Der umstrittene Sänger Xavier Naidoo wird Deutschland doch nicht beim Eurovision Song Contest (ESC) im nächsten Jahr vertreten. Der Norddeutsche Rundfunk (NDR) zog am Samstag seine Nominierung zurück, wie der Sender mitteilte. «Es war klar, dass er polarisiert, aber die Wucht der Reaktionen hat uns überrascht. Wir haben das falsch eingeschätzt», erklärte ARD-Unterhaltungskoordinator Thomas Schreiber. Naidoo reagierte mit einem knappen Kommentar.
Der NDR hatte am Donnerstag mitgeteilt, dass der 44-Jährige für Deutschland singen soll, ohne dass er sich in einem Vorentscheid gegen andere Kandidaten durchsetzen müsste. Dagegen regte sich heftiger Widerstand. Im Internet liefen mehrere Petitionen gegen die ARD-Pläne. Der Lesben- und Schwulenverband (LSVD) bezeichnete die Nominierung als «äußerst kritisch». Auch von Politikern kamen ablehnende Reaktionen.
Mehrfach hat der Sänger Diskussionen ausgelöst - etwa, als er am Tag der Deutschen Einheit 2014 vor sogenannten Reichsbürgern sprach, die Deutschland nicht als souveränen Staat anerkennen. 2012 rief der Text des Liedes «Wo sind sie jetzt» von Naidoo und Kool Savas Ärger hervor. Dort geht es in sehr vulgärer Sprache um Kindermorde - Passagen wurden als schwulenfeindlich kritisiert, Homosexuelle würden mit Pädophilen gleichgesetzt.
«Die laufenden Diskussionen könnten dem ESC ernsthaft schaden», meinte Schreiber. «Aus diesem Grund wird Xavier Naidoo nicht für Deutschland starten.» So schnell wie möglich solle entschieden werden, wie der deutsche Beitrag für den ESC in Stockholm gefunden wird. Der NDR hat innerhalb der ARD die Federführung für den ESC. Schreiber betonte zugleich: «Xavier Naidoo ist ein herausragender Sänger, der nach meiner Überzeugung weder Rassist noch homophob ist.»
In einem Interview mit der dpa hatte Schreiber noch vor wenigen Tagen genau das Gegenteil behauptet.
Naidoo zeigte sich kämpferisch: «Meine Leidenschaft für die Musik und mein Einsatz für Liebe, Freiheit, Toleranz und Miteinander wird hierdurch nicht gebremst.» Er machte gleichzeitig klar, dass der Entschluss, nicht für Deutschland beim Grand Prix zu singen, einseitig gefasst worden sei. «Wenn sich nun kurz nach unserer vertraglichen Einigung mit dem NDR und dem Abschluss aller Vorbereitungen die Planungen der ARD durch einseitige Entscheidung geändert haben, dann ist das ok für mich.»
Noch am Samstag hatte sich der Konzertveranstalter Marek Lieberberg («Rock am Ring») mit deutlichen Worten hinter Naidoo gestellt. Mit Blick auf die Vorwürfe gegen den Sänger aus Mannheim meinte Lieberberg: «Ich bin zutiefst erschüttert über die unglaubliche Hetze, die widerliche Heuchelei und den blinden Hass, für die es keinerlei Berechtigung gibt!» Er habe in mehr als 20 Jahren nie das Gefühl gehabt, dass bei Naidoo «auch nur der Hauch eines antisemitischen, rassistischen, xenophobischen oder nationalistischen Sentiments existiert».
Mehrere Politiker begrüßten es dagegen, dass der NDR die Nominierung zurückzog. Der Grüne Volker Beck schrieb auf Twitter: «Jetzt gilt: alles kann besser werden!»
Naidoo, Mannheimer mit indischen und afrikanischen Wurzeln, hat seine Alben in Deutschland millionenfach verkauft. Mit «Dieser Weg» lieferte er 2006 den Hit zum Fußball-Sommermärchen. Den Echo bekam er sechs Mal, zuletzt in diesem Jahr.
Das nächste ESC-Finale findet im Mai 2016 in Stockholm statt, nachdem der Schwede Måns Zelmerlöw dieses Jahr mit seinem Song «Heroes» gewonnen hatte. Zelmerlöw hatte ebenfalls mit Homophobie-Vorwürfen zu kämpfen.