Die Typgenehmigung für Millionen Dieselautos auf deutschen Straßen ist womöglich rechtswidrig und damit ungültig. Das geht aus einem Gutachten des renommierten Umweltrechtlers Prof. Dr. Martin Führ von der Hochschule Darmstadt hervor. Darin heißt es: „Der (…) flächendeckende Einsatz von Abschalteinrichtungen (…) spricht nach den bekannt gewordenen Tatsachen aber dafür, dass hier eine fortdauernde und schwerwiegende Missachtung des Rechts stattgefunden hat.“ Das Gutachten hatte der Abgas-Untersuchungsausschuss des Deutschen Bundestages angefordert, berichtet Frontal 21.
Das Gutachten widerspricht damit diametral der bisherigen Rechtsauffassung von Kraftfahrtbundesamt (KBA) und Bundesverkehrsminister Alexander Dobrindt. Die von Minister Dobrindt eingesetzte Untersuchungskommission zum VW-Abgasskandal hatte im April zwar Abschalteinrichtungen bei allen Autoherstellern festgestellt, diese aber als zulässig bewertet. Das Ministerium hatte sich dabei auf so genannte „Thermofenster“ als gesetzlichen Ausnahmetatbestand berufen, die dem „Motorschutz“ bei niedrigen Außentemperaturen dienten.
Dem widerspricht das Gutachten. Der Gesetzgeber habe eindeutig klargestellt, dass es für ein „'Thermofenster' bei niedrigen Temperaturen keine Rechtfertigung geben kann“. Zudem hätten die Autohersteller ihre Abschalteinrichtungen bereits bei der Typzulassung offenlegen müssen. Außerdem hätte das KBA diese dann auf Zulässigkeit prüfen müssen. „Hat der Hersteller die Abschalteinrichtung aber gleichwohl eingebaut, dann bringt er ein Fahrzeug außerhalb der Typgenehmigung in Verkehr“, so das Gutachten. „Nach gegenwärtigem Kenntnisstand spricht vieles dafür, dass die Hersteller verwaltungsrechtliche Pflichten verletzt und sich die Genehmigung 'durch unrichtige oder unvollständige Angaben erschlichen' haben.“ Weiter heißt es: „Beide – Antragsteller und KBA – handeln unter Verstoß gegen rechtliche Anforderungen. Eine dennoch erteilte Typgenehmigung für ein Motor-System mit Abschalteinrichtung ist von Anfang an rechtswidrig.“ Das Gutachten empfiehlt, dass Umweltstraftaten zu prüfen seien. In den kommenden Tagen wird sich der Untersuchungsausschuss des Bundestages mit dem Gutachten beschäftigen.