Finanzen

Frankreich macht Rekord-Schulden, andere EU-Staaten könnten folgen

Frankreichs Schulden werden im kommenden Jahr auf Rekord-Niveau liegen. Die EU-Grenzen werden deutlich überschritten. Möglicherweise werden andere Staaten bald folgen: Der französische EU-Kommissar Pierre Moscovici kündigt an, dass wegen der Flüchtlinge höhere Schulden erlaubt werden könnten.
01.10.2015 00:50
Lesezeit: 1 min

Frankreich rechnet für seinen Staatshaushalt im kommenden Jahr mit einer weiter zunehmenden Verschuldung. Im Verhältnis zum Bruttoinlandsprodukt sollen die Schulden 2016 bei 96,5 Prozent liegen, teilte der französische Finanzminister Sapin am Mittwoch mit. Nach 96,3 Prozent in diesem Jahr und 95,6 Prozent 2014 verschuldet sich Frankreich mit dem neuen Haushalt so hoch wie nie zuvor. Dies sei ein Haushalt „ohne Überraschungen“.

Erst danach peilt Sapin einen schrittweisen Rückgang an. Die Neuverschuldung soll im kommenden Jahr auf 3,3 Prozent von 3,8 Prozent 2015 sinken. Damit liegt sie deutlich über dem Grenzwert der EU-Kommission von 3 Prozent. Frankreich zählt zu den größten Defizitsündern der EU. Doch in der Vergangenheit hatte die EU-Kommission dem Land zum Erreichen des Defizitzieles immer wieder einen Aufschub gewährt.

Trotz des geschätzten Defizits von 3,3 Prozent gibt Frankreich an, schon 2017 das EU-Ziel zu erreichen. Sapin rechnet in diesem Jahr mit einem Wachstum der französischen Wirtschaft um ein Prozent für 2015 und im kommenden Jahr mit einem Plus von 1,5 Prozent. Sapin will im kommenden Jahr die Staatsausgaben auf 55,1 Prozent der Wirtschaftsleistung von geschätzten 55,8 Prozent im laufenden Jahr zurückschrauben. So will Paris wie angekündigt 50 Milliarden Euro in den Haushalten bis 2017 einsparen.

Gleichzeitig aber will die französische Regierung die Steuerlast für Haushalte und Unternehmen leicht senken. Frankreich kämpft derzeit mit wirtschaftlicher Schwäche und einem angeschlagenen Arbeitsmarkt. Die Zahl der Arbeitslosen erreichte im August den Rekordwert von 3,57 Millionen.

Der französische EU-Wirtschaftskommissar Pierre Moscovici hält es für möglich, dass die europäischen Staaten wegen der vielen Flüchtlinge bald mehr Schulden machen dürfen. "Diese Flüchtlingskrise ist kurzfristig eine Belastung für die Volkswirtschaften, mittelfristig kann sich das ändern. Wir müssen die Flüchtlingskrise und deren Kosten deshalb als eine Investition betrachten", sagte der Franzose der "Süddeutschen Zeitung" (Donnerstagausgabe) laut Vorabbericht. "Ich bin sicher, dass sie neue Arbeitskräfte, neue Energie und neuen Konsum weckt, so dass sie schlussendlich einen positiven Effekt haben wird auf unsere Volkswirtschaften."

Moscovici ergänzte, in den Regeln des Stabilitäts- und Wachstumspakts seien in bestimmten Situationen Ausnahmen vorgesehen. "Wir werden jetzt analysieren, ob die Flüchtlingskrise als außergewöhnlicher Umstand eingestuft werden kann, es ist ja die größte Völkerwanderung hier seit dem Ende des Zweiten Weltkrieges. Und dann müssen wir analysieren, wie diese Umstände die Betrachtung der humanitären Kosten als Schulden beeinflussen könnten." Klar sei, dass "wir den Pakt einhalten, aber seine Regeln in ihrer gesamten Breite nutzen müssen".

 

Mehr zum Thema
article:fokus_txt
X

DWN Telegramm

Verzichten Sie nicht auf unseren kostenlosen Newsletter. Registrieren Sie sich jetzt und erhalten Sie jeden Morgen die aktuellesten Nachrichten aus Wirtschaft und Politik.
E-mail: *

Ich habe die Datenschutzerklärung gelesen und erkläre mich einverstanden.
Ich habe die AGB gelesen und erkläre mich einverstanden.

Ihre Informationen sind sicher. Die Deutschen Wirtschafts Nachrichten verpflichten sich, Ihre Informationen sorgfältig aufzubewahren und ausschließlich zum Zweck der Übermittlung des Schreibens an den Herausgeber zu verwenden. Eine Weitergabe an Dritte erfolgt nicht. Der Link zum Abbestellen befindet sich am Ende jedes Newsletters.

DWN
Wirtschaft
Wirtschaft Die abgestürzten Börsenstars: Was tun, wenn die Raketen landen?
01.05.2025

Die Illusion der Dauer-Rendite zerplatzt – Anleger zwischen politischem Versagen und technologischer Ernüchterung

DWN
Wirtschaft
Wirtschaft Wird es in Europa durch Trumps Zölle billiger? Nicht so schnell!
01.05.2025

Während Donald Trump die Stimmung mit protektionistischen Zöllen gegen China anheizt, stellt sich in Europa die Frage: Wird unser Markt...

DWN
Wirtschaft
Wirtschaft Dollarschwäche setzt europäische Konzerne massiv unter Druck – Die Krise kommt!
01.05.2025

Dollarschwäche trifft Europas Konzerne: Umsätze schrumpfen, Risiken steigen – droht eine neue Ertragskrise?

DWN
Politik
Politik Neue Biomüll-Verordnung ab Mai: Bis zu 2.500 Euro Strafe bei falscher Mülltrennung
30.04.2025

Ökologische Pflicht zur Mülltrennung: Ab dem 1. Mai 2025 tritt die neue Bioabfallverordnung (BioAbfV) in Deutschland in Kraft. Dann...

DWN
Wirtschaft
Wirtschaft Die Tech-Giganten blasen zum Angriff: Neue Funktionen und digitale Machtverschiebung im Frühjahr 2025
30.04.2025

Die digitale Elite schläft nicht – sie beschleunigt. Im Frühjahr 2025 liefern die großen US-Tech-Konzerne ein beispielloses Arsenal an...

DWN
Politik
Politik Rohstoffdeal Ukraine steht kurz bevor: USA sichern sich Zugriff auf ukrainische Ressourcen
30.04.2025

Ein Durchbruch im Schatten des Krieges: Nach zähen Verhandlungen stehen die USA und die Ukraine offenbar kurz davor, ein weitreichendes...

DWN
Unternehmen
Unternehmen Der Fall Pirelli: Beginn einer europäischen Gegenoffensive gegen Chinas Wirtschaftsmacht?
30.04.2025

Der Entzug chinesischer Kontrolle bei Pirelli markiert einen Wendepunkt: Europa ringt um Souveränität – zwischen amerikanischem Druck...

DWN
Politik
Politik Wie Trump den grünen Wandel ausbremst – Chronik eines klimapolitischen Rückschritts
30.04.2025

Während Europa sich zunehmend in grüne Bürokratie verstrickt und Milliarden für Klima-Versprechen mobilisiert, marschiert der ehemalige...