Nach Auffassung von Marieluise Beck, Mitglied im auswärtigen Ausschuss des Deutschen Bundestages, besteht eine Chance, dass die Sanktionen die Position von Präsident Wladimir Putin innerhalb des Kreml schwächen werden. Beck sagte den Deutschen Wirtschafts Nachrichten im Rahmen des Economic Forum in Krynica-Zdroj in Polen: „Die Sanktionen bringen die Chance, dass innerhalb des Kreml Friktionen auftreten.“
Beck glaubt, dass die Politik Putins in der Ukraine auf eine „innenpolitische Schwäche des russischen Präsidenten“ zurückzuführen ist. Beck: „Putin betreibt die Stabilisierung der Ukraine, um in Moskau einen Erfolg vorweisen zu können.“ Beck warnt den Westen davor, zu glauben, dass mit einem Waffenstillstand das Problem gelöst sei: „Es wäre ein Fehler, nun die Gefahr zu unterschätzen. Die Versuchung ist groß, weil der Westen hofft, keine Folgen aus den Sanktionen tragen zu müssen.“
Eine Mitschuld für die Krise in der Ukraine durch die EU bestritt Beck vehement: Es sei die Aufgabe von Präsident Janukowitsch gewesen, mit den Russen zu verhandeln. Das habe er nicht geschafft, danach sei die Krise eskaliert.
Beck beschreibt die Zusammenarbeit mit der aktuellen russischen Regierung als ausgesprochen schwierig: „Wenn unser Außenminister Steinmeier mit Herrn Lawrow verhandelt, so kann man nicht davon ausgehen, dass der russische Außenminister die Prokura für das Gespräch hat. Alle Entscheidungen fallen im kleinen Kreis um Putin. Der Kreml wird extrem autokratisch geführt.“ Beck sieht in dieser Entwicklung einen Beleg dafür, dass Putin „trotz seiner Drohgebärden nach außen im Inneren um seinen Machterhalt kämpfen“ muss. Beck: „Das haben wir schon im Jahr 2012 gesehen, wo Putins Macht erstmals ernsthaft bedroht gewesen ist.“
Die Amerikaner setzen seit Anbeginn der Ukraine Krise darauf, Putin zu stürzen. Die USA würden einen Führer im Kreml bevorzugen, der pragmatischer und westlicher ist. Interessanterweise lobte Beck bei dem Economic Forum ausdrücklich das Auftreten von Premier Medwedew. Dieser habe im Westen große Hoffnungen geweckt, weil er den Eindruck eines modernen Politikers gemacht habe.
Bei einer Podiumsdiskussion sagte Beck, Europa hatte nach dem Ende des Kalten Krieges versucht, mit Russland zunächst eine Partnerschaft einzugehen. Diese Partnerschaft sollte danach in eine Modernisierungspartnerschaft umgewandelt werden. Beck: „Ein Land wie Russland kann nicht von Öl und Rohstoffen allein auf Dauer leben. Ein Land wie Russland braucht eine moderne Wirtschaft und eine moderne Gesellschaft.“ Putin habe jedoch gezeigt, dass er eine andere Gesellschaft wolle. Die Einschränkung der zivilen Freiheiten in Russland habe, so Beck, „faktisch zur Abschaffung der Zivilgesellschaft geführt“.
Der Westen möchte sein Gesellschaftsmodell auch in Russland verwirklicht sehen. Dazu gehöre eine liberale Gesellschaft, Putin dagegen schwebt aus Sicht vieler EU-Politiker ein konservativer, autoritärer Staat vor. Dieser weckt vor allem bei den Osteuropäern die Furcht vor der Rückkehr einer repressiven Ideologie. Viele der heute in Osteuropa tätige Politiker stammen aus dem Bürgerbewegungen gegen den Kommunismus. So war der polnische Premier und designierte EU-Ratspräsident aktiv in der Solidarnosc tätig. Diese Sorge war auf dem Economic Forum von vielen Osteuropäern zu hören.