Politik

Schäuble will Griechenland aus der Euro-Zone werfen

Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble fährt einen harten Kurs gegen Griechenland: Er schlug vor, entweder als Sicherheit für neue Kredite einen Treuhand-Fonds zu gründen, der das griechische Volksvermögen verwertet. Oder aber Griechenland für fünf Jahre aus der Euro-Zone zu werfen. Wenn Schäuble sich durchsetzt, droht Griechenland eine beispiellose, humanitäre Katastrophe.
11.07.2015 22:33
Lesezeit: 3 min

Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble sieht zur Lösung des Schuldenstreits laut einem Positionspapier nur zwei Auswege für Griechenland. Der erste sei, dass die die Regierung ihre Austeritäts-Vorschläge rasch und umfassend mit voller Unterstützung durch das Parlament in Athen verbessere, heißt es in dem Papier, über das das Wall Street Journal, Reuters und die FAZ berichten. Der Grüne Abgeordnete Sven Giegold hat das Papier auf Twitter gepostet:

Zudem solle ein Treuhandfonds geschaffen werden, in den staatliche Vermögenswerte im Volumen von 50 Milliarden Euro fließen sollen. Die durch Privatisierungen erreichten Erlöse sollten in den Schuldenabbau fließen. Eine Überbrückungsfinanzierung bis zum Beginn eines dritten Programms solle so gestaltet werden, dass das finanzielle Risiko im Falle eines Scheiterns der Verhandlungen nur bei Griechenland liege, nicht bei den übrigen Ländern der Eurozone. De facto läuft dieser Vorschlag auf eine Enteignung des griechischen Volksvermögens hinaus. Das Interesse bei europäischen Konzernen besteht: So hatte der dänische Reeder Maesrk sein Interesse an den Häfen von Piräus und Athen angemeldet. Die Deutsche Telekom würde gerne mehr Anteil an der griechischen Telekom übernehmen.

Falls die Tragfähigkeit der Schulden und eine verlässliche Umsetzung der Austeritätsmaßnahmen nicht gewährleistet werden könnten, wird in dem Papier als zweite Möglichkeit vorgeschlagen, dass mit der griechischen Regierung Verhandlungen über einen mindestens fünf Jahr andauernde Ausschluss aus der Eurozone begonnen werden. In dieser Zeit sollte über eine Restrukturierung der griechischen Schulden diskutiert werden - etwa in einem Format wie dem sogenannten "Pariser Club", in dem staatliche Gläubiger und Schuldner miteinander verhandeln. "Nur auf diesem Weg kann eine ausreichende Schuldenrestrukturierung ermöglicht werden, die als Mitglied einer Währungsunion nicht möglich ist", heißt es in dem Papier. In dieser Zeit könne Griechenland als EU-Mitglied mit wachstumsfördernden, humanitären und technischen Maßnahmen von der EU unterstützt werden. Zugleich solle die Währungsunion in dieser Zeit durch konkrete Maßnahmen gestärkt werden.

Matthew Karnitschnig von Politico merkt zutreffend an, dass im Bundesfinanzministerium vor allem Juristen und kaum Ökonomen arbeiten:

Er hält das Papier für einen Teil des Pokers, um auf Griechenland Druck auszuüben:

Dieser Vorschlag ist natürlich Unsinn: Das Problem Griechenlands liegt nicht in dem, was in fünf Jahren passiert, sondern in einem drohenden kompletten Zusammenbruch der Wirtschaft. Schäuble, der seit 40 Jahren seinen Lohnzettel beim Bundestag abholt, hat offenkundig keine Ahnung, welche Bedeutung Banken für ein Land haben: Die Banken sind in Griechenland seit zwei Wochen geschlossen. Mit der Aussicht auf einen Ausschuss aus dem Euro tritt am Montag der Crash ein - mit einer beispiellosen humanitären Katastrophe.

Mehreren Vertretern der Euro-Zone zufolge ging Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble in der Eurogruppe am Samstag nicht auf die Option der fünfjährigen Auszeit ein, erwähnte aber das Modell des Treuhandfonds. Ein EU-Vertreter kritisierte, dass die Idee der Auszeit rechtlich nicht möglich sei, wirtschaftlich keinen Sinn mache und nicht mit der politischen Realität übereinstimme.

Die dpa berichtet, dass das Papier mit Angela Merkel und Sigmar Gabriel abgestimmt sein soll. Ob das wirklich stimmt, ist nicht festzustellen. Gabriel schreibt auf Facebook so kryptisch, dass daraus nicht zu erkennen ist, ob er jetzt zugestimmt hat:

"Die SPD verfolgt nach wie vor das Ziel, Griechenland in der Eurozone zu halten, wenn die dafür notwendigen Bedingungen geschaffen werden können. Das ist auch das gemeinsame Ziel der Bundesregierung. Und darüber wird derzeit in Brüssel beraten. Die SPD legt dabei besonderen Wert auf ein gemeinsames und abgestimmtes Vorgehen mit Frankreich. Der Vorschlag des Bundesfinanzministers Wolfgang Schäuble für ein zeitlich befristetes Ausscheiden Griechenlands aus der Eurozone ist der SPD natürlich bekannt. In einer derart schwierigen Situation muss auch jeder denkbare Vorschlag unvoreingenommen geprüft werden. Dieser Vorschlag wäre aber nur realisierbar, wenn die griechische Regierung ihn selbst für die bessere Alternative halten würde."

