Dermalog-Geschäftsführer Mull. Es gebe viele Länder, in denen die Einwohner mehrere Identitäten haben. So nähmen etwa Brasilianer gern Kredite unter einem falschen Namen auf und zahlten sie nicht zurück. Daher habe HSBC mit 1.300 Bank-Filialen in Brasilien 2012 das Automatisierte Fingerabdruck-Identifizierungssystem (Afis) von Dermalog gekauft.
Das System sei sicherer als passwortgesicherte Daten, sagt Mull. Die Technik entwickelte das Unternehmen zusammen mit dem Institut für Rechtsmedizin von Professor Klaus Püschel. Der Scanner erkenne, ob die Finger künstlich oder bereits abgestorben seien. Die Software stelle nämlich fest, ob die Haut beim Auflegen des Fingers weiß und das Blut herausgedrückt wird. Zudem werde der Sauerstoffgehalt des Blutes analysiert.
Die Technik wird nicht nur im Finanzsektor, sondern vor allem von den Behörden eingesetzt. In Deutschland hat das Unternehmen seit 2007 mehr als 20.000 Fingerabdruckscanner für die Einwohnermeldeämter und für die Ausländerbehörden geliefert. Damit werden die Hautkonturen für die neuen Pässe, Ausweise und Aufenthaltstitel gespeichert.
Auch am Hamburger Flughafen hinterlassen Passagiere ihre Fingerabdrücke auf Scannern von Dermalog. Dennoch machte Deutschland für die Hamburger 2013 nur 2 Prozent ihres Umsatzes aus. „Deutschland ist kein Biometrie-Paradies“, sagt Mull.
Eine Zusammenarbeit mit der Handelskette Rewe, bei der die Kunden ihre Einkäufe per Fingerscan bezahlen konnten, musste beendet werden. Das Bezahlen mit den Fingern ging deutlich schneller als mit Bargeld oder mit der Geldkarte. Doch viele Deutsche hätten eine Abneigung gegenüber neuen Technologien, so Dermalog. Von den in Deutschland gesammelten Erfahrungen könne nun Nigeria profitieren.