Unternehmen

BGH-Urteil bindet Sparer an alte Lebensversicherungen

Lesezeit: 1 min
16.07.2014 18:12
Der Bundesgerichtshof hat die Klagen gegen alte Verträge bei Lebensversicherungen abgelehnt. Kunden hatten die Policen angefochten, weil die Vertragsbedingungen nicht dem EU-Recht entsprächen. Die Entscheidung nimmt Millionen Kunden die Möglichkeit, verlustfrei aus den Verträgen auszusteigen.

Der Bundesgerichtshof (BGH) rüttelt nicht an der Gültigkeit von Millionen Lebensversicherungsverträgen. Verträge, die nach dem bis 2007 üblichen, bei Verbraucherschützern aber umstrittenen Policenmodell abgeschlossen wurden, bleiben wirksam, wie der vierte Zivilsenat am Mittwoch in Karlsruhe entschied. Es gebe "keinen Anhaltspunkt" dafür, dass diese Art des Abschlusses den EU-Richtlinien widerspräche. Wie ein Versicherungsvertrag zustande komme, habe die EU bewusst dem nationalen Gesetzgeber überlassen. Der BGH werde den Fall deshalb auch nicht dem Europäischen Gerichtshof (EuGH) in Luxemburg vorlegen, hieß es. Das Gericht ließ einen Kläger abblitzen, der 13 Jahre in die Lebensversicherung eingezahlt hatte, diese aber nachträglich für unwirksam erklären wollte, um mehr Geld von seinem Versicherer zurückzubekommen.

Beim Policenmodell bekam der Kunde die Versicherungsbedingungen erst mit dem Versicherungsschein - der Police - zugeschickt, also wenn er längst unterschrieben hatte. Der Kläger hatte vorgebracht, dass das gegen EU-Recht verstoßen habe. Damit wären alle nach diesem Muster geschlossenen Verträge nachträglich unwirksam. Nach Angaben des Gesamtverbandes der Deutschen Versicherungswirtschaft (GDV) wurden zwischen 1995 und 2008 zwischen 6,7 und 11,8 Millionen Lebensversicherungen pro Jahr abgeschlossen - zumeist nach dem Policenmodell. Seit 2008 müssen die Vertragsbestimmungen und die Geschäftsbedingungen den Kunden vor der Unterschrift ausgehändigt werden.

Die Entscheidung hatte sich abgezeichnet. Die Vorsitzende Richterin Barbara Mayen hatte in der Verhandlung gewarnt, dass eine vermeintlich verbraucherfreundliche Entscheidung des BGHleicht zum Bumerang werden könnte. Millionen Versicherungsverträge könnten dann „unter dem Damoklesschwert stehen“, nicht wirksam zu sein. Das könnte für alle Versicherten ein Problem sein, die an ihren Renten-Verträgen festhalten und diese nicht kündigen wollten

Der abgeblitzte Kläger hatte sich von einer nachträglichen Unwirksamkeit eine höhere Rückzahlung versprochen. Dann nämlich hätte der Versicherer ihm alle gezahlten Beiträge rückerstatten müssen und nicht wie bei einer gewöhnlichen vorzeitigen Kündigung die Verwaltungs- und Vertriebskosten abziehen dürfen. Der Mann hatte 1998 eine Lebensversicherung bei der Zurich Deutscher Herold abgeschlossen. Die 14-tägige Widerspruchsfrist ließ er ungenutzt verstreichen, erst 13 Jahre später erklärte er seinen Widerspruch gegen den Vertrag. Zurich zahlte ihm nur den Rückkaufswert von 12.480 Euro aus - 4640 Euro weniger als die Summe der bis dahin eingezahlten Prämien. Die Differenz verlangte der Mann nun mit seiner Klage zurück, blieb aber erfolglos.

Die niedrigen Zinsen bedrohen die Lebensversicherungen. Der IWF fordert eine Rettung durch die Politik. Weil den Versicherten massive Verluste drohen, könnte nun der Bailout kommen: Eine Umverteilung ist auf der ersten Blick weniger brutal als der glatte Diebstahl (mehr dazu hier).

 

Anzeige
DWN
Finanzen
Finanzen Bildung für die Zukunft SOS-Kinderdorf Thüringen im Einsatz für die Demokratie

In einer Zeit, in der die Unzufriedenheit mit der Politik wächst, engagiert sich das SOS-Kinderdorf Thüringen mit einem Demokratieprojekt...

DWN
Weltwirtschaft
Weltwirtschaft Deutsche Flugsicherung erhöht Gebühren: Gründe, Auswirkungen und Forderungen
27.12.2024

Die Deutsche Flugsicherung (DFS) hat angekündigt, zum Jahreswechsel die Gebühren für Fluggesellschaften deutlich zu erhöhen. Während...

DWN
Politik
Politik Normenkontrollrat plant Empfehlungen für neue Regierung
27.12.2024

Eine Institution, von der man viel zu wenig hört: Ohne ein verbessertes Datenmanagement, einfachere Gesetze und mehr digitale Prozesse...

DWN
Immobilien
Immobilien Die teuersten deutschen Immobilien in 2024: Welche Städte sind die Spitzenreiter?
27.12.2024

Der deutsche Luxusmarkt scheint wieder gesund und munter zu sein, nachdem das Segment im Jahr 2023 unter Druck geraten ist als Verkäufe...

DWN
Politik
Politik In der deutschen Wirtschaft überwiegt Pessimismus
27.12.2024

Wohin steuert die deutsche Wirtschaft nach dem zweiten Rezessionsjahr in Folge? Viele Verbände blicken mit Sorgen nach vorn. Die Gründe...

DWN
Weltwirtschaft
Weltwirtschaft Clean Industrial Deal: Warum die EU jetzt handeln muss
26.12.2024

Vor fünf Jahren setzte die EU mit dem Europäischen Green Deal neue Maßstäbe im globalen Klimaschutz. Heute, angesichts wachsender...

DWN
Politik
Politik „Atomkraft? Nein Danke“: Habeck-Ministerium manipulierte wohl AKW-Studie für Atomausstieg
26.12.2024

Manipulation im Wirtschaftsministerium? Wie interne Unterlagen jetzt aufdecken, soll das Wirtschaftsministerium unter Robert Habeck gezielt...

DWN
Politik
Politik Papst eröffnet Heiliges Jahr mit Hoffnungsbotschaft
26.12.2024

Ein strammes Programm hatte der gesundheitlich angeschlagene Papst an Weihnachten zu stemmen: Er eröffnete das Heilige Jahr der...

DWN
Weltwirtschaft
Weltwirtschaft Deutschland schafft Gasspeicherumlage ab: Entlastung für Nachbarländer, Mehrkosten für Verbraucher
26.12.2024

Deutschland verabschiedet sich von der umstrittenen Gasspeicherumlage an Grenzübergangspunkten zu Nachbarländern. Mit einer Änderung des...