Politik

Deutschland beschließt Syrien-Einsatz der Bundeswehr im Schnellverfahren

Lesezeit: 2 min
01.12.2015 00:50
Der Bundestag wird den größten Einsatz der Bundeswehr im Ausland im Schnellverfahren beschließen. Ein UN-Mandat existiert nicht. Der Einsatz wird als Akt der Selbstverteidigung im Rahmen des EU-Beistandspakts interpretiert. Wie die Bundeswehr mit den USA und Russland zusammenarbeiten wird, ist unklar.
Deutschland beschließt Syrien-Einsatz der Bundeswehr im Schnellverfahren

Mehr zum Thema:  
Benachrichtigung über neue Artikel:  

Die Bundeswehr soll sich in Syrien und auch in den umliegenden Meeren mit See- und Luftraumüberwachung, Aufklärung und Begleitschutz durch Marineschiffe am Kampf gegen die Terror-Miliz Islamischer Staat (IS) beteiligen. Das geht aus dem Mandatstext des Verteidigungs- und Außenministeriums hervor, der am Dienstag vom Kabinett verabschiedet werden soll. Außenminister Frank-Walter Steinmeier (SPD) warb dafür, „alle Kräfte“ für den Kampf gegen den IS zu mobilisieren – auch die syrischen Regierungstruppen.

Der Bundestag entscheidet noch in dieser Woche über den Bundeswehr-Einsatz in Syrien. Nach der ersten Beratung am Mittwoch sollen die Abgeordneten am Freitag über den Mandatsantrag der Bundesregierung abstimmen, wie SPD und Union mitteilten. Die erste Lesung soll nach Angaben der SPD-Fraktion am Mittwoch um 13.00 Uhr stattfinden. Noch am selben Tag sollen sich auch die Ausschüsse für Auswärtiges und Verteidigung damit befassen. Das Bundeskabinett hatte den Mandatsantrag am Dienstagmorgen beschlossen.

Dem Mandatstext zufolge sollen bis zu 1200 Soldaten „Frankreich, Irak und die internationale Allianz in ihrem Kampf gegen IS“ unterstützen. Damit ist der Einsatz nicht auf Hilfe für Frankreich beschränkt.

Zum Auftrag gehören Luftbetankung, See- und Luftraumüberwachung, Aufklärung, Begleitschutz des Marineverbandes, Informationsaustausch sowie Einsatz in den Hauptquartieren der Partnerstaaten. Die Bundesregierung hatte schon konkret den Einsatz von Recce-Aufklärungstornados sowie einer Fregatte als Begleitschiff für den französischen Flugzeugträger angeboten. Wieviele Soldaten für welche Aufgaben entsandt werden, wird in dem Mandat nicht genau festgelegt.

Das Mandat für den dann derzeit zahlenmäßig größten Auslandseinsatz gilt zunächst bis Ende Dezember nächsten Jahres. Als Rechtsgrundlage werden das Selbstverteidigungsrecht der Mitgliedstaaten gemäß der UN-Charta sowie die jüngste UN-Resolution angeführt, die nach den Anschlägen von Paris die Staaten auffordert, „alle nötigen Maßnahmen“ im Kampf gegen den IS zu ergreifen. Tatsächlich handelt es sich um einen Einsatz, der eigentlich ein UN-Mandat verlangt. Das Recht auf Selbstverteidigung wird im Falle Deutschlands aus dem EU-Beistandspakt hergeleitet, dessen Mechanismus Frankreich nach den Pariser Anschlägen in Kraft gesetzt hatte.

Hier wird auch auf den Beistand verwiesen, den die EU-Staaten Frankreich nach Artikel 42 Absatz 7 des EU-Vertrages zugesichert hatten. Der Artikel besagt, dass sich die EU-Länder bei einem bewaffneten Angriff Hilfe und Unterstützung schulden.

Die Grünen wandten sich gegen eine Mandatierung „im Schnellverfahren“. Die Bundesvorsitzende Simone Peter beklagte, einer der „größten und sicherlich auch gefährlichsten Missionen in der Geschichte der Bundeswehr“ mangele es an einem klaren Einsatzziel.

