Politik

Vertrauensverlust: Nicht nur die Deutsche Bank wankt

Lesezeit: 3 min
27.09.2016 01:10
Die Deutsche Bank ist aber beileibe nicht die einzige, sondern nur eine gut sichtbare exponierte Bank in Schwierigkeiten. Am Markt sind Anzeichen eines aufziehenden Vertrauensverlusts zu erkennen. Die Credit Default Swap Spreads weiten sich wieder aus.
Vertrauensverlust: Nicht nur die Deutsche Bank wankt
Systemische Risikobeziehungen unter den global systemrelevanten Banken (Grafik: Internationaler Währungsfonds)

Inhalt wird nicht angezeigt, da Sie keine externen Cookies akzeptiert haben. Ändern..

Der Aktienmarkt eskomptiert seit über einem Jahr eine rapide, ja dramatische Verschlechterung der Gewinn- und Eigenkapitalaussichten der Deutschen Bank. Die Aktie ist im freien Fall. Hiobsbotschaften häufen sich. Die Deutsche Bank ist aber beileibe nicht die einzige, sondern nur eine gut sichtbare exponierte Bank in Schwierigkeiten. Am Markt sind Anzeichen eines aufziehenden Vertrauensverlusts vorhanden. Die Credit Default Swap Spreads weiten sich wieder aus. Dennoch geben sich die deutsche Politik und das Bank-Management nach Außen hin entspannt – eine gefährliche und unangemessene Attitüde.

Auszugehen ist zunächst davon, dass die neuen Verantwortlichen der Deutschen Bank wie die nationalen und internationalen Aufseher inzwischen genau wissen, in welcher Lage das Institut sich wirklich befindet. Alles andere wäre verantwortungslos. Der Internationale Währungsfonds ist diesen Sommer in erstaunlich offener Weise vorgeprellt und hat das Institut als anscheinend grössten Netto-Beiträger zu systemischem Risiko unter den global systemrelevanten Banken charakterisiert. Viel deutlicher kann man nicht warnen, ohne grob unhöflich zu werden.

Die Bank ist seit Jahren drastisch unterkapitalisiert. Sie ist, gemessen an der Bilanzsumme, eine der grössten Banken der Welt. Sie fährt überdies ein gigantisches Ausserbilanzgeschäft, das zweitgrösste nach JP Morgan. Sie vereint ungefähr 10% des global ausstehenden Derivatevolumens auf sich. Dennoch ist ihr Eigenkapital gerade mal ein Bruchteil desjenigen der amerikanischen Grossbanken. Sie ist von Tausenden von Rechtsfällen, Prozessen und gewaltigem Reputationsverlust angeschlagen. Was ihr überdies wie vielen anderen Banken schadet, ist die Negativ- und Nullzinspolitik der Europäischen Zentralbank. Damit vermiest die EZB den Banken die Zinsmarge. Sie operiert in Märkten mit Überkapazität, so dass die Erträge auch deswegen wegbrechen. Eine neue Strategie der neuen Bankleitung ist für Aussenstehende nicht ohne weiteres erkennbar. Keine Mission, keine Strategie, kein klar refokussiertes Business Modell, sondern primär Krisenmanagement auf Tagesbasis.

Unterkapitalisierung, Ertrags- und Perspektivlosigkeit sind angesichts der systemischen Bedeutung der Grossbank nicht alleine Sache der Aktionäre oder des Managements. Die Bank steht sowohl im deutschen wie im globalen Kontext geradezu im Mittelpunkt eines fein tarierten Spinnennetzes von Beziehungen, die sie systemrelevant machen. Der Internationale Währungsfonds hat sie in seinem Financial System Stability Assessement vom Juni 2016 folgendermassen graphisch dargestellt:

Der Bericht schreibt hierzu: Im Inland sind die grössten deutschen Banken und Versicherungs-Gesellschaften hoch verbunden. Die stärksten Verknüpfungen bestehen zwischen Allianz, Münchner Rück, Hannover Rück, Deutscher Bank, Commerzbank und Aareal Bank. Die Allianz trägt im Inland den grössten Nettobeitrag zu Systemrisiko bei. Sowohl Deutsche Bank wie Commerzbank sind Quellen von Übertragungseffekten nach Aussen zum Rest des deutschen Finanzsektors.

Im internationalen Kontext sind deutschen Banken zusammen mit solchen aus Frankreich, dem Vereinigten Königreich und den USA die wichtigsten Überträger potentieller Schocks nach Außen. Die Deutsche Bank leistet dabei vor der HSBC und der Credit Suisse den grössten Beitrag zum globalen Systemrisiko.

