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Mediziner transplantieren erstmals „tote Herzen“

Lesezeit: 2 min
04.05.2015 10:48
Mediziner können künftig Herzen wiederverwenden, die längst aufgehört haben zu schlagen. Mit einer neuen Methode wird das Organ lange nach der Entnahme wiederbelebt. Eine Konservierungsflüssigkeit verdoppelt dabei das Zeitfenster für eine Transplantation von vier auf acht Stunden.
Mediziner transplantieren erstmals „tote Herzen“

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Bis zu 30 Prozent mehr Herzen sollen in Zukunft transplantiert werden können. 30 Prozent an Operationen, die bis jetzt nicht möglich waren. Zwei australische Herzkranke erhielten Berichten von IFLScience zufolge bereits Spenderherzen, die bis vor kurzem nicht hätten genutzt werden können, da sie schon tot waren. Beide Herzen schlugen schon mindestens 20 Minuten nicht mehr und konnten dennoch erfolgreich den Spendern entnommen und ihren neuen Besitzern eingesetzt werden.

Beide Patienten litten an Herzversagen. Die Herzen, die ihnen transplantiert wurden, haben bereits nicht mehr gearbeitet, wurden jedoch wiederbelebt. Das erste Herz erhielt Michelle Gribilar - eine 57 Jahre alte Frau aus Sydney. „Ich unterschrieb einfach die Papiere, weil es mir immer schlechter ging und dachte, ich werde wohl sterben“ berichtet die Empfängerin des ersten so konservierten Spenderherzen. Dem zweiten Patienten, Jan Damen, wurde wenig später ebenfalls ein neues Herz transplantiert.

Das Besondere an ihren Herzen ist, dass sie bereits stillstanden. Bis zu diesem großen Erfolg, konnten nur Spenderherzen von hirntoten Patienten transplantiert werden. Beispielsweise fällt jemand nach einem Autounfall ins Koma. Irgendwann stellt sich bei diesem Patienten jegliche Hirnaktivität ein, der Kreislauf wird allerdings mit lebenserhaltenden Maßnahmen aufrecht erhalten. Nun stellen zwei unabhängige Ärzte den Hirntod fest.

Dann erst wird der Patient für tot erklärt und alle lebenserhaltenden Maßnahmen dürfen unterlassen werden. Litt der Tote nicht an einer das Herz betreffenden Krankheit, so kann ihm zuvor sein noch schlagendes Herz entnommen werden, um es einem Herzkranken einzupflanzen. Es wird also entnommen und auf Eis gelegt, damit der Sauerstoffmangel das Herz nicht gänzlich tötet.

Bisher konnten nur Herzen nach einem Hirntod nutzbar gemacht werden, jetzt ist dies auch nach Herztod der Fall. Mit der neuen Methode können Spenderherzen wiederbelebt werden, die, etwa nach einem Atemstillstand, aufhörten zu schlagen. Erst fünf Minuten, nachdem jegliche Herzaktivität endet, darf der Patient für tot erklärt werden. Das Herz bleibt hier bereits wegen des Sauerstoffmangels stehen, müsste also sofort wieder durchblutet werden, damit es wieder funktionieren kann.

Bei sinkenden Körpertemperatur verliert das Herz so sehr schnell seine Funktionsfähigkeit. Um einem Organspender das Herz zu entnehmen, benötigen Ärzte in der Regel 15 bis 30 Minuten. Man kommt so also auf mindestens 20 Minuten, in denen das Herz keinen Sauerstoff erhält und verdirbt. Das Team in Sydney entwickelte jedoch innerhalb von 12 Jahren eine Spezialflüssigkeit und eine Apparatur, mit der Herzen wiederbelebt werden können.

„Wir können das Herz entnehmen und es in einen Kasten legen, in dem wir es mit einem Blutkreislauf verbinden, der es mit Sauerstoff versorgt. Langsam fängt das Herz wieder an zu schlagen und wir halten es warm und können es in diesem Kasten transportieren. Außerdem geben wir eine spezielle Flüssigkeit zur Konservierung dazu, die das Herz resistenter gegen Sauerstoffmangel macht.

„Zusammen ermöglichen diese Faktoren die Transplantation eines Herzen, das bereits klinisch tot war. Vorher war das nicht möglich.“, erklärt der Geschäftsführer des Victor Chang Institute und Leiter des Forscherteams, Professor Bob Graham im Rahmen eines Interviews mit dem australischen Rundfunksender ABC.

Graham zufolge seien sowohl die Instrumente zur Wiederbelebung wichtig, als auch die Konservierungsflüssigkeit. Ohne eins von beiden, sei das was das Team geschafft hat, nicht möglich gewesen. Bisher wussten auch die operierenden Ärzte nicht, ob im Einzelfall das Herz im Empfänger wieder funktionieren würde. Mithilfe des Kastens wäre man sich der Funktion sicher, da das Schlagen des Herzens zu beobachten sei.

Mithilfe dieser neuen Forschungsergebnisse können nicht nur mehr Herzen gespendet werden, da mehr Patienten ein potenzielles Spenderherz in sich tragen. In manchen Ländern, wie beispielsweise Japan, ermöglicht die Methode überhaupt erst die Entnahme eines Spenderherzens, da hier das Fehlen jeglicher Hirnaktivität nicht als Todesart anerkannt wird.

Darüber hinaus verdopple die Konservierungsflüssigkeit das Zeitfenster, das die operierenden Ärzte haben, von circa vier Stunden auf etwa acht. Somit können Spenderherzen auch deutlich weiter zum Empfänger transportiert werden: dahin, wo sie am dringendsten gebraucht werden.


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