Politik

Griechische „Reformen“: Steuern sollen massiv erhöht werden

Die Vorschläge der griechischen Regierung an die Troika sehen die Erhöhung von Steuern und Sozialabgaben in Höhe von 7,3 Milliarden vor. Es ist äußerst zweifelhaft, dass die Syriza-Koalition im griechischen Parlament diesem Programm zustimmen kann.
23.06.2015 11:58
Lesezeit: 3 min

Der Plan, mit dem Premier Alexis Tsipras die Troika zufriedenstellen will, sieht die massive Erhöhung von Steuern und Sozialabgaben vor. Wie die Zeitung Kathimerini berichtet, sollen 7,3 Milliarden Euro aus dem Gesamtpaket von 7,9 Milliarden Euro über die Einnahmenseite kommen. Die Zeitung berichtet, dass selbst in der Troika bereits Zweifel aufgekommen sind, ob dieser Plan funktioniert: Allgemein wird erwartet, dass eine weitere Belastung von großen Teilen der Bevölkerung zu einer Verschärfung der Rezession führen wird. Die Erhöhung von Mehrwertsteuern ist immer auch sozial ungerecht, weil sie die unteren Einkommen stärker belastet. Aus diesem Grund könnte Tsipras Schwierigkeiten bekommen, seine eigene Koalition zur Zustimmung zu bewegen.

Die Mehrwertsteuer soll auf drei Ebenen erhoben werden: Eine niedrige von 6 Prozent für Medikamente, Bücher und Theaterkarten, eine mittlere von 13 Prozent auf Lebensmittel und, wie die FT aus dem 11-seitigen Papier zitiert, Energie, sowie eine hohe Steuer auf alle anderen Güter von 23 Prozent. Weil aber die Troika zusätzliche Einnahmen von 1,8 Milliarden Euro fordert, prüft die Regierung, ob nicht alle Lebensmittel mit 23 Prozent besteuert werden sollen.

Die ermäßigte Mehrwertsteuer für die griechischen Inseln sollte aufgehoben werden. Gegen diese Maßnahme hat allerdings bereits der Syriza-Koalitionspartner ANEL sein Veto angekündigt.

Vize-Parlamentssprecher Alexis Mitropoulos, der die regierende Syriza-Koalition vertritt, warnte am Dienstag laut Reuters, viele Abgeordnete könnten der Vorschlagsliste von Regierungschef Alexis Tsipras die Unterstützung verweigern. „Ich glaube, dieses Programm wird Schwierigkeiten haben, bei uns durchzukommen.

Die Syriza-Regierung hofft, mit diesen Steuern schnell auf der Einnahmen-Seite zu Verbesserungen zu kommen. Zugleich geht Tsipras davon aus, dass mit der Mehrwertsteuer die Touristen schon in diesem Sommer zur Kasse gebeten werden könnten. Für den Tourismus in Griechenland ist das eine gefährlich Entwicklung, weil sich die Türkei mit einer ständigen Abwertung der Lira als billige Alternative positioniert hat.

Die Renten will die Syriza ausdrücklich nicht antasten. Offenbar hofft Tsipras, den Deal damit seiner wichtigsten Klientel, den Staatsbediensteten, schmackhaft machen zu können. Die FT berichtet, dass die Beiträge zum staatlichen Pensionsfonds um 3,9 Prozent erhöht werden sollen. Der Pensionsfonds soll im Jahr 2016 aus eigenen Mitteln 800 Millionen Euro aufbringen. Die Pensionsfonds sind eine wichtige Größe bei der Ermittlung des von der Troika geforderten Primär-Überschusses. Die Regierung Samaras hatte ein im vergangenen Jahr verstanden, den Pensionsfonds so darzustellen, dass er mit einem „weißen Loch“ zum Erreichen des Primärüberschusses entscheidend beigetragen hatte. Die Frühverrentung soll ab 2016 abgeschafft werden. Bis 2025 soll das Renteneintrittsalter auf 67 Jahre angehoben werden.

Tsipras will außerdem die Unternehmen besteuern: Unternehmen, die 2014 einen Gewinn von 500.000 Euro gemacht haben, sollen mit einer Zwangsabgabe von 12 Prozent belegt werden, die 2015 und 2016 in zwei Raten zu bezahlen ist. Danach soll diese Steuer wieder verschwinden. Zugleich will die Regierung die Körperschaftssteuern von 26 auf 29 Prozent erhöhen. Dies würde die noch intakten mittelständischen Unternehmen besonders treffen: Alle Unternehmen, die einen Gewinn vor Steuern von über 100.000 Euro erwirtschaften, sollen mit dieser Steuer belegt werden.

Eine bei den Griechen besonders verhasste Immobiliensteuer soll bestehen bleiben, die Rüstungsausgaben gekürzt werden. Die Steuern für Bauern werden laut Kathimerini deutlich erhöht. Für Haushalte mit einem Jahreseinkommen über 30.000 Euro wird es eine Erhöhung des Solidaritätszuschlags geben. Die Luxussteuer wird von 10 auf 13 Prozent erhöht. Neue Steuern auf TV-Werbung und Online-Spiele werden erhoben. Die Lizenzen für den Mobilfunk sollen versteigert werden.

