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Schäubles Poker: Haushalt funktioniert nur, wenn die Zinsen niedrig bleiben

Beim Bundeshaushalt ist Bundesfinanzminister Schäuble vollständig auf die Gunst von Mario Draghis niedrigen Zinsen angewiesen. Sollten die Zinsen steigen, sind alle Pläne ab 2015 wegen der nötigen Umschuldungen Makulatur. So zeigt sich: Der Schuldenberg kann nur auf Kosten der deutschen Sparer abgebaut werden.
27.06.2014 01:16
Lesezeit: 2 min

Dieses Jahr noch einmal 6,5 Milliarden Euro Neuverschuldung, ab 2015 sollen dann keine neuen Schulden gemacht werden. So plant es Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble. Der Politiker tut dies bei jeder sich bietenden Gelegenheit kund und so soll es auch der Bundestag am Freitag beschließen.

Wenn aber von Neuverschuldung geredet wird, dann ist damit immer nur die Nettoneuverschuldung gemeint. Tatsächlich nimmt der Bund aber 2014 und in den Folgejahren weiterhin Kredite in gigantischem Umfang auf.

Die Monatsberichte des Finanzministeriums zeigen: Allein in den ersten drei Monaten des Jahres wurden 65,2 Milliarden Euro an Krediten aufgenommen. Für das zweite Quartal ist geplant, 57 Milliarden durch Krediten einzunehmen und im gesamten Jahr 2014 sollen es laut Haushalt 204 Milliarden Euro werden.

Auch in den Folgejahren ist jeweils eine Kreditaufnahme in einer Größenordnung von 200 Milliarden vorgesehen. Das geht aus dem bisherigen Finanzplan bis 2017 hervor. Der Markt für Bundesanleihen und andere Bundeswertpapiere, mit denen der Bund sich seine Kredite verschafft, wird nicht austrocknen.

Der Unterschied zwischen den überall genannten 6,5 Milliarden Neuverschuldung und der tatsächlichen Kreditaufnahme des Bundes von 204 Milliarden Euro ergibt sich aus dem magischen Wort „netto“, das – wie jedem Arbeitnehmer bekannt – sehr viel Geld verschwinden lassen kann.

Zu den 6,5 Milliarden Euro Nettokreditaufnahme kommt man nämlich, indem man von der weit höheren Bruttokreditaufnahme die Summe abzieht, die lediglich dafür benutzt wird, fällige alte Schulden zu tilgen. Diese Art Umschuldungen in Höhe von 197,5 Milliarden Euro lässt man einfach in einem Saldo verschwinden. Übrig bleibt nur, was der Bund noch oben drauf legt auf den Berg von 2.050 Milliarden Euro öffentliche Schulden in Deutschland.

Hinter den offiziellen Haushaltsdaten, die für 2014 Ausgaben in Höhe von 296,5 Milliarden Euro vorsehen, stecken also tatsächlich Ausgaben in Höhe von 494 Milliarden Euro. 40 Prozent davon sind Ausgaben für Umschuldungen. Das ist erheblich mehr als für den größten Einzeletat „Arbeit und Soziales“, der „nur“ 122 Milliarden Euro oder 25 Prozent umfasst.

Auch in den offiziellen Haushaltsdaten enthalten sind allerdings die Zinsausgaben. Als Posten „Schuldendienst“ machen sie mit 28,8 Milliarden Euro 2014 den größten Teil der Ausgaben des „Einzelplans 32“ aus. Dabei zahlt der Bund gegenwärtig für neue zehnjährige Staatsanleihen 1,4 Prozent Zinsen. Bei kurzfristigen Geldmarkttiteln sind es auch schon einmal nur 0,3 Prozent.

Einmal ausgegeben, sind die Zinsen für die gesamte Laufzeit einer Bundesanleihe oder einer Bundesobligation fix. So kann sich Schäuble die gegenwärtig niedrigen Zinsen für einen Zeitraum bis zu zehn Jahren sichern. Dafür muss er auch noch immer Zinsen für einige alte Bundeswertpapiere zahlen, die in Phasen relativ hoher Zinssätze ausgegeben wurden.

Für die mittelfristige Finanzplanung kann allerdings die jährliche Bruttokreditaufnahme von rund 200 Milliarden Euro jährlich zu einem großen Risiko werden. Was ist, wenn 2015 und später die Zinsen wieder ansteigen? Die höheren Zinsen müssen dann für alle neu aufgenommen Kredite gezahlt werden.

Das Finanzministerium ließ bereits verlauten, dass im Finanzplan bis 2018, der am 2. Juli im Kabinett abschließend behandelt werden soll, ein „moderater Zinsanstieg“ berücksichtigt wird. Tatsächlich weisen die bisher bekannten Eckwerte des Finanzplans unter dem Punkt „Bundesschuld“ einen Anstieg der Ausgaben aus - von 30,1 Milliarden Euro 2014 bis auf schließlich 37,4 Milliarden Euro 2018.

Das ist allerdings ein moderater Anstieg. 2008 lagen die Leitzinsen der EZB vier Prozentpunkte höher als heute. Wenn die EZB gezwungen ist, die Leitzinsen wieder auf ein solches Niveau bis 2018 anzuheben, wird Schäuble erheblich mehr für den Schuldendienst aufbringen müssen. Michael Hüther vom Institut der deutschen Wirtschaft Köln glaubt, die niedrigen Zinsen hätten Bund und Ländern zusammen in den vergangenen Jahren Ersparnisse von mehreren hundert Milliarden Euro gebracht. Fallen diese Zinsersparnisse zukünftig weg, werden alle schönen Pläne von einer Nettoneuverschuldung Null ab 2015 schnell Makulatur.

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