Wirtschaft

Slowakei geht wegen Gas-Versorgung auf Distanz zu EU-Sanktionen gegen Russland

Die slowakische Regierung bangt wegen der Ukraine-Krise um eine sichere Versorgung des mittelosteuropäischen Landes mit Erdgas. Deshalb lehnt Premier Robert Fico eine harte Gangart der EU gegen Russland ab - und hat es geschafft, dass die slowakische Wirtschaft bisher von den Folgen der Sanktionen weitgehend verschont geblieben ist.
08.03.2015 23:49
Lesezeit: 3 min

Seit Ausbruch der Ukraine-Krise bangt kaum ein Land in der Europäischen Union so sehr um eine gesicherte Energieversorgung wie die Slowakei. Ministerpräsident Robert Fico warnt daher vor einer zu harten Gangart gegen Russland. Er fürchtet Lieferausfälle bei Erdgas, das die Slowakei regulär ausschließlich aus Russland bezieht. Dadurch ist es ihm auch gelungen, slowakische Unternehmen weitgehend aus dem Mechanismus der Sanktionen herauszuhalten, die Russland gegen die Europäische Union verhängt hat. Insgesamt sind gerade einmal ein knappes Dutzend Unternehmen in dem mittelosteuropäischen Land davon betroffen.

Allerdings fürchtet die Regierung in Bratislava nach wie vor nichts so sehr wie den von Moskau angedrohten Stopp von Erdgaslieferungen Richtung Westeuropa. Zu sehr wirken noch die Erinnerungen am den Januar 2009 nach, als die slowakische Regierung wegen des damaligen russisch-ukrainischen Gasstreits für 18 Tage einen Gasnotstand ausrufen musste und die Industrieproduktion auf das Notwendigste heruntergefahren wurde.

In jüngster Zeit laufen die Verhandlungen mit möglichen alternativen Lieferanten auf Hochtouren, berichtet das slowakische Wirtschaftsministerium. Die Slowakei kann bisher im Notfall auf Erdgasreserven zurückgreifen, die unweit zur eigenen Grenze in Südtschechien gespeichert werden. Ende Februar vereinbarten die Wirtschaftsminister der Visegradgruppe, die aus Polen, Tschechien, der Slowakei und Ungarn besteht, eine enge Zusammenarbeit in der Energieversorgung. Die Staaten können künftig bei Bedarf auf gemeinsame Erdgasreserven zurückgreifen, die über seit kurzem miteinander verquickte Pipelines verbunden sind. Zugute kommt das vor allem der Slowakei, die sich in Zukunft vermehrt aus der Adriaregion versorgen will.

Die Ukraine-Krise trifft die Slowakei zu einem Zeitpunkt, wo der Wirtschaftsstandort insbesondere für Investoren aus dem westlichen Ausland zunehmend an Attraktivität verliert. Im April 2012 trat der Sozialdemokrat Robert Fico seine zweite Amtszeit an. Er versprach seinen Wählern „Sicherheiten“, womit mehr Sozialausgaben gemeint waren. Im Gegenzug werden mehr und mehr Branchen reguliert, was am deutlichsten in der Energiebranche zu spüren ist, wo Fico einen staatlichen Einheitsversorger für Strom, Gas und Wasser anstrebt. Die Regierung setzt außerdem auf starke Gewerkschaften und hat den für Ausländer sehr attraktiven Einheitssteuersatz von 19 Prozent abgeschafft. Im Übrigen . macht Fico kein Hehl aus seiner Vorliebe für russische und asiatische Investoren, die aber in jüngster Zeit weitgehend ausblieben.

