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In Indien ist es auch Samstag zu zahlreichen Prügeleien gekommen, weil die Inder in langen Schlangen warteten, um an die Schalter zu kommen, berichtet die Hindustan Times. Doch anders als vor einigen Jahren in Zypern oder Griechenland drängten die Leute nicht in die Banken, um ihr Geld abzuheben – sondern um es auf die Bank zu bringen.
Der negative Bank-Run ist die Folge einer Währungsreform, die die indische Regierung überraschend am Tag der US-Wahl verkündet hatte. Die 500 und 1.000 Rupienscheine