Update 12.9., 21.20 Uhr: Auch Merkel nun für Einbindung Russlands in Syrien
Deutschland schert überraschend deutlich aus der Allianz mit den USA aus, die eine Beteiligung Russlands in Syrien verhindern wollte.
Verteidigungsministerin Ursula von der Leyen sagte dem Spiegel, sie begrüße, dass sich Russlands Präsident Wladimir Putin am Kampf gegen die Extremistenorganisation «Islamischer Staat" beteiligen wolle. Es sei im gemeinsamen Interesse, den IS zu bekämpfen, sagte sie.
Auch ein Sprecher des Auswärtigen Amtes sagte, Deutschland würde ein größeres Engagement Russlands im Kampf gegen den IS begrüßen. Bundesaußenminister Frank-Walter Steinmeier kündigte sogar an, mit Lawrow und dem französischen Kollegen Laurent Fabius einen Vorstoß zur Beendigung des Bürgerkrieges in Syrien zu starten. Lawrow und Fabius werden am Samstag in Berlin erwartet.
Unterstützung erhält die neue Strategie der Bundesregierung aus Bayern: Führende CSU-Politiker sprachen sich bei der Suche nach einer Friedenslösung für Syrien für eine engere Zusammenarbeit mit der russischen Führung aus. Ohne die Mitwirkung des russischen Präsidenten Wladimir Putin sei die Situation in Syrien nicht in den Griff zu bekommen, sagt CSU-Chef Horst Seehofer dem Spiegel. Auch Entwicklungsminister Gerd Müller ist für eine Einbindung Russlands: «Wir brauchen eine gemeinsame diplomatische Initiative der Uno mit Beteiligung Russlands, der USA, der EU und der Regionalmächte», sagte Müller laut dpa. Am Montag will der CSU-Parteivorstand darüber beraten, wie eine Kooperation mit Moskau aussehen könnte.
Russlands Außenminister Sergej Lawrow hat das US-Verteidigungsministerium zur Abstimmung mit dem russischen Militär aufgefordert. Weil Kräfte beider Seiten in und um Syrien im Einsatz seien, müssten die USA die zuletzt eingestellte operative Koordination mit Russland wieder aufnehmen, sagte Lawrow am Freitag in Moskau. So sollten «nicht beabsichtigte Zwischenfälle» verhindert werden. Russland Militärmanöver im Mittelmeer seien im Einklang mit internationalem Recht. Lawrow erklärte zudem, die Moskauer Regierung werde auch weiterhin Waffen an die Truppen von Syriens Präsident Baschar al-Assad liefern, um sie in ihrem Kampf gegen die Extremisten-Miliz Islamischer Staat (IS) zu unterstützen.
Russland hatte bereits vor einigen Wochen neben neuen Militär-Aktivitäten mit einer diplomatischen Offensive begonnen. Die Amerikaner haben nicht eindeutig erkennen lassen, ob sie den russischen Vorstoß unterstützen. Keinesfalls will Washington Moskau die Meriten überlassen, sollte es den Russen tatsächlich gelingen, die verfahrene Lage zu beruhigen. Daher hat die US-Regierung vorsorglich davor gewarnt, dass ein russisches Eingreifen zu noch mehr Flüchtlingen führen könnte.
Es sind vor allem die Neocons, die davor warnen, mit Russlands Präsident Wladimir Putin an irgendeiner Stelle zu kooperieren. US-Präsident Barack Obama dagegen hat noch nicht eindeutig erkennen lassen, ob die neue Initiative Russlands ins Syrien mit dem Weißen Haus abgesprochen ist. Außenminister John Kerry hatte sich im Frühjahr überraschend zu einem Russland-Besuch aufgemacht, der jedoch im Hinblick auf Syrien ohne Ergebnisse blieb. Es ist gut denkbar, dass die US-Regierung ihre Position angesichts der immer neuen Flüchtlingswellen nach Europa überdacht hat und nun doch bereit ist, mit den Russen im Nahen Osten zu kooperieren.
Steinmeier ist seit längerem hinter den Kulissen um einen Vermittlungsvorschlag bemüht und darüber in ständigem Kontakt mit seinem russischen Kollegen Lawrow. Ihm scheint von allen deutschen Regierungs-Politikern am klarsten zu sein, dass die Flüchtlingskrise in Europa völlig außer Kontrolle gerät, wenn im Nahen Osten weiter gekämpft wird.
Österreich und Spanien haben bereits vor einigen Tagen signalisiert, dass sie die Mitwirkung Russlands beim Kampf gegen den IS für unerlässlich halten.
Russland hat begonnen, seine militärische Aktivitäten in Syrien auszubauen.
Verteidigungsministerin Ursula von der Leyen will den Einsatz der Bundeswehr im Irak ausweiten. Die Bundeswehr sei bereit, die erfolgreiche Arbeit in den Kurdengebieten auch mit der irakischen Zentralregierung fortzusetzen, sagte die CDU-Politikerin dem Spiegel vom Samstag. Erste Schritte seien bereits getan. So habe Deutschland Sanitätsmaterial, Helme und ABC-Schutzmasken geliefert. Bis zu 100 Bundeswehr-Soldaten bilden im Nordirak unter anderem kurdische Peschmerga-Kämpfer aus. Zudem wurden Waffen geliefert.
In Deutschland hat von der Leyen für die Flüchtlingshilfe Tausende von Soldaten in Rufbereitschaft versetzt. Ob dies wegen der Flüchtlinge oder wegen Hinweisen auf eine Terror-Gefahr geschehen ist, ist unklar. Eine entsprechende Anweisung sei am Vortag an die Truppe gegangen, sagte eine Ministeriumssprecherin am Freitag zu einem entsprechenden Bericht des «Spiegels». Bis zu 4000 Bundeswehr-Angehörige seien dann ständig erreichbar und abrufbar. Am vergangenen Wochenende waren bundesweit Soldaten im Einsatz gewesen, um bei der Unterbringung von Tausenden von neu angekommenen Flüchtlingen zu helfen. Die Soldaten erhalten für Bereitschaftszeiten einen Ausgleich.