Die Maßnahmen der Regierung zur Bekämpfung der Arbeitslosigkeit greifen kaum. Die Erwerbslosenquote verharrt seit gut fünf Jahren bei um 13 Prozent und ist damit eine der höchsten innerhalb der Europäischen Union. Jeder dritte erwerbsfähige Slowake unter 29 ist derzeit ohne Arbeit. Gleichzeitig können immer weniger Unternehmen Arbeitsstellen besetzen, die eine qualifizierte Ausbildung erfordern. Das gelte gerade in den strukturschwachen Gebieten, so Peter Lazár vom Vorstand der Deutsch-Slowakischen Industrie- und Handelskammer in Bratislava den Deutschen Wirtschafts Nachrichten. Rund 150 der in der Slowakei aktiven deutschen Investoren haben rd. 1.750 Jobs für Facharbeiter zu vergeben. Dazu zählen Gabor, Leonie, Osram oder T-Systems.

Hoffnungsschimmer gibt es wenige. Immerhin investiert der deutsche Volkswagen-Konzern ab April bis Ende 2016 rund 500 Millionen Euro in Ausbau und Modernisierung seiner Halle zur Produktion von Karosserien in Devinska Nova Ves nahe der österreichisch-slowakischen Grenze. Sie war 2013 für 600 Millionen Euro errichtet worden. Ab 2017 werden hier täglich 450 Fahrzeuge vom Band laufen. Weitere 3 Millionen Euro fließen in den Bau eines Diagnosezentrums, das bis Ende diesen Jahres ebenfalls in Devinska Nova Ves entsteht. Schon im Oktober hatte der Konzern in Stupava nahe Bratislava 4 Millionen Euro in eine neue Maschinenfertigung investiert.

Nicht nur Ministerpräsident Robert Fico hofft, dass durch das jüngste Volkswagen-Engagement wieder Großinvestoren auf die Slowakei aufmerksam werden, die vor allem Arbeitsplätze schaffen. Die slowakische Wirtschaft, die Prognosen zufolge heuer ein Plus um 2,5 Prozent verbuchen wird, zählt zwar im EU-Vergleich nach wie vor zu den wachstumsstärksten. Doch seit im Herbst erstmals offenkundig wurde, dass mit Deutschland selbst einer der wichtigsten Handelspartner weitaus anfälliger gegen die globale Krise ist als bisher vermutet, ist die Stimmung unter den zumeist für den Export nach Westeuropa produzierenden slowakischen Unternehmern so gedrückt wie selten seit dem EU-Beitritt im Jahre 2004. Nicht wenige erwägen Entlassungen.

Die amerikanische U.S. Steel Kosice will bis Ende 2016 ihre Produktionsstätten in der Ostslowakei für 80 Millionen Euro überholen. Ansonsten scheinen westliche Unternehmen vor allem auf dem Rückzug. Den markantesten vollzieht der italienische Energiekonzern Enel, der sich in Kürze für 4,4 Milliarden Euro von seiner 66-prozentigen Beteiligung an den Slowakischen Elektrizitätswerken trennen will und damit eine der zehn größten Transaktionen weltweit in diesem Jahr plant. Die aussichtsreichsten Erwerberkandidaten sind russischen, chinesischen oder ungarischen Ursprungs.

Die jüngste Volkswagen-Investition dürfte zumindest einige Zulieferer des Automobilherstellers in die Slowakei locken. Der Wolfsburger Konzern hat neben den massiven Investitionen früherer Jahre in Höhe von insgesamt 2 Milliarden Euro vor allem zwei Gründe am Standort Slowakei festzuhalten: die Zugehörigkeit des Landes zur Eurozone und die Bemühungen der Regierung um die flächendeckende Einführung einer dualen Berufsausbildung. Diese hat Volkswagen Slovakia maßgeblich beeinflusst.

In diesem Jahr soll der Nationalrat ein Gesetz verabschieden, auf Grundlage dessen Ausbildungen zu mindestens 70 Prozent praxisorientiert sind, berichtet die Deutsch-slowakische IHK. Das Gesetz führt außerdem das Institut des Ausbildungsvertrages und des betrieblichen Ausbilders ein und definiert die materielle und finanzielle Ausstattung der Auszubildenden. Damit ist die Slowakei auf dem Weg zum ersten mittel- und osteuropäischen Land mit allgemein verbindlichen Standards zur Qualifikation von Facharbeitern.

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