Bundespräsident Joachim Gauck soll sich nach Informationen der Bild-Zeitung gegen eine zweite Amtszeit entschieden haben. Wie das Blatt am Freitagabend unter Berufung auf politische Kreise in Berlin berichtete, will der 76-Jährige an diesem Montagabend mit Kanzlerin Angela Merkel (CDU) bei einem Abendessen unter vier Augen in seinem Amtssitz Schloss Bellevue seine Beweggründe dann auch ausführlich erläutern. An diesem Dienstag wolle er seine Entscheidung in Berlin der Öffentlichkeit bekannt geben.
Zu den Gründen für seinen Verzicht zählen laut «Bild» Gaucks fortgeschrittenes Alter und gesundheitliche Beschwerden. Die Sprecherin des Bundespräsidenten sagte am Abend, das Präsidialamt bleibe bei seiner Linie, zu Berichten dieser Art nicht Stellung zu nehmen.
Gauck hatte die Entscheidung über seine Zukunft bis zum Frühsommer angekündigt. Union, SPD und Grüne befürworteten eine zweite Amtszeit des parteilosen früheren Pastors aus Rostock; auch Merkel sprach sich für eine Wiederwahl aus. Zuletzt meinten auch 70 Prozent der Bundesbürger in einer Umfrage, Gauck solle weitermachen.
Die Bundesversammlung, die das Staatsoberhaupt wählt, tritt am 12. Februar 2017 zusammen. Gauck hatte seine erste Amtszeit im März 2012 angetreten. Er war Nachfolger von Christian Wulff, der nach nur 20 Monaten auf Druck der Öffentlichkeit wegen Unstimmigkeiten bei Reisespesen und einem Hauskredit in seiner Amtszeit als Ministerpräsident von Niedersachsen zurücktreten musste.
2010 war Gauck als Kandidat von Rot-Grün bei der Wahl des Bundespräsidenten noch gegen Wulff unterlegen. 2012 unterstützten ihn nach einigem Zögern auch Merkel und die Union.
Ob er für eine zweite Amtszeit antritt, hatte Gauck lange offengelassen. Auf einer China-Reise im März sagte er, es sei ein schönes Gefühl zu spüren, dass viele Menschen sich eine Fortsetzung seiner Arbeit wünschten. «Dabei muss man aber auch seine eigenen physischen und psychischen Kräfte bedenken», sagte er.
Anders als in Österreich wird der Bundespräsident in Deutschland nicht direkt vom Volk gewählt, sondern in einer meist komplexen Absprache von den Parteien bestimmt. Daher ist es auch die Bundeskanzlerin, der Gauck zuerst informieren will. Die Tatsache, dass der Bundespräsident Teil der Parteien-Balance ist, nimmt ihm in den deutschen Öffentlichkeit viel von der Autorität, die das Staatsoberhaupt in anderen Ländern genießt.
Angesichts des "Bild"-Berichts forderte der Vorsitzende der Linkspartei, Bernd Riexinger, SPD und Grüne auf, gemeinsam mit der Linken einen Kandidaten für die Bundespräsidentenwahl aufzustellen. "Wenn Sigmar Gabriel es ernst meint mit einem politischen Kurswechsel, wäre das ein wichtiges Signal", sagte er der in Halle erscheinenden Mitteldeutschen Zeitung: "Dafür müsste jemand gefunden werden, der für eine Politik der sozialen Gerechtigkeit steht."