Politik

Russland kritisiert US-Luftangriffe gegen Syrien

Russland kritisiert die US-Luftschläge gegen Syrien: Die Amerikaner verstoßen damit gegen das Völkerrecht. Die geopolitisch motivierte Verletzung der Souveränität anderer Staaten trage nicht zur Beruhigung der Lage bei, sondern führe zu einer weiteren Eskalation.
24.09.2014 10:32
Lesezeit: 4 min

Russland hat die Luftangriffe der Amerikaner auf Syrien als Verstoß gegen das Völkerrecht kritisiert. Für einen solchen Militäreinsatz sei eine Zustimmung der syrischen Regierung oder ein Mandat des UN-Sicherheitsrates nötig, teilte das Außenministerium in Moskau mit. Moskau ist besorgt, dass der Luftschläge die Lage nicht verbessern werden: „Der Anti-Terror-Kampf im Nahen Osten und in Nordafrika erfordert ein abgestimmtes Vorgehen der Weltgemeinschaft unter der Ägide der Uno“, heißt es am Dienstag in einer Erklärung auf der Internetseite des russischen Außenamtes. „Die Versuche, eigene geopolitische Ziele durch einen Verstoß gegen die Souveränität von Regionalstaaten zu erreichen, verstärken die Spannungen und destabilisieren die Lage nur noch weiter.“

Kampflugzeuge haben nach Berichten der syrischen Opposition Stellungen der IS-Milizen in den kurdischen Gebieten im Norden des Landes angegriffen. Rund 30 bis 35 Kilometer westlich der umkämpften Stadt Kobani seien in der Nacht zum Mittwoch Luftangriffe geflogen worden, teilte die oppositionsnahe Syrischen Beobachtergruppe für Menschenrechte mit. Allerdings erklärte ein Vertreter kurdischer Behörden in Kobani in einem Telefoninterview mit Reuters, in der Grenzstadt sei nichts von Luftangriffen zu hören gewesen. Die Kämpfe zwischen den kurdischen Kräften und den Einheiten des Islamischen Staates (IS) würden fortgesetzt. Der Leiter der Beobachtergruppe, Rami Abdulrahman, sagte Reuters später, Kampfflugzeuge hätten fünf Ziele in der Stadt Albu Kamal und deren Umgebung nahe der syrisch-irakischen Grenze angegriffen.

Gemeinsam mit fünf arabischen Verbündeten haben die USA ihre Angriffe auf die Terrormiliz Islamischer Staat (IS) vom Irak auf Syrien ausgeweitet. In der Nacht auf Dienstag seien IS-Stellungen in mehreren Provinzen des Bürgerkriegslandes bombardiert worden, teilte das US-Militär mit. Nach Angaben von Menschenrechtlern wurden dabei 70 IS-Extremisten getötet. Zudem starben 50 Kämpfer der weitgehend unbekannten Chorasan-Gruppe, die mit dem syrischen Al-Kaida-Ableger verbunden ist. Chorasan soll nach Angaben des Pentagon kurz vor einem Terroranschlag in den USA oder Europa gestanden haben.

Der Kampf der Staatengemeinschaft gegen die Terrormiliz Islamischer Staat (IS) dürfte auch das beherrschende Thema der am Mittwoch in New York beginnenden Generaldebatte der UN-Vollversammlung sein.

Bei den US-Luftangriffen in Syrien wurden nach Angaben von Menschenrechtlern auch acht Zivilisten getötet, darunter zwei Kinder. US-Generalleutnant William Mayville sagte, dem Pentagon lägen keine Berichte über getötete Zivilisten vor. Im Nachbarland Irak fliegen die USA schon seit mehr als sechs Wochen Angriffe gegen die IS-Miliz. Anders als dort hat Washington in Syrien jedoch keine Erlaubnis der Regierung für die Angriffe eingeholt, sondern den international isolierten Präsidenten Baschar al-Assad lediglich vorgewarnt.

Bei den fünf Verbündeten handelt es sich um Saudi-Arabien, Jordanien, Katar, die Vereinigten Arabischen Emirate und Bahrain, wie das US-Zentralkommandos in Tampa (Florida) mitteilte. Die Ziele in Syrien seien mit Marschflugkörpern «Tomahawk», Kampfjets und bewaffneten Drohne angegriffen worden. Es habe insgesamt 14 Luftschläge gegen den IS gegeben. Mehr als 150 Präzisionsbomben fielen nach Angaben von Pentagonsprecher John Kirby. Die Schläge seien «sehr, sehr effektiv gewesen», betonte er. Den Befehl hatte US-Präsident Barack Obama vergangenen Donnerstag nach seinem Besuch in Tampa erteilt.

Zu den Angriffszielen gehörten laut dem US-Militär Kommandozentren, Trainingslager, Waffenarsenale und Versorgungslager der IS-Miliz. Es seien vor allem Stellungen und Einrichtungen im nordostsyrischen Al-Rakka angegriffen worden, darüber hinaus in der Nähe der Städte Dair as-Saur, Hasaka und Abu Kamal. Al-Rakka gilt als die syrische Hochburg der Dschihadisten. Pentagonsprecher Kirby kündigte weitere Attacken an: «Die Angriffe von gestern Nacht waren erst der Anfang.»

«Dies ist nicht Amerikas Kampf allein», sagte Obama kurz vor seiner Abreise zum Klimagipfel nach New York. Die nationale Sicherheit werde «Schulter an Schulter» mit den arabischen Ländern verteidigt. «Wir werden Terroristen, die unser Volk bedrohen, keinen Zufluchtsort lassen», sagte er mit Blick auf die Angriffe gegen Chorasan.

UN-Generalsekretär Ban Ki Moon forderte die USA und ihre arabischen Verbündeten derweil auf, sich bei den Luftschlägen an internationales Recht zu halten. Es müsse alles getan werden, um die Zahl ziviler Opfer so gering wie möglich zu halten. Die extremistischen Gruppen in Syrien stellten jedoch eine Gefahr für den Weltfrieden dar.

Bundesaußenminister Frank-Walter Steinmeier verlangte eine Gesamtstrategie für Syrien. «Klar ist, dass wir im Kampf gegen IS eine breit angelegte, regional verankerte Gesamtstrategie brauchen, die auch militärische Bestandteile hat», sagte er in New York, wo er zur UN-Vollversammlung aufhielt. Aus deutschen Regierungskreisen hieß es dazu ergänzend: «Wir gehen davon aus, dass die USA ihr Handeln am Völkerrecht ausrichten.»

In Syrien tobt seit dem Frühjahr 2011 ein Bürgerkrieg, der als Aufstand gegen das Regime von Präsident Assad begonnen hatte. Der Islamische Staat beherrscht im Norden und Osten Syriens mittlerweile etwa ein Drittel der Fläche des Landes. Auch im benachbarten Irak kontrolliert die Terrormiliz riesige Gebiete. In beiden Länder geht sie brutal gegen Gegner und Andersgläubige vor.

Das Pentagon erklärte weiter, ohne Beteiligung von Verbündeten hätten die USA zudem acht Ziele der Chorasan-Gruppe bei der nordsyrischen Stadt Aleppo bombardiert. Dabei sollen 50 Kämpfer getötet worden sein. Die «erfahrenen Al-Kaida-Veteranen» hätten eine akute Bedrohung für die USA und Europa dargestellt und sich der letzten Phase von möglichen Terrorattacken genähert.

Die akute Bedrohung sei mit ein Grund für die Angriffe gewesen, sagte eine hochrangige US-Regierungsvertreterin. Die USA hätten die Gruppe seit Jahren im Visier. Ihre Mitglieder seien «sehr gefährlich» und hätten gemeinsam in Pakistan, Afghanistan, im Irak, dem Iran und im Jemen zusammen gelebt und gekämpft. Die Miliz ist mit der Al-Nusra-Front verbunden, dem syrischen Al-Kaida-Ableger.

Syrien sei über die US-Bombardements nach eigenen Angaben vorab von Washington informiert, meldete die nationale Nachrichtenagentur Sana unter Berufung auf das syrische Außenministerium. Die USA betonten, Syrien sei nicht um Erlaubnis gebeten worden.

Am Dienstag tauchte im Internet ein neues Geiselvideo der Terrormiliz auf. Es soll einen entführten Journalisten zeigen. Ein in Algerien entführter französischer Tourist befindet sich zudem in den Händen einer mit dem IS verbundenen Islamistengruppe.

Die Türkei muss sich wegen des Vormarschs der IS-Miliz nach UN-Angaben auf bis zu 260 000 weitere syrische Flüchtlinge einstellen. Insgesamt haben bereits mehr als 1,5 Millionen Menschen vor allem aus Syrien in der Türkei Zuflucht gefunden.

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