Die Deutsche Bank steht dabei im Mittelpunkt eines ganzen Geflechts. Sie stellt für eine ganze Reihe großer europäischer Banken sowie abgeschwächt für einige amerikanische Großbanken ein bedeutendes Risiko dar (Grafik am Anfang des Artikels).

Angesichts dieser überragenden Rolle der Deutschen Bank erstaunt die öffentlich vorgetragene Gelassenheit von Politik und Management. Selbstverständlich muss die Bank rasch und massiv ihr Eigenkapital vergrössern. Im gegenwärtigen Umfeld dürfte dies schwerfallen. Erweist sich dies als nicht möglich, wäre der Fall für eine Rekapitalisierung mit öffentlichen Geldern gegeben. Die bisherigen Aktionäre gehören enteignet, hingegen sollte auf den ganzen Bail-in von Obligationären und Depositären tunlichst verzichtet werden. Bei einer Derivatebank sind Staatsanleihen neben Cash die wichtigste Form von Sicherheiten bei Ausgleichszahlungen im Settlement. Ein Bail-in könnte einen Crash des Obligationenmarktes auslösen.

Genau wie bei Volkswagen haben es Regierung und Aufsicht jahrelang versäumt, dem Treiben durch Überwachung, Kontrolle und Einschreiten frühzeitig ein Ende zu setzen. Von daher könnte, auch wenn es einen erheblichen Gesichtsverlust im Wahljahr bedeutet, eben eine Verstaatlichung unabdingbar werden. Es darf zu keiner Zeit geringste Zweifel an der Solidität einer so extrem wichtigen Bank geben. Längerfristig könnte eine Verstaatlichung nach einer Sanierung und grundlegenden Restrukturierung auch ohne oder ohne große Verluste für den Staat abgehen.

Anzeige
DWN
Finanzen
Finanzen Die Edelmetallmärkte

Wegen der unkontrollierten Staats- und Unternehmensfinanzierung durch die Zentralbanken im Schatten der Corona-Krise sind derzeitig...

DWN
Finanzen
Finanzen EM 2024 Ticketpreise explodieren: Die Hintergründe
27.04.2024

Fußball-Enthusiasten haben Grund zur Freude: Es besteht immer noch die Chance, Tickets für die EM 2024 zu erwerben. Allerdings handelt es...

DWN
Weltwirtschaft
Weltwirtschaft Deutschland als Unternehmensstandort: Zwischen Herausforderungen und Chancen
27.04.2024

Trotz seines Rufes als europäischer Wirtschaftsmotor kämpft Deutschland mit einer Vielzahl von Standortnachteilen. Der Staat muss...

DWN
Immobilien
Immobilien Deutschlands herrenlose Häuser: Eine Chance für den Markt?
27.04.2024

Herrenlose Immobilien - ein kurioses Phänomen in Deutschland. Es handelt sich hier um Gebäude oder Grundstücke, die keinen...

DWN
Finanzen
Finanzen Reich werden an der Börse: Ist das realistisch?
27.04.2024

Viele Anleger wollen an der Börse vermögend werden. Doch ist das wahrscheinlich - oder wie wird man tatsächlich reich?

DWN
Politik
Politik DWN-Kommentar: Deutsche müssen über Abschiebungen diskutieren - mit aller Vorsicht
26.04.2024

Liebe Leserinnen und Leser, jede Woche gibt es ein Thema, das uns in der DWN-Redaktion besonders beschäftigt und das wir oft auch...

DWN
Politik
Politik Tourismus-Branche: „In Hotellerie und Gastgewerbe ist noch nichts wieder in Ordnung“
26.04.2024

Die deutsche Tourismus-Branche, also Hotellerie und Gastronomie, firmiert neuerdings unter dem neuen Sammelbegriff „Gastwelt“ - auch um...

DWN
Unternehmen
Unternehmen Bürokratieabbau: Ministerin fordert mehr Widerstandsfähigkeit und Effizienz
26.04.2024

Rheinland-Pfalz ist ein mittelständisch geprägtes Land. Gerade kleinere Betriebe hadern mit zu viel bürokratischem Aufwand.

DWN
Politik
Politik Hybride Bedrohungen: Drohnen-Flüge und psychologische Kriegsführung
26.04.2024

Bundesverteidigungsminister Boris Pistorius hat eindringlich vor hybriden Bedrohungen in Deutschland gewarnt. Gegen den Einsatz von...