Generationenwechsel: Rekordstand geplanter Unternehmensübergaben – und kaum Interessenten
Der aktuelle DIHK-Bericht zeigt es auf: Um den deutschen Mittelstand ist es schlecht bestellt. Viele Unternehmer gehören der Babyboomer-Generation an und nähern sich dem Rentenalter. Sie suchen händeringend Nachfolger und finden keine. Wenn keine Lösungen gefunden werden, drohen viele Arbeitsplätze zu verschwinden und in den Innenstädten werden weitere Leerstände hinzukommen. DIHK-Präsident Peter Adrian befürchtet sogar, dass dem Land die wirtschaftliche Basis wegbröckeln wird.
Für das vergangene Jahr 2024 melden die IHKs in Deutschland einen neuen Rekord an Anfragen für Unternehmensübergaben. Mit fast 10.000 Beratungen und damit 16 Prozent mehr als im Jahr zuvor, sind die Anfragen wieder auf das Niveau des Jahres 2007 angestiegen. Auf die fast 10.000 Anfragen kamen nur 4.000 Interessenten und es besteht die Gefahr, dass über die Hälfte der geplanten Übergaben erfolglos bleiben wird.
Das Problem wird wachsen nach Einschätzung der Deutschen Industrie- und Handelskammer. Sie berät sowohl Übergabewillige als auch Interessenten an einer Übernahme. Dabei stellt sie fest, dass die Schere zwischen Angebot und Nachfrage immer weiter auseinanderklafft. Über eine Million der Unternehmensinhaber sind bereits über 60 Jahre alt. Mehr als ein Viertel davon erwägt bereits, das eigene Unternehmen demnächst einfach zu schließen, statt einen Nachfolger zu suchen. Damit wären rund 250.000 Betrieb von einer Schließung bedroht. Laut DIHK-Präsident Peter Adrian geht es dabei auch um sehr viele gesunde und erfolgreiche Unternehmen.
Betroffen sind besonders der Handel und das Gastgewerbe. In diesen Branchen übersteigt das Angebot an übergabewilligen Unternehmern die Nachfrage um mehr als das Dreifache. Betriebsaufgaben in diesen Bereichen treiben die Leerstände und verschlimmern die Lage der verwaisten Innenstädte. Im Bereich Verkehr gibt es sogar mehr als viermal so viele Angebote als Bewerber. Aber auch bei der Dienstleistung und in der IT-Branche sieht es mau aus. Hier kommen auf einen Bewerber für die Übernahme mindestens zwei Unternehmen.
Wirtschaftliche Rahmenbedingungen schrecken Jungunternehmer ab
Wie Katrin Szwede von der IHK Rheinhessen ausführte, sind besonders die überbordende Bürokratie, die hohen Lohnkosten und die wirtschaftlich unsichere Lage ausschlaggebend, warum viele Menschen kein eigenes Unternehmen mehr führen wollen. Aber auch die demografische Entwicklung in Deutschland und die anhaltende Rezession schrecken ab. Die DIHK spricht angesichts der Fehlenden Nachfolger sogar schon von einer der größten Herausforderungen für den deutschen Mittelstand. Für viele ist ein sicherer Arbeitsplatz dann doch interessanter, als in ein Unternehmen zu übernehmen, erklärte Szwede weiter.
Demografie als wachsendes Problem bei Unternehmensnachfolge
Wie der Bundesverband deutscher Unternehmensberatungen ausführte, werden auch die demografischen Entwicklungen in Deutschland in den nächsten 10 Jahren zu einem signifikanten Unternehmermangel führen. Aus den Analysen des Verbandes geht hervor, dass in nur fünf Jahren drei von fünf Unternehmern deutlich über 55 Jahre alt sein werden. In der Analyse wurden insgesamt 564.443 Firmen in den Umsatzklassen von 250.000 Euro bis 50 Millionen Euro Umsatz erfasst.
Zum wichtigsten Ergebnis der Studie gehört die Erkenntnis, dass deutsche Chefs dramatisch altern. Die geburtenstärksten Unternehmerjahrgänge, die über 60 Prozent der Unternehmen dieses Landes leiten, müssen in den nächsten 10 Jahren ihre Nachfolge geregelt haben. Demgegenüber stehen jedoch in den dann 20 Jahre jüngeren Jahrgängen nur rund halb so viele potenzielle Nachfolger gegenüber. Es zeichnet sich also ein regelrechtes Hauen und Stechen um die wenigen Kaufinteressierten ab.
Betriebsschließungen strahlen über den Betrieb hinaus
Wenn kein Nachfolger für einen Betrieb gefunden werden kann, gehen die Effekte oft weit über den Betrieb hinaus. Verschwinden Produzenten von Spezialprodukten, werden ganze Wertschöpfungsketten unterbrochen. Fehlender Einzelhandel und Gastronomie in den Städten führt dazu, dass die Innenstädte immer unattraktiver werden und eben dann auch andere Geschäfte in Mitleidenschaft ziehen. Fehlende Gastronomie auf dem Land wirkt sich auch auf das Sozialleben negativ aus. Generell kann durch ein Wegbrechen dieser Strukturen die Standortqualität ganzer Regionen leiden.
DIHK fordert besser Rahmenbedingungen für Unternehmensübernahmen
Um das Problem wirkungsvoll in Angriff nehmen zu können und mehr Übernahmeinteressierte zu finden, braucht es nach der DIHK Rahmenbedingungen, die das unternehmerische Engagement einfacher machen. Wichtig hierfür wäre ein Abbau unsinniger Bürokratie und eine Entlastung der Unternehmen bei Steuerzahlungen und Energiekosten.
Auch fordert der DIHK-Präsident, die Prozesse für die Unternehmensnachfolge zu vereinfachen. Er erklärte, dass ein Jungunternehmer, der einen Betrieb übernimmt, zunächst einmal viel Zeit für den betrieb, die Geschäftspartner und die Kunden braucht. Deshalb müssten alle Regelungen und Prozesse rund um die Unternehmensübernahme so einfach wie möglich gestaltet sein. Er plädiert hier für vereinfachte Anzeigepflichten, einfache Regelungen für bauliche Veränderungen und auch eine praxisorientierte und einfache Lösung für die Weiternutzung von Kunden- und Lieferantendaten. Er schlägt einen sogenannten befristeten generellen Bestandsschutz für Übernahmeunternehmen vor, der sich an die Idee der „ Gründerschutzzonen“ anlehnt. Die würde es neuen Firmeninhabern ermöglichen, sich zunächst einmal voll und ganz auf die Neuausrichtung des Unternehmens zu konzentrieren, anstatt sich mit unzähligen Genehmigungen, Konzessionierungen oder Bauanträgen herumschlagen zu müssen.
Finanzierung als Problem bei Unternehmensübernahmen
Aus der DIHK-Studie geht auch hervor, dass knapp 40 Prozent der potenziellen Unternehmensnachfolger Schwierigkeiten bei der Finanzierung haben. Hier zeichnet sich jedoch eine leichte Entspannung ab durch den Einsatz von Bürgschaften. Auch sind Altinhaber häufiger bereit, Beteiligungskapital und Darlehen zur Verfügung zu stellen. Insgesamt ca. die Hälfte der Altunternehmer will nämlich das Unternehmen verkaufen, da es weder innerhalb der Familie noch unter den Mitarbeitern einen geeigneten Nachfolger gibt.

