Politik

NRW kündigt hartes Vorgehen bei türkischer Demo an

Lesezeit: 3 min
29.07.2016 19:31
Für eine türkische Demo erwartet die Polizei am Sonntag in Köln 30.000 Teilnehmer. Da auch Gegenveranstaltungen geplant sind, warnt der Innenminister von NRW vor Ausschreitungen. Die Polizei werde mit aller Härte einschreiten.

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Türkei  

Drei Tage vor der geplanten Großdemonstration für den türkischen Staatspräsidenten Recep Tayyip Erdogan am Sonntag in Köln hat Nordrhein-Westfalens Innenminister Ralf Jäger (SPD) Veranstalter und Teilnehmer eindringlich vor Aufrufen zur Gewalt gewarnt. „Sollte diese Kundgebung für Gewaltaufrufe missbraucht werden, wird die NRW-Polizei rigoros einschreiten“, erklärte Jäger am Donnerstag in Düsseldorf.

Jäger verwies darauf, dass es seit dem vereitelten Militärputsch in der Türkei auch in NRW Einschüchterungsversuche, Bedrohungen und Sachbeschädigungen gegeben habe, die sich gegen Oppositionelle und Erdogan-Kritiker richteten. „Das ist völlig inakzeptabel – wir sehen deshalb sehr genau hin, ob bei der Demonstration der Boden des Grundgesetzes verlassen wird“, betonte der Düsseldorfer Innenminister.

So seien am Sonntag Dolmetscher in Köln vor Ort, damit nachvollzogen werden könne, ob die Redebeiträge und Transparente von der Meinungsfreiheit gedeckt seien oder etwa zu Gewalt, Boykott und Denunziation aufgerufen werde.

Viele türkischstämmige Menschen in NRW machten sich derzeit um ihre Heimat Sorgen, erklärte das NRW-Innenministerium. „Es ist ihr gutes Recht, für ihre Überzeugungen auf die Straße zu gehen, gerade das macht Demokratie aus“, unterstrich Jäger. Die politischen Spannungen in der Türkei dürften sich aber nicht in Gewalt auf den Straßen Nordrhein-Westfalens entladen.

Mit Blick auf Forderungen nach einem Verbot der Großkundgebung durch die Kölner Polizei erinnerte Jäger daran, dass ein solches Vorgehen als letztes Mittel nur dann in Betracht komme, wenn eine konkrete Gefahr für die öffentliche Sicherheit und Ordnung drohe, die etwa durch Auflagen nicht abgewendet werden könne.

Die Kundgebung in Köln wurde von der Union Europäisch-Türkischer Demokraten (UETD) angemeldet, die der türkischen Regierungspartei AKP nahe steht. Zu der Veranstaltung zum Thema „Militärputsch in der Türkei“ rechnet der Veranstalter mit bis zu 15.000 Teilnehmern. Auch mehrere Gegendemonstrationen sind geplant. Die Polizei will am Sonntag etwa 2000 Beamte aufbieten.

Die Großkundgebung von Türken am Sonntag in Köln dürfte nun aber noch wesentlich größer ausfallen als bislang erwartet – wenn sie wie geplant stattfindet. Kölns Polizeipräsident Jürgen Mathies äußerte am Freitag die Einschätzung, dass sich die Zahl der Kundgebungsteilnehmer auf 30.000 verdoppeln könnte. Allerdings prüft die Polizei die Sicherheitslage neu, weil offenbar türkische Regierungsmitglieder in Köln als Redner auftreten sollen.

„Wenn sich aus der Teilnahme von Regierungsmitgliedern Hinweise ergeben sollten, dass wir die Sicherheit nicht gewährleisten können, werde ich die Veranstaltung gegebenenfalls verbieten“, kündigte Mathies an. In diesem Fall komme „auch als letzte Maßnahme ein Verbot in Betracht“. Den Veranstalter der Kundgebung forderte Mathies auf, eine Rednerliste vorzulegen.

Der Veranstalter der Kundgebung habe die voraussichtliche Teilnehmerzahl von zunächst 15.000 auf 20.000 erhöht, sagte Mathies. „Wir gehen momentan davon aus, dass auch 30.000 erreicht werden können.“ Mathies betonte zugleich, dass der Polizei derzeit keine Hinweise auf mögliche Straftaten vorlägen, die von der türkischen Versammlung ausgehen könnten. „Wir haben keine Erkenntnisse, dass es hier zu Gewalttätigkeiten kommen kann.“

Der überwiegende Teil der erwarteten Kundgebungsteilnehmer dürfte sich nach Einschätzung der Polizei „nationaltürkisch“ und der türkischen Regierung nahestehend empfinden. „Wir gehen von stark emotionalisierten Teilnehmern aus“, sagte Mathies.

Im Vorfeld untersagte der Polizeipräsident dem Veranstalter die Verwendung einer großen Videowand, auf der Redebeiträge aus der Türkei gezeigt werden sollten. Angesichts der erwarteten emotionsgeladenen Stimmung sei die Wirkung solcher Reden auf die Kundgebungsteilnehmer nicht kalkulierbar, betonte Mathies.

Nach neuen Polizeiangaben wurde die Versammlung nicht explizit von der Union Europäisch-Türkischer Demokraten (UETD) angemeldet, die der türkischen Regierungspartei AKP nahe steht. Vielmehr habe der Anmelder, eine Privatperson, „uns gegenüber deutlich gemacht, dass er für eine Vielzahl türkischer Vereine spricht“, sagte Mathies.

Gegen die Großkundgebung mit dem Titel „Ja zur Demokratie – Nein zum Staatsstreich“ wurden laut Kölner Polizei für Sonntag vier Gegendemonstrationen angemeldet, unter anderem aus dem linken Spektrum und von Jugendorganisationen deutscher Parteien.

Ebenfalls demonstrieren will die rechte Partei Pro NRW. In Zusammenhang mit deren Versammlung gibt es laut Mathies auch Mobilisierungsaufrufe innerhalb der Gruppierung „Hooligans gegen Salafisten“ (Hogesa).

Die Anmelderin der Rechten-Kundgebung rechnet nach Angaben des Kölner Polizeipräsidenten mit rund 400 Teilnehmern. Mathies wollte jedoch nicht ausschließen, dass die Teilnehmerzahl auf bis zu tausend steigen könnte.

Einen ursprünglich von den Rechten angemeldeten Demonstrationszug untersagte der Kölner Behördenchef. Stattdessen soll nun eine Standkundgebung am Bahnhof von Köln-Deutz stattfinden, unweit der türkischen Großkundgebung. Gegen das Demonstrationsverbot rief die Anmelderin der Rechten-Versammlung das Kölner Verwaltungsgericht an.

Mathies kündigte ein unnachgiebiges Vorgehen der Polizei bei Gesetzesverstößen im Umfeld der Demonstrationen an. Die Polizei wird demnach 2300 Beamte in den Einsatz schicken, darunter elf Hundertschaften aus Nordrhein-Westfalen und jeweils eine Hundertschaft aus Rheinland-Pfalz und Hessen. Zudem werden Mathies zufolge acht Wasserwerfer für einen Einsatz bereit stehen.


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