Der Rückgang des Ölpreises stellte im aktuellen Jahr den größten Schlag für die Weltwirtschaft dar. Dieser ist seit Juni um 40 Prozent auf rund 60 Dollar gefallen. Dies hat weitreichende und vor allem nachhaltige finanzielle Folgen für die erdölproduzierenden Staaten.
Doch die Internationale Energie-Agentur (IEA) meldet, dass die weltweiten Ölvorräte der wohlhabenden Industriestaaten einen Höchststand erreicht haben. Der durchschnittliche Preis der Ölsorte WTI ist von 100 Dollar pro Barrel auf weniger als 60 Dollar gesunken. Dieser Trend war auch bei der Nordsee-Ölsorte Brent zu beobachten. Selbst ein leichter Aufwärtstrend am Dienstag kann nicht darüber hinwegtäuschen, dass der Abwärtskurs des Ölpreises anhält.
Der Absturz des Ölpreises bedroht den Lebensstandard und die öffentlichen Finanzen Russlands. Russland wird in das neue Jahr als Atommacht starten, die gegen die Abwertung des Rubels kämpft, berichtet die Financial Times. Die USA können dagegen fast 90 Prozent ihres Energiebedarfs aus heimischen Quellen decken. Im Jahr 2005 lag dieser Anteil noch bei 70 Prozent.
Fallende Ölpreise führen nicht mehr automatisch zum globalen Wirtschaftswachstum. Der Haupteffekt ist eine riesige Umverteilung von Ölproduzenten auf die Verbraucher, die vom niedrigen Ölpreis profitieren. Diese können die eingesparten Gelder für andere Waren und Dienstleistungen ausgeben oder als Einsparungen zurückhalten. Nach Angaben von Gabriel Sterne von Oxford Economics führen die niedrigen Preise zu einer Umverteilung von Einkommen in die Taschen derjenigen, die eine höhere Konsumneigung haben.
IWF-Chefin Christine Lagarde sagte im Dezember, dass der fallende Ölpreis „eine gute Nachricht für die Weltwirtschaft“ sei. Sie rechnet mit einem Wachstumsschub. Doch sie sagte auch, dass die sinkenden Ölpreise sich nicht positive auf alle Staaten auswirken werden. So werde eine Destabilisierung der russischen Wirtschaft stattfinden. Es gebe nun einmal „Gewinner und Verlierer“ des Ölpreis-Verfalls. Doch auch Venezuela, Norwegen, Dubai, Nigeria, Saudi Arabien und Kuwait gehören zu den Verlierern.
Die großen Gewinner werden die Länder sein, die als große Energie-Konsumenten gelten und gleichzeitig von Ölimporten abhängig sind. Die Ratingagentur Moody 's rechnet damit, dass Länder, die gegen die hohe Inflation kämpfen und hohe Ölsubventions-Rechnungen haben, von dem niedrigen Ölpreis-Niveau profitieren werden. Dazu gehören unter anderem Indonesien und Indien.
Nach Schätzungen von Oxford Economics führt jeder Ölpreis-Rückgang von 20 Dollar zu einem globalen Wachstum von 0,4 Prozent. Der IWF meldet, dass jeder Ölpreis-Rückgang von 40 Dollar zu einem globalen Wachstum von 0,5 Prozent führt. Beide argumentieren zumindest in dieselbe Richtung. Unter Berücksichtigung von 45 Ländern, werden insbesondere die Schwellenländer profitieren. Sie gelten als die Gewinner. So können sie Einschnitte bei den Öl-Subventionen einnehmen und damit ihre öffentlichen Finanzen entlasten. Die entwickelten Volkswirtschaften werden ebenfalls profitieren. Doch deren Abhängigkeit von Öl ist im Vergleich geringer.
Der HSBC-Chefökonom Stephen King ist der Ansicht, dass die niedrige Ölnachfrage in Europa, China und Japan während der Sommerperiode zum Ölpreis-Verfall geführt hat. Das traditionelle Credo, dass niedrigere Ölpreise gut und höhere Ölpreise schlecht seien, entspricht „offensichtlich nicht der Wahrheit“, so King. Denn die fallenden Energie-Preise dämpfen die Inflation und könnten in einer Deflation münden. Diese würde sich negativ auf das Wirtschaftswachstum auswirken. So lagen im November die Verbraucher-Preise in der Eurozone bei 0,3 Prozent. Um eine Deflation zu verhindern, hat die EZB ihren Leitzins auf ein 0,05 Prozent gesenkt.