Trumps Zollpolitik: Rückzug in der Rhetorik, Eskalation in der Realität
Der renommierte Wirtschaftsnobelpreisträger Paul Krugman liefert auf der unabhängigen Plattform Bluesky eine erschreckende Berechnung: Der durchschnittliche US-Zollsatz liegt derzeit bei über 19 Prozent – und damit auf einem Niveau, das zuletzt während der Großen Depression unter dem berüchtigten Smoot-Hawley-Zollgesetz von 1930 erreicht wurde. Dieses Gesetz hatte damals eine globale Spirale aus Handelskrieg und Wirtschaftskollaps ausgelöst.
Ein Rückzug nur auf dem Papier
Die Zahlen entlarven Trumps jüngste Ankündigung als PR-Manöver. Zwar wurde ein allgemeiner Strafzoll von 50 Prozent für viele Länder vorübergehend auf 10 Prozent gesenkt, doch gleichzeitig wurden auf chinesische Importe Zölle von bis zu 125 Prozent eingeführt – mit der Möglichkeit einer weiteren Erhöhung auf 145 Prozent, wie das Weiße Haus in einer vagen Mitteilung suggerierte.
„Wer glaubt, dass die USA zu einem offenen Markt zurückgekehrt sind, irrt gewaltig“, schreibt Krugman. „Wir erleben derzeit nicht das Ende einer protektionistischen Welle, sondern ihren strukturellen Ausbau.“
Der wirtschaftliche Preis einer neuen Isolation
China machte im vergangenen Jahr rund 13 Prozent der US-Importe aus. Die drastische Zollbelastung auf chinesische Produkte hebt den gesamten Durchschnitt auf ein Niveau, das ökonomisch höchst gefährlich ist. Krugman rechnet unter Berücksichtigung von Preissteigerungen und rückläufigem Importvolumen mit einem effektiven Zollsatz von 19,2 Prozent – das Sechsfache des Niveaus vor Trumps Amtsantritt.
„Mit anderen Worten: Wir sind vom Feuer direkt in die Bratenpfanne gesprungen“, warnt Krugman. Denn selbst wenn die Märkte kurzzeitig aufatmen, sei der langfristige Schaden bereits angerichtet: „Die USA haben sich durch ihre eigene Politik wirtschaftlich isoliert – das wird sowohl geopolitisch als auch handelsstrategisch noch auf Jahrzehnte nachwirken.“
Ein Rückfall ins 20. Jahrhundert
Historisch betrachtet markiert die derzeitige Zollstruktur einen dramatischen Rückschritt. Nach jahrzehntelanger Handelsliberalisierung und globaler Integration, die mit der Gründung der WTO und zahlreichen Freihandelsabkommen vorangetrieben wurde, wirken die aktuellen US-Maßnahmen wie eine Rückkehr in eine wirtschaftsnationalistische Ära, die man in der westlichen Welt längst überwunden glaubte.
Europa im Dilemma
Für Europa bedeutet diese Entwicklung eine zusätzliche Herausforderung. Einerseits droht der europäische Exportsektor unter den protektionistischen Maßnahmen der USA zu leiden. Andererseits besteht die Gefahr, dass die EU durch eine zu weiche Haltung ihre eigenen strategischen Industrien aufs Spiel setzt. Eine Antwort aus Brüssel? Bisher Fehlanzeige.
Fazit: Der Preis des Populismus
Die Investoren jubeln, doch der strukturelle Schaden bleibt. Donald Trumps Zollpolitik – auch in ihrer vermeintlich abgeschwächten Form – hat die USA zu einem der am stärksten abgeschotteten Industrieländer der Welt gemacht. Die Folgen werden sich nicht nur in Handelsbilanzen zeigen, sondern auch in geopolitischen Machtverschiebungen. Was als Versuch begann, „Amerika wieder groß zu machen“, könnte am Ende eine Ära globaler Unsicherheit und ökonomischer Fragmentierung einläuten.