Die Maßnahmen dürften dazu führen, dass sich das Kernproblem in Griechenland verschärft: Für die meisten Griechen dürfte sich mit diesen Steuern der Anreiz dramatisch erhöhen, in den Schwarzmarkt auszuweichen. Damit wird die Schattenwirtschaft in Griechenland zunehmen, wodurch dem Staat Steuereinnahmen verloren gehen. Der Konsum dürfte ebenfalls zurückgehen. Der Einkommensgerechtigkeit ist mit diesen Maßnahmen nicht gedient: Die höheren Steuern werden vor allem die Geringverdiener belasten, die Flucht der gut verdienenden Mittelklasse in die Steuerflucht dürfte beschleunigt werden.

Der finanz- und wirtschaftspolitischer Sprecher der Grünen im EU-Parlament, Sven Giegold, analysiert: „Tsipras' Vorschläge beinhalten eine Orgie von Steuererhöhungen und Kürzungen, die wie Gift für eine stagnierende Wirtschaft wirken. Die Pläne sind eine Zuspitzung der Wirtschaftskrise mit Ansage. Mit den Steuererhöhungen und Kürzungen von 1,5 Prozent in diesem und 2,87 Prozent des Bruttosozialprodukts im nächsten Jahr werden rechnerisch die Lücken gefüllt. Praktisch werden aber schon bald die Einnahmen des Staates mangels Wirtschaftwachstums wieder schneller schrumpfen als die gekürzten Ausgaben.“

Unklar ist, ob Tsipras andere Koalitionen finden kann, wenn seine Syriza die Vorschläge als unsozial erkennt. Es ist denkbar, dass die To Potami oder die PASOK mit Syriza für die „Reformen“ stimmen. Es ist ebenfalls denkbar, dass Angela Merkel ihre Parteifreunde von der Nia Demokratia dazu bewegt, für das Paket zu stimmen, um die Euro-Zone zu retten.

DWN
Wirtschaft
Wirtschaft Luxus für die Chefetage: DAX-Vorstände kassieren das 41-Fache ihrer Mitarbeiter
12.08.2025

Während die Wirtschaft stagniert, steigen die Managergehälter: DAX-Vorstände verdienen im Schnitt das 41-Fache ihrer Mitarbeiter – und...

DWN
Politik
Politik Rente und Lebensarbeitszeit: Beamte sollen länger arbeiten, weil sie im Schnitt länger leben
12.08.2025

Die Deutschen sollen länger arbeiten, fordert die Wirtschaftsministerin, auch um die Sozialsysteme abzusichern. Für das Rentensystem hat...

DWN
Politik
Politik Umfrage: Nur jeder Dritte zufrieden mit Kanzler Merz – Unzufriedenheit steigt weiter
12.08.2025

Rund 100 Tage nach Amtsantritt der neuen Koalition fällt die Bilanz für Bundeskanzler Friedrich Merz eher ernüchternd aus. Einer...

DWN
Finanzen
Finanzen SAP-Aktie: DAX-Schwergewicht rutscht weiter ab – jetzt SAP-Aktie kaufen?
12.08.2025

Die SAP-Aktie steht unter Druck – trotz starker Cloud-Zahlen und stabiler Marktstellung. Anleger fragen sich: Jetzt die SAP-Aktie kaufen...

DWN
Wirtschaft
Wirtschaft Gaming-Boom in Deutschland: Verbraucher geben 4,6 Milliarden Euro aus
12.08.2025

Die Gaming-Branche in Deutschland erlebt einen spürbaren Aufschwung: Im ersten Halbjahr 2025 stiegen die Ausgaben der Verbraucherinnen und...

DWN
Panorama
Panorama Heiße Tage, kühle Skepsis: Warum wir uns mit Klimaanlagen so schwertun
12.08.2025

Während Klimaanlagen in vielen Ländern weltweit zur normalen Ausstattung gehören, sind sie in Deutschland noch immer umstritten....

DWN
Politik
Politik Sonntagsfrage: AfD mit Rekordwert in aktueller Forsa-Umfrage – Tiefpunkt für Schwarz-Rot und Kanzler Merz
12.08.2025

Die aktuelle Sonntagsfrage bringt die schwarz-rote Koalition unter Druck: Die AfD erreicht ihren Rekordwert, die Union verliert. Die...

DWN
Politik
Politik Selenskyj warnt: Putin nutzt Trump-Treffen als Vorwand für neue Offensive – kein Wille zum Frieden
12.08.2025

Kurz vor dem Gipfel zwischen Donald Trump und Wladimir Putin warnt Wolodymyr Selenskyj: Moskau rüste für neue Angriffe, statt Frieden zu...