Der Rat der EU-Finanzminister hat sich am Freitag nicht auf eine Richtlinie zur Bekämpfung von Steuervermeidung einigen können. Die ATAD- Richtlinie soll die Möglichkeiten von Großunternehmen einschränken, ihre Steuerbelastung kleinzurechnen. Bis Montagnacht haben die Regierungen nun Zeit, einen neuen Kompromissvorschlag der niederländischen Ratspräsidentschaft abzulehnen ('silent procedure').
Die auf dem Tisch liegenden Maßnahmen bleiben deutlich unter den Vorschlägen der EU-Kommission, die nun schon seit Monaten von Mitgliedsländern verwässert werden. Der neue Kompromissvorschlag ist in wichtigen Punkten sogar noch schwächer als das von der G20 längst verabschiedete Paket gegen Steuervermeidung BEPS (Base Erosion and Profit Shifting) der OECD. Im Bereich Besteuerung erlässt der Rat Rechtsakte einstimmig und das Europäische Parlament darf lediglich eine Stellungnahme abgeben.
Sven Giegold, finanz- und wirtschaftspolitischer Sprecher der Grünen im Europäischen Parlament, kommentiert:
'Die Richtlinie zur Bekämpfung von Steuervermeidung wird ihrem Namen nicht gerecht. Die Finanzminister haben den bereits enttäuschenden Vorschlag der EU-Kommission mit der Axt zurechtgeschnitzt. Der ATAD- Kompromissvorschlag bleibt in wichtigen Punkten sogar hinter dem G20- Beschluss gegen Steuervermeidung ('BEPS') zurück. Die EU lädt damit andere Länder wie die USA geradezu ein, BEPS ebenso schwach umzusetzen.
Die Vorschriften für ausländisch beherrschte Unternehmen sollen Gewinnverlagerungen nur aus dem Sitzland des Mutterunternehmens verhindern. Die Begrenzung steuerlich abzugsfähiger Zinszahlungen soll nicht für bereits bestehende Kredite gelten. Die europäischen Regierungen meinen es nicht ernst mit der Bekämpfung von Steuerdumping.
Ein Fortschritt gegenüber BEPS wäre die Switch-over Klausel gewesen, die die Besteuerung von Zahlungsströmen aus Steueroasen in die EU sicherstellen soll. Doch diese sinnvolle Regelung scheiterte am Widerstand von Malta, Großbritannien, Schweden, Zypern, Lettland, Polen, Irland und Estland.
Malta, Belgien, Österreich, Slowenien und Litauen verhinderten gemeinsam ein Inkrafttreten strenger Regeln zur Begrenzung der Abzugsfähigkeit von Zinszahlungen vor 2019. Länder, die 'ähnliche' Gesetze bereits haben, sollen für die Anpassung an die strengeren Regeln bis 2024 Zeit bekommen. Insbesondere Belgien stellte sich heute quer und weigerte sich, überhaupt ein Start-Datum festzulegen.
Doch auch die übrigen Länder tragen eine Verantwortung für das Scheitern des heutigen Finanzministertreffens. Insbesondere Deutschland und Frankreich haben es nicht geschafft, die anderen Länder von der Notwendigkeit konkreter und sofortiger Maßnahmen zu überzeugen.
Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble lässt sich von kleinen Staaten, allen voran Malta und Belgien, auf der Nase herumtanzen und schaut zu, wie Steuerdumping vor der eigenen Haustür munter weitergeht. So wie die Vorschriften für ausländisch beherrschte Unternehmen jetzt gestrickt sind, gelten Tochtergesellschaften mit lediglich einem Angestellten nicht als künstliche Steuergestaltung.
Beim gleichen ECOFIN akzeptierten die Mitgliedsländer, dass Frankreich und die Niederlande bereits getroffene Vereinbarungen zu Patentboxen hintertreiben. Beide sozialdemokratischen Finanzminister wollen ihre Steuervorteile für Großunternehmen nicht fristgerecht an die internationalen und europäischen Vereinbarungen anpassen ('modified nexus approach').'