Die EU-Kommission glaubt nicht mehr an eine kurzfristige Einigung in der Flüchtlingskrise: Sie hofft allerdings immer noch, dass es eines Tages zu einer Wiederbelebung des Schengen-Raumes kommen könnte. Daher fordert die Kommission die Staaten auf, alle wegen der Flüchtlingskrise verhängten Grenzkontrollen innerhalb des Schengenraums bis Jahresende zu beenden. Bis Dezember müssten „alle internen Kontrollen“ aufgehoben werden, sagte EU-Migrationskommissar Dimitris Avramopoulos am Freitag.
Das Problem der EU-Kommission: Bis auf Deutschland redet kein Staat mehr davon, dass er auf eine EU-weite Lösung setzt. Die meisten Staaten haben Grenzkontrollen wieder eingeführt. Nach den Vorfällen von Köln ist die Stimmung auch in den zu diesem Zeitpunkt noch willigen Staaten gekippt. Die Osteuropäer und Skandinavier hatten allerdings schon vor Silvester reagiert und ihre Grenzen geschlossen.
Tatsächlich hat die EU keine Handhabe, um ihre Forderung durchzusetzen. Daher warnt die EU-Kommission und sagt, es würden Milliarden für die europäische Wirtschaft anfallen, sollten die Kontrollen dauerhaft in Kraft bleiben.
Um eine „Rückkehr zu Schengen“ bis Jahresende möglich zu machen, will die Kommission drei Prioritäten setzen: eine Sicherung der Schengen-Außengrenze in Griechenland, das Ende des „Durchwinkens“ von Flüchtlingen innerhalb der EU und entlang der Balkanroute und ein Ende von Alleingängen in der Flüchtlingskrise.
Wegen des Flüchtlingsstroms haben derzeit sieben Länder Kontrollen an ihren Grenzen wieder eingeführt, darunter Deutschland. Die Kontrollen hinderten EU-Bürger nicht nur am freien Reisen, „sie haben auch bedeutende wirtschaftliche Kosten“, erklärte die Kommission. Sie schätzt alleine die direkten Kosten für die europäische Wirtschaft auf fünf bis 18 Milliarden Euro pro Jahr.
Leiden würden den Angaben zufolge unter anderem der Tourismus, über Grenzen pendelnde Arbeitnehmer und der grenzüberschreitende Gütertransport. So würden bei Mitgliedstaaten wie Deutschland, Polen und den Niederlanden die zusätzlichen Kosten im Straßentransport mit 500 Millionen Euro anfallen; in Spanien oder Tschechien wären es 200 Millionen Euro. Die Probleme für den Gütertransport würden voraussichtlich auch viele Waren teurer machen.
Im Tourismus würden jährlich 13 Millionen Übernachtungen verloren gehen, was Einbußen von 1,2 Milliarden Euro zur Folge haben werde, erklärte die Kommission weiter. Regierungen müssten zudem 1,1 Milliarden Euro wegen zusätzlicher Kosten für Grenzkontrollen aufbringen. Den Ausfall durch Wartezeiten für 1,7 Millionen EU-Bürger, die zum Arbeiten in ein Nachbarland fahren, bezifferte Brüssel mit 2,5 bis 4,5 Milliarden Euro.