Politik

Türkei schneidet US-Geheimdienste nach Putsch von Informationen ab

Mit den Entlassungen in der Türkei verlieren die US-Geheimdienste wichtige Informanten. Den Diensten fehlen plötzlich die „Gesprächspartner“, wie Direktor Clapper sagte. Präsident Obama hatte dagegen betont, die Dienste hätten nicht die geringsten Informationen über den Putsch gehabt. Man fragt sich: Warum hat keiner der CIA-„Gesprächspartner“ etwas von den Ereignissen mitbekommen?
29.07.2016 12:19
Lesezeit: 2 min

Die Entlassungen der türkischen Regierung in der Armee und im Sicherheitsapparat sorgen für Nervosität bei den US-Geheimdiensten: Offenbar verlieren die CIA und die anderen Dienste einige wichtige Informanten, weil der türkische Präsident Erdogan ausgerechnet diese Personen verdächtigt, am Putschversuch gegen ihn beteiligt gewesen zu sein. Geheimdienstdirektor James Clapper beklagte sich am Donnerstag auf einer Sicherheitskonferenz in Aspen im US-Bundesstaat Colorado über den plötzlichen Brain-Drain der Diensten in der Türkei. Clapper sagte laut Reuters: "Viele unserer Gesprächspartner sind entlassen oder verhaftet worden."

Präsident Erdogan hatte in der Nacht zum Donnerstag per Dekret 1.684 Offiziere unehrenhaft aus den Streitkräften entlassen. 149 waren davon im Generalsrang. Man kann davon ausgehen, dass ein Teil dieser Leute "Gesprächspartner" der US-Dienste waren - das wäre von der Größenordnung her darstellbar und der geostrategischen Bedeutung der Türkei angemessen.

Clappers Aussage ist bemerkenswert: US-Präsident Barack Obama hatte erst vor wenigen Tagen erklärt, dass die US-Dienste nicht die leisesten Informationen über die Entwicklungen in der Türkei vor dem Putsch gehabt hätten. Wenn jedoch Clapper sagte, dass ihm viele seiner "Gesprächspartner" abhanden gekommen sind, dann musste eigentlich eine viel harschere Reaktion aus Washington kommen. Denn dann waren alle der "Gesprächspartner" völlig ahnungslos und somit unschuldig. Wenn dies nicht der Fall ist, muss man sich fragen, worüber die Dienste eigentlich mit ihren "Gesprächspartnern" reden: Sollten auch nur einige wenige von dem Putschversuch gewusst haben, so wäre es in Verbund der Nato-Staaten erstaunlich, dass ausgerechnet die mit Milliarden finanzierten Dienste nichts das Geringste von dem vergleichsweise groß angelegten Putschversuch mitbekommen haben. Der Putsch hatte fast 200 Menschen das Leben gekostet und war unter allen türkischen Staatsstreich-Aktionen eine der bisher blutigsten.

Dass die US-Dienste gar in den Putschversuch verwickelt sein könnten, haben die Amerikaner unmittelbar nach dem ersten Aufkommen solcher Spekulationen sofort und unmissverständlich dementiert.

Clapper begründet seine Sorge nun mit einer möglichen Erschwernis im Kampf gegen den IS, weil sich die Dienste nun neue "Gesprächspartner" im türkischen Sicherheitsapparat suchen müssen. Interessant in diesem Zusammenhang: Von der Nato, die von einem solchen Revirement eigentlich unmittelbar betroffen sei müsste, sind bisher keine derartigen Klagen gekommen. Offenbar ist die Kommunikation innerhalb der Nato stabiler als die der Dienste mit ihren Informanten. Clapper sprach trotzmde gleich für die Nato und sagte laut Reuters, die Entlassungen seien zweifellos ein Rückschlag und erschwerten die Zusammenarbeit mit dem Nato-Staat. Betroffen sei der gesamte Sicherheitsapparat.

