Die vier großen Wirtschaftsprüfungs-Unternehmen nehmen immer öfter die Beratung und die Prüfung von Kunden gleichzeitig vor: Die Gefahr wächst, dass die Prüfungs-Qualität durch so entstehende Interessenkonflikte leidet. PwC, Deloitte, EY und KPMG haben sich von reinen Wirtschaftsprüfern zu Dienstleistern entwickelt, deren Hauptfokus nicht mehr auf der Prüfung, sondern auf der Beratung von Unternehmen in allen Bereichen liegt, so ein Bericht der FT.
Wenn die Prüfer jedoch von Rechtsberatung über Insolvenzbegleitung und Kapitalmarkt- und Cybersicherheitsberatung einfach alles anbieten, werden Interessenkonflikte unvermeidbar: Wer eine Firma trickreich bei der Unternehmensführung und bei der Erstellung der Bilanzen berät, der kann nicht gleichzeitig deren Bilanzen unabhängig prüfen. Noch komplexer wird der Interessenkonflikt, wenn die gleiche Firma, die als Berater eine Insolvenz abwenden soll, von einer eben solchen Insolvenz profitieren könnte.
Wegen zahlreicher so entstandener Konflikte dürfen Prüfunternehmen in den USA seit 2002 eigentlich keine Beratungsdienste mehr für ihre Prüfkunden anbieten. Drei von vier Prüfunternehmen verlagerten daraufhin ihre Beratungs-Segmente in eigene Firmen und regelten mit diesen vertraglich, sich gegenseitig nicht in die Quere zu kommen. Als diese Verträge jedoch ausliefen, bauten die Prüf-firmen ihre Beratungstätigkeiten durch Zukäufe wieder auf, allein nannten sie es nicht mehr „Consulting“ sondern „Advisory Work“. „Die großen vier machen beim Consulting die große Runde. Sie hatten es, sie haben es abgeschafft, und jetzt bauen sie es wieder auf“, so Fiona Czerniawska von der Forschungseinrichtung Source Information Service gegenüber der FT.
In den Jahren 2011 bis 2013 übernahmen die großen Vier Wirtschaftsprüfer 66 Beratungsfirmen, somit macht das Consulting weltweit wieder 60 Prozent ihrer gesamten Umsätze aus und sie sind mittlerweile dabei, beim Wachstum die traditionellen Beraterfirmen zu überholen.
Experten sehen durch den Beratungschwerpunkt die Wirtschafts-Prüfung als wichtige Kontroll-Funktion für die Kapitalmärkte in Gefahr. „Wirtschaftsprüfung ist eine lebenswichtige öffentlichen Dienstleistung, aber sie ist nicht mehr das Kerngeschäft der Prüfungsfirmen", so Stella Fearnley, von der Bournemouth University in Großbritannien. „Sie haben sich zu Beratern entwickelt, mit dem Ziel, Geld zu verdienen. Das ist sehr gefährlich.“
2011 versuchte der damalige EU-Binnenmarktkommissar Michel Barnier strenge Reformen durchzusetzen und die Unternehmen zu zwingen, ihre Prüfungs- und Beratungssegmente strikt zu trennen. Die Reform wurde durch intensive Lobbyarbeit der Konzerne jedoch verhindert. Stattdessen wurde ein Rotationssystem eingeführt, das Unternehmen verpflichtet, die Prüfung alle zehn Jahre neu auszuschreiben und alle 20 Jahre zu wechseln. Zudem wurde festgelegt, dass mindestens 30 Prozent ihrer Gebühreneinnahmen auch aus Prüfungsleistungen stammen müssen, bestimmte Beratungsdienste wurden ihnen zudem verboten.
Das führte allerdings nur zu einem Karussell-Verfahren und die ständigen Wechsel der Anbieter haben das Problem der Interessenkonflikte nur verschärft, da die Wirtschaftsprüfer sich bei jedem Wechsel neu zwischen Prüfungsarbeit oder lukrativerer Beratungsarbeit entscheiden mussten.
Die Herausforderung für die Regulierungsbehörden wird verstärkt durch die Tatsache, dass es nur vier großen Prüfungsgesellschaften gibt, die überhaupt in der Lage sind multinationale Unternehmen prüfen zu können. Die Industrie kann es sich nicht leisten, eine der Firmen wegen Regulierungsdruck oder Wettbewerbsdruck zu verlieren.
Sproul von Deloitte Consulting sagt dazu: „Es wäre für den Markt ein enormer Nachteil, wenn es nur noch drei Prüfungsunternehmen gäbe.“ Es sei daher wichtig, sicherzustellen, dass die Wirtschafts-Prüfung für die Unternehmen attraktiv bleibt. Steigender Preisdruck, zu hoher Regulierungsdruck oder ein erhöhtes Risiko für Rechtsstreitigkeiten bergen die Gefahr, das Geschäft gänzlich unattraktiv zu machen. Ein langjähriger ehemaliger Partner bei einem der vier großen Unternehmen sagt: „Es ist eine faustische Beziehung. Wenn wir einen der „Großen Vier“ verlieren stünden wir vor noch viel größeren Problemen“.
Alle diese Bedenken hinsichtlich Prüfungsqualität und Unabhängigkeit werden von der schieren und steigenden Größe der Prüfungsunternehmen verschärft. Fearnley dazu: „Gemeinsam mit den Banken sind auch die Wirtschaftsprüfer „too big to fail“ und zudem zu groß, um intern verwaltet zu werden und zu groß, um reguliert zu werden.“ Das Oligopol der großen Vier sei demnach wie ein Unfall, der darauf wartet, zu passieren.