Russland könnte die EU-Zahlungen an die Ukraine dazu nützen, einen Kredit fälligzustellen, der Ende Januar fällig wird und den Kiew nicht aus eigenen Mitteln bedienen kann: Moskau könnte die vorzeitige Rückzahlung eines drei Milliarden Dollar schweren Kredits an die Ukraine verlangen. Die Ukraine habe eine ganze Reihe von Bedingungen nicht erfüllt, berichtete die russische Nachrichtenagentur RIA Novosti am Samstag unter Berufung auf Regierungskreise. Unter diesen Umständen sei Russland gezwungen, früher auf die Zahlung zu bestehen.
Präsident Wladimir Putin hatte noch vor wenigen Wochen angedeutet, nicht auf eine vorzeitige Rückzahlung zu bestehen. Ansonsten sei das Finanzsystem der Ukraine in Gefahr, sagte Putin im November im Interview mit der ARD. Eine Entscheidung darüber sei noch nicht gefallen, zitieren Agenturen Finanzminister Anton Siluanow. Die Ukraine habe aber Auflagen verletzt.
Russland hatte das Darlehen im Dezember 2013 - nur wenige Monate vor dem Sturz des prorussischen Präsidenten der Ukraine, Viktor Janukowitsch - gewährt. Die Vereinbarung sieht vor, dass Russland eine vorzeitige Rückzahlung verlangen kann, wenn der Schuldenberg der Ukraine oberhalb von 60 Prozent der Wirtschaftsleistung liegt. Wegen des Konflikts im Osten der Ukraine war die Konjunktur zuletzt eingebrochen und diese Marke wohl überschritten. Putin hatte mehrfach darauf hingewiesen, dass er erwarte, dass die EU für die Schulden der Ukraine geradestehen werde.
Deutschland sagte der Ukraine vor wenigen Tagen eine Kreditbürgschaft von einer halben Milliarde Euro zu. Die Garantien sollen einen Kredit zur Finanzierung des Wiederaufbaus der Ostukraine absichern. Nach dem Besuch des ukrainischen Außenministers Arseni Jazenjuk in Berlin hat Bundeskanzlerin Angela Merkel grünes Licht für einen weiteren Kredit von 1,8 Milliarden Euro für die Ukraine durch die EU. Wozu Kiew die europäischen Steuergelder genau verwendet wird, ist nicht geregelt.
Der Schachzug ist durchaus raffiniert. Allerdings dürfte es bei Putin weniger um einen Poker gehen. Russland ist wegen der Sanktionen selbst massiv unter Druck geraten und kann im Grund keine Finanz-Geschenke mehr vergeben.
Auf die Idee gebracht haben dürfte die Russen nicht zuletzt George Soros, der seinerseits die EU-Gelder gefordert hat, damit die Ukraine ihre Schulden bei ihm bezahlen kann.
Wenn die Russen jedoch hart bleiben, könnte sich Soros verspekuliert haben. Es sei denn, die EU überwiest weitere Milliarden nach Kiew. Weil aus EU-Sicht in der Ukraine die westlichen Werte verteidigt werden, ist es denkbar, dass die europäischen Staats- und Regierungschefs ihren sonst so sorgsamen Umgangs mit Steuergeldern einer übergeordneten Sache opfern könnten.