Der US-Geheimdienst CIA unterhält zudem einen Stützpunkt in der Türkei, von wo aus der Putschversuch maßgeblich gestartet worden war. Zudem gibt es amerikanische Horchposten in dem Land sowie ein Frühwarnradar für ein europäisches Raketenabwehrsystem.

Die Türkei reagierte kühl auf Clappers Klage:  Der  türkische Außenminister Mevlüt Cavusoglu sagte am Freitag, dass die Armee nicht geschwächt werde: "Im Gegenteil - wenn die Armee gesäubert ist ... wird sie vertrauenswürdiger sein, sauber und effektiv im Kampf." Cavusoglu sagte außerdem, die Beziehungen der Türkei zu Russland seien keine Alternative zur Nato und der Europäischen Union.

Die türkische Öffentlichkeit ist überzeugt, dass der Putschversuch von den USA aus gesteuert wurde. In der deutschen Öffentlichkeit dominiert der Eindruck, dass Erdogan selbst der Putschist war und ist. So sagte der grüne Ministerpräsident Winfried Kretschmann im Beisein von Cem Özedmir in der FAZ: "Es ist gut, dass der Militärputsch niedergerungen werden konnte. Was wir aber jetzt in der Türkei erleben, ist ein ziviler Putsch."

Mehr zum Thema
article:fokus_txt
Anzeige
DWN
Finanzen
Finanzen Mulfin Trade hat seine Schutzsysteme für mehr Sicherheit aktualisiert

Der Schutz persönlicher Daten ist einer der Schlüsselfaktoren, die das Vertrauen der Kunden in einen Service beeinflussen. Mulfin Trade...

DWN
Politik
Politik Der Weltraum als nächstes Schlachtfeld – Europas Sicherheit steht auf dem Spiel
07.06.2025

Der Orbit wird zur neuen Frontlinie geopolitischer Machtspiele. Wie private Satelliten, militärische Strategien und neue Allianzen die...

DWN
Technologie
Technologie Silicon Valley dominierte Big Tech – Europas Chance heißt Deep Tech
06.06.2025

Während Europa an bahnbrechenden Technologien tüftelt, fließt das große Geld aus den USA. Wenn Europa jetzt nicht handelt, gehört die...

DWN
Unternehmensporträt
Unternehmensporträt Verteidigung der Zukunft: Hensoldt rüstet Europa mit Hightech auf
06.06.2025

Kaum ein Rüstungsunternehmen in Europa hat sich in den vergangenen Jahren so grundlegend gewandelt wie Hensoldt. Aus einer ehemaligen...

DWN
Politik
Politik Trump gegen Europa: Ein ideologischer Feldzug beginnt
06.06.2025

Donald Trump hat Europa zum ideologischen Feind erklärt – und arbeitet systematisch daran, den Kontinent nach seinen Vorstellungen...

DWN
Unternehmen
Unternehmen Die wertvollsten Marken der Welt: Top 5 fest in US-Hand
06.06.2025

Während die Weltwirtschaft stagniert, explodieren die Markenwerte amerikanischer Konzerne. Apple regiert unangefochten – China und...

DWN
Wirtschaft
Wirtschaft Star-Investorin: „Wir erleben eine neue Generation von KI-Gründern“
06.06.2025

US-Chaos, Trump und Kapitalflucht: Europas KI-Talente kehren dem Silicon Valley den Rücken – und bauen die Tech-Giganten der Zukunft vor...

DWN
Wirtschaft
Wirtschaft Konjunkturprognose unter Druck: Wie der Zollstreit Deutschlands Exporte trifft
06.06.2025

Zölle, Exporteinbrüche und schwache Industrieproduktion setzen Deutschlands Wirtschaft zu. Die aktuelle Konjunkturprognose gibt wenig...

DWN
Wirtschaft
Wirtschaft Internationale Handelskonflikte: So schützen sich exportorientierte KMU
06.06.2025

Ob Strafzölle, Exportverbote oder politische Sanktionen – internationale Handelskonflikte bedrohen zunehmend die Geschäftsmodelle...