Zwei Wochen nach der Freilassung zweier oppositioneller Journalisten hat der türkische Staatschef Recep Tayyip Erdogan dem Verfassungsgericht seines Landes gedroht. Er hoffe, dass das Gericht keine Entscheidungen mehr treffe, "mit denen die Frage nach seiner Existenz und seiner Rechtmäßigkeit gestellt wird", sagte Erdogan am Freitag in einer im Fernsehen übertragenen Rede im südwestlichen Burdur.
Die Entscheidung zur Freilassung der Journalisten respektiere er nicht, bekräftigte Erdogan. Das Gericht habe "gegen Land und Volk" geurteilt. Ende Februar hatte das Verfassungsgericht entschieden, die prominenten Journalisten Can Dündar und Erdem Gül aus ihrer seit November andauernden Untersuchungshaft zu entlassen. Seither übte Erdogan bereits mehrfach scharfe Kritik am Vorgehen der Richter, die mit zwölf gegen drei Richterstimmen entschieden hatten.
Die für Terrordelikte zuständige Staatsanwaltschaft in Istanbul wirft Dündar und Gül Spionage und einen Umsturzversuch gegen die Regierung vor. Sie sollen mit Berichten über Waffenlieferungen des türkischen Geheimdienstes an islamistische Rebellen in Syrien Staatsgeheimnisse verraten haben.
Erdogan stellte persönlich Strafanzeige gegen die beiden. Die Staatsanwaltschaft fordert lebenslange Haft. Der Prozess soll am 25. März beginnen.
Eine Stellungnahme aus der EU zu diesen Drohungen liegt noch nicht vor, auch nicht von Bundeskanzlerin Angela Merkel.
Für Merkel ist es wichtig, in den kommenden Tagen einen Deal mit der Türkei zu beschließen. Demnach soll die Türkei für den Preis von sechs Milliarden Euro die Flüchtlinge von der EU fernhalten. Bereits die massiven Eingriffe in die Pressefreiheit haben die Frage aufgeworfen, wie die Türkei die Menschenrechte im Hinblick auf Flüchtlinge und Einwanderer beachten wird.
Angesichts anhaltender Kritik aus dem In- und Ausland hat die Türkei versichert, dass das geplante Flüchtlingsabkommen mit der Europäischen Union internationalen Standards genügen werde. Für Ankara sei es "wichtig, dass die Vereinbarung internationalem Recht entspricht", sagte ein türkischer Regierungsbeamter am Freitag. Ein gegenteiliges Vorgehen komme für die Türkei "nicht infrage". "Wir müssen eine sehr gute Rechtsgrundlage ausarbeiten", sagte der Beamte.
Der türkische Regierungschef Ahmet Davutoglu hatte der EU am Montag angeboten, sämtliche in Griechenland neu eintreffenden Flüchtlinge zurückzunehmen. Im Gegenzug verlangt Ankara insgesamt sechs Milliarden Euro von der EU sowie Visafreiheit für türkische Bürger und beschleunigte Beitrittsverhandlungen mit Brüssel. Überdies sollen die EU-Länder der Türkei für jeden zurückgenommenen Syrer einen der insgesamt 2,7 Millionen Syrer abnehmen, die schon in der Türkei leben. Die UN sind der Auffassung, dass dieser Deal nicht mit der Genfer Flüchtlingskonvention vereinbar sei.
Während sich die Bundesregierung für den geplanten Pakt stark macht, gibt es in mehreren EU-Ländern und im EU-Parlament Widerstand. Auch die türkische Opposition äußerte sich zuletzt ablehnend und warnte davor, "aus der Türkei eine Pufferprovinz" zu machen. Das Verhältnis zwischen Griechenland und der Türkei ist zudem traditionell angespannt. Gleichwohl soll der Plan bei einem Gipfeltreffen der EU-Staats- und Regierungschefs in rund einer Woche verabschiedet werden.
Das UN-Flüchtlingshilfswerk UNHCR kündigte indes an, sich für die Umverteilung von in Griechenland festsitzenden Flüchtlingen aus Syrien, dem Irak und Afghanistan in andere EU-Länder einzusetzen. "Griechenland ist nicht in der Lage, dies allein zu bewältigen", sagte UNHCR-Sprecherin Melissa Fleming laut AFP in einem Zeitungsinterview. Die Lage der Flüchtlinge in Griechenland sei "miserabel und chaotisch", es herrschten Frustration und Verzweiflung.