Steinmeier warb für eine Einbeziehung der syrischen Regierungstruppen. Die Bundesregierung arbeite auf einen Waffenstillstand zwischen syrischer Armee und Opposition hin – damit „alle Kräfte“ für den Kampf gegen den IS „mobilisiert werden können“, sagte er der „Bild“-Zeitung (Dienstagsausgabe). „Keiner vergisst die furchtbaren Verbrechen, für die (Präsident Baschar al-)Assad Verantwortung trägt. Richtig ist aber auch: Solange sich die syrischen Bürgerkriegsparteien nur untereinander bekriegen und abnutzen, bleibt ISIS der lachende Dritte.“

Assads Regierung könne jetzt zeigen, ob sie wirklich zum Kampf gegen die IS-“Terroristen“ bereit sei oder ob sie „weiter Fassbomben oder Chemiewaffen gegen die eigene Bevölkerung einsetzt“, fügte Steinmeier hinzu. Verteidigungsministerin Ursula von der Leyen (CDU) stellte in einer Rede zum 60. Bestehen der Bundeswehr klar: „Eine Zukunft mit Assad wird es nicht geben.“ Und eine Zusammenarbeit mit Truppen „unter Assads Kommando“ werde es „auch nicht geben“. Der Machthaber von Damaskus werde sich eines Tages dafür verantworten müssen, „Fassbomben und Giftgas“ gegen seine Bevölkerung eingesetzt zu haben, sagte sie laut Redetext.

Tatsächlich bestehen erhebliche Zweifel an der Urheberschaft von Assad an den Giftgasangriffen: Der renommierte amerikanische Journalist Seymout Hersch hatte enthüllt, dass auch IS-Truppen und sie unterstützende Einheiten in der Lage seien, Giftgas zu produzieren.

In Syrien kämpfen bereits Russland, die USA, Frankreich und bald auch Deutschland. Es ist das erste Mal seit langem, dass die wichtigsten Weltmächte zur selben Zeit am selben Ort kämpfen.

 


Mehr zum Thema:  

Anzeige
DWN
Finanzen
Finanzen Die Edelmetallmärkte

Wegen der unkontrollierten Staats- und Unternehmensfinanzierung durch die Zentralbanken im Schatten der Corona-Krise sind derzeitig...

DWN
Weltwirtschaft
Weltwirtschaft Deutschland als Unternehmensstandort: Zwischen Herausforderungen und Chancen
27.04.2024

Trotz seines Rufes als europäischer Wirtschaftsmotor kämpft Deutschland mit einer Vielzahl von Standortnachteilen. Der Staat muss...

DWN
Immobilien
Immobilien Deutschlands herrenlose Häuser: Eine Chance für den Markt?
27.04.2024

Herrenlose Immobilien - ein kurioses Phänomen in Deutschland. Es handelt sich hier um Gebäude oder Grundstücke, die keinen...

DWN
Finanzen
Finanzen Reich werden an der Börse: Ist das realistisch?
27.04.2024

Viele Anleger wollen an der Börse vermögend werden. Doch ist das wahrscheinlich - oder wie wird man tatsächlich reich?

DWN
Politik
Politik DWN-Kommentar: Deutsche müssen über Abschiebungen diskutieren - mit aller Vorsicht
26.04.2024

Liebe Leserinnen und Leser, jede Woche gibt es ein Thema, das uns in der DWN-Redaktion besonders beschäftigt und das wir oft auch...

DWN
Politik
Politik Tourismus-Branche: „In Hotellerie und Gastgewerbe ist noch nichts wieder in Ordnung“
26.04.2024

Die deutsche Tourismus-Branche, also Hotellerie und Gastronomie, firmiert neuerdings unter dem neuen Sammelbegriff „Gastwelt“ - auch um...

DWN
Unternehmen
Unternehmen Bürokratieabbau: Ministerin fordert mehr Widerstandsfähigkeit und Effizienz
26.04.2024

Rheinland-Pfalz ist ein mittelständisch geprägtes Land. Gerade kleinere Betriebe hadern mit zu viel bürokratischem Aufwand.

DWN
Politik
Politik Hybride Bedrohungen: Drohnen-Flüge und psychologische Kriegsführung
26.04.2024

Bundesverteidigungsminister Boris Pistorius hat eindringlich vor hybriden Bedrohungen in Deutschland gewarnt. Gegen den Einsatz von...

DWN
Weltwirtschaft
Weltwirtschaft Gallup-Studie: Globale Führungsbewertung 2024 - wie Deutschland unter Großmächten abschneidet
26.04.2024

Die Gallup-Studie 2024 zeigt die Stabilität und Herausforderungen in der globalen Führungsbewertung für Länder wie USA, Deutschland,...