In der SPD scheint man sich nicht einig darüber, ob Schäuble nun mit Zustimmung oder Wissen der Partei handelt. So schreibt Hubertus Heil auf Twitter:

Die Bild-Zeitung berichtet von einem erneuten Zerwürfnis zwischen Merkel und Schäuble. Die FAZ schreibt dagegen, dass Merkel Schäuble am Sonntag zum Gipfel der 28 mitnehmen will. Entweder hat die Kanzlerin einen echten Plan, was in der Euro-Krise ein Novum wäre. Oder sie hat komplett den Überblick verloren - was wegen des mangelnden moralischen Kompasses angesichts der bevorstehenden humanitären Krise in Griechenland besonders dramatisch wäre. Hier geht es nämlich nicht um eines der üblichen CDU-Machtspiele, sondern um konkrete Menschenleben, die durch eine falsche Entscheidung gefährdet sind.

Mehr zum Thema
article:fokus_txt
X

DWN Telegramm

Verzichten Sie nicht auf unseren kostenlosen Newsletter. Registrieren Sie sich jetzt und erhalten Sie jeden Morgen die aktuellesten Nachrichten aus Wirtschaft und Politik.
E-mail: *

Ich habe die Datenschutzerklärung gelesen und erkläre mich einverstanden.
Ich habe die AGB gelesen und erkläre mich einverstanden.

Ihre Informationen sind sicher. Die Deutschen Wirtschafts Nachrichten verpflichten sich, Ihre Informationen sorgfältig aufzubewahren und ausschließlich zum Zweck der Übermittlung des Schreibens an den Herausgeber zu verwenden. Eine Weitergabe an Dritte erfolgt nicht. Der Link zum Abbestellen befindet sich am Ende jedes Newsletters.

DWN
Wirtschaft
Wirtschaft Ukraine-Krieg: Frieden zwischen Ukraine und Russland kann neue Aktienrallye in Europa auslösen
20.04.2025

Deutschland als größte Volkswirtschaft Europas leidet in besonderem Maße unter den wirtschaftlichen Folgen des Ukraine-Kriegs. Hohe...

DWN
Politik
Politik Was sich im Mai ändert: Neue Namensregeln, schärferer Biomüll-Kurs und Abschied von Skype
20.04.2025

Im Mai 2025 kommen wichtige Änderungen auf Bürger zu: Neue Nachnamensregeln für Familien, strengere Biomüll-Kontrollen, digitale...

DWN
Finanzen
Finanzen Ride Them Out: Den richtigen Moment in der Börsen-Blasen-Strategie finden
20.04.2025

Die Finanzwelt steht immer wieder vor der Frage, wie man in turbulenten Zeiten richtig handelt. Dieser Artikel beleuchtet, warum es oft...

DWN
Wirtschaft
Wirtschaft Abschottung statt Gastfreundschaft: Trumps zweite Amtszeit trifft Amerikas Tourismusindustrie
20.04.2025

Internationale Reisende meiden die USA – Fälle willkürlicher Festnahmen an den Grenzen häufen sich. Europas Touristen ziehen...

DWN
Wirtschaft
Wirtschaft Shell: Asien als Haupttreiber des LNG-Wachstums bis 2040
20.04.2025

Shell prognostiziert einen Anstieg des globalen LNG-Verbrauchs um 60 Prozent bis 2040, vor allem getrieben durch die steigende Nachfrage in...

DWN
Politik
Politik Asien-Investor: „Jetzt beginnt Trumps Schicksalsvierteljahr“
20.04.2025

Ein schwedischer Analyst in Vietnam sieht das Weiße Haus vor einem Finanzbeben – und erkennt zugleich geopolitische Chancen für...

DWN
Wirtschaft
Wirtschaft Deutschlands Brücken sind marode – reicht eine Finanzspritze aus?
20.04.2025

Deutschlands Brücken sind in einem kritischen Zustand – ein aktuelles Beispiel ist die A100-Brücke in Berlin. Die sogenannte...

DWN
Wirtschaft
Wirtschaft De-minimis-Ausnahme: Trump hat europäischen Unternehmen bisher ein Geschenk im Wert von 800 Dollar hinterlassen
19.04.2025

Trumps Zollpolitik ermöglicht es europäischen Unternehmen, Waren bis 800 Dollar zollfrei in die USA zu versenden. Doch Experten warnen,...