Im April 2013 hat das EU-Parlament hat beschlossen, dass Boni für Banker nur noch maximal 50 Prozent von deren Einkommen ausmachen dürfen. Ein halbes Jahr später, im Oktober 2013, wurde die Vorgaben mit einem Streich deutlich eingeschränkt. Die Boni-Deckelung wurde aufgehoben. Bis zu 250 Prozent des Grundgehalts wollte die europäische Bankenaufsicht (EBA) nun als Bonuszahlungen zulassen. Grund war die Intervention der britischen Regierung. Aber auch andere Banken, insbesondere europäische Investmentbanken, hatten die EU-Vorgaben beanstandet. Die EBA beugte sich diesem Druck.
Im Kontext mit den neuen Eigenkapital-Vorgaben für Banken sollten die Boni nach Vorstellung der EU gedeckelt werden. Nur mit Bewilligung der Aktionäre sollten die Bank-Manager das Grundgehalt einschließlich Boni verdreifachen dürfen. Ohne die Zustimmung der Anteilseigener dürfte der jeweilige Bonus lediglich so hoch sein wie das jährliche Grundgehalt. Die Vorschriften bezogen sich auf Bank-Angestellte, die 500.000 Euro und mehr pro Jahr an Gehalt bezogen.
In 2014 mussten sich die Banker in der CoL jedoch mit weniger Boni abfinden. Die Sonderzahlungen gingen um 13,6 Milliarden Pfund zurück, etwa um 25 Prozent im Vergleich zum Spitzenjahr 2008. Der Hintergrund: Boni dürfen in der Regel das Jahresgehalt nicht mehr übersteigen. Lediglich mit Zustimmung der Aktionäre dürfen die Sonder-Vergütungen doppelt so hoch sein wie das jährliche fixe Einkommen. Mit der Materie vertraute Insider berichten jedoch, dass inzwischen die Gehälter für die „Star-Trader“ erhöht wurden, während man bei „Low-Performer“ und Nachwuchskräften einkürzte.
Die Banken sind derzeit jedoch bemüht, in Gespräche mit Brüssel einzutreten, um durch die Hintertür neue Bonus-Regelungen zu erreichen. Dies berichtet die Financial Times. Die Argumentation lautet, kleinere Finanzdienstleister könnten in jahrelangem, unsicherem Papierkrieg versinken. Die Interpretation der EU-Richtlinien hinsichtlich der Bonus-Begrenzungen habe klar gemacht, dass die EU-Regeln quer über die ganze Branche verliefen, was verhindere, dass einzelne Länder Ausnahmen anwenden könnten.
Der Europäische Bankenverband (European Banking Federation, EBF), eine Lobbygruppe der Banken-Industrie, habe an EU-Justizkommissarin Vera Jourova appelliert, die derzeitige rechtliche Bewertung müsse überdacht werden.
„Eine strenge Auslegung der Regeln würde zu absurden Ergebnissen mit hohem Verwaltungsaufwand führen“, sagte Wim Mijs, Hauptgeschäftsführer des niederländischen Bankenverbandes und Geschäftsführer der EBF. „Der aktuelle Gesetzestext hat genügend Spielraum, um Verhältnismäßigkeit anzuwenden.“
In einem Brief an die EU-Justizkommissarin vom Juli diesen Jahres, der von der FT eingesehen wurde, warnte Frédéric Oudéa, Hauptgeschäftsführer der französischen Bank Société Générale und EBF-Präsident, die Aufhebung von Ausnahmen bei den Boni führe zu „unverhältnismäßig hohen Kosten und Verwaltungsaufwand ohne angemessene Leistungen“.
Bisher hatten die nationale Aufsichtsbehörden einen Ermessensspielraum, in wie weit die EU Bonus-Regeln angewendet werden. Beispielsweise ermöglicht die Finanzbehörde in Großbritannien, einigen Tausend Brokern und anderen Investmentfirmen, die Befreiung von einzelnen EU-Regeln.
Seit dem Krisenjahr 2008 bis ins Jahr 2014 hat die Londoner City geschätzte 67 Milliarden Pfund an ihre Banker ausgeschüttet. Goldman Sachs hatte den höchsten durchschnittlichen Bonus der Investmentbanken in der City of London und zwar 194.000 britische Pfund pro Verwaltungsmitglied, wie eine Studie von Emolument aus dem Mai 2015 zeigte, einer britischen Gehaltsvergleichs-Website. Die höchsten Boni bei den größten Banken können demnach die Größenordnungen von Millionen von Pfund betragen, vor allem, wenn Aktienzuteilungen berücksichtigt werden.
Die jüngsten EU-Banker-Regelungen verbieten zwar Boni von mehr als dem Doppelten des jährlichen, fixen Einkommens, doch es gibt Tricks, dies zu unterlaufen. Zum Beispiel durch Aufschub oder Stundungen, oder es werden Ansprüche auf Teile der Boni mit Aktienpaketen oder anderen Leistungen vergütet. Und diese Sachverhalte sind nunmehr Bestandteile der Debatte der Finanzlobby mit der EU über eine „Flexibilisierung“.
Die Banken sind zuversichtlich, dass eine Lösung gefunden werden kann. Zumal die EBF (der Europäische Bankenverband) glaubt, dass gezielte Ausnahmen in „einigen Fällen“ gerechtfertigt sein könnten. Die EBF beabsichtigt, die gesetzlichen Änderungen der EU-Kommission zu empfehlen, wie die FT berichtet. Das Thema ist jedoch eine Herausforderung an Brüssel, da die EU-Kommission ein gemeinsames Regelwerk für die Bankenunion implementieren will. Jede legale Änderung an dem bereits bestehenden Regelwerk benötigt Jahre, um sie umzusetzen. Doch die Frage bleibt, wie die Regeln in der Zwischenzeit angewendet werden – und welche Ausnahmen oder Schlupflöcher es bei den Boni möglicherweise geben wird.
Nach Abschluss einer umfassenderen Überprüfung will die EU-Kommission festlegen, wie gut die Bonus-Regeln in der Praxis funktionieren. Bis Mitte nächsten Jahres soll die Bewertung abgeschlossen sein. Ein Sprecher der Kommission erklärte: „Für einen gut funktionierenden, europäischen Kapitalmarkt ist es wichtig, dass die Regeln in einer kohärenten und gleicher Weise in allen Mitgliedstaaten angewendet werden.“