Die Verhandlungen über die russischen Gaslieferungen in die Ukraine gestalten sich offenbar schwieriger als geplant. Unmittelbar vor Beginn der Gespräche machte EU-Energiekommissar Günther Oettinger deutlich, dass es derzeit nur darum gehe, eine Vereinbarung für den nahenden Winter zu treffen. An den Gesprächen nehmen neben Oettinger die Energieminister Russlands und der Ukraine sowie die Chefs der jeweiligen Gasversorger Gazprom und Naftogaz teil.
Kritischer Punkt der Verhandlungen ist laut Oettinger die Begleichung der Rechnungen an Gazprom durch die Ukraine. Die Regierung in Kiew benötige 1,5 Milliarden Dollar, um über den Winter zu kommen und die Lieferungen wie von Russland verlangt im Voraus begleichen zu können. "Die Ukraine hat schon ein großes Zahlungsproblem, sie ist praktisch insolvent", sagte Oettinger dem ZDF. Es falle der Regierung in Kiew daher "sehr schwer", die Milliarden-Kredite, die sie vom Internationalen Währungsfonds und der EU bekomme, für Gaseinkäufe zu verwenden. Die Regierung betrachte andere Aufgaben derzeit als wichtiger, etwa Gehälter zu zahlen, Straßen instand zu setzen und Waffen zu kaufen. "Aber wir müssen sie letztendlich dazu bringen, dass sie einen Teil der Hilfsmittel für Gas ausgeben." Das sei im Interesse der ukrainischen Gasversorgung ebenso notwendig wie im Hinblick auf die Transitleistungen Richtung Westeuropa.
Für Oettinger dürfte die Gesprächsrunde die letzte Chance auf eine Einigung sein, da er am Samstag offiziell ins Digitalressort der Kommission wechselt. Danach sind der Slowake Maros Sefcovic und der Spanier Miguel Arias Canete für Energiethemen zuständig. Oettinger wies darauf hin, dass die ukrainischen Gasspeicher mit 17 Milliarden Kubikmetern voller seien als je zuvor. Zudem lägen bereits 3,1 Milliarden Dollar auf einem Sonderkonto für die Ukraine bereit, so dass sich der offene Betrag auf 1,5 Milliarden Dollar belaufe. Die Verhandlungen in Brüssel dürften sich bin zum Abend hinziehen.
Russland und die Ukraine hatten bereits 2006 und 2009 über Gaslieferungen gestritten, wodurch auch in Westeuropa im Winter weniger Gas angekommen war. Die EU bezieht rund ein Drittel ihres Gasbedarfs aus Russland. Etwa die Hälfte davon fließt durch die Ukraine.
Neben den Verhandlungen über Lieferungen an die Ukraine sucht Gazprom in Brüssel zudem eine Lösung im Streit über die Pipeline Opal in Ostdeutschland. Die Gespräche über einen stärkeren Zugriff des Konzerns auf die Leitung würden aber erst mit der neuen EU-Kommission wiederaufgenommen, sagte ein Sprecher des russischen Gasmonopolisten am Mittwoch. Angesichts der Ukraine-Krise hatte die Brüsseler Behörde Mitte September eine Entscheidung dazu vertagt. Die Opal-Pipeline zweigt in der Ostsee von der Nord-Stream-Route ab und liefert Gas durch Ostdeutschland nach Tschechien. Derzeit hat Gazprom nur begrenzten Zugang zu der Leitung, weil die EU eine zu starke Kontrolle der Infrastruktur durch Energieversorger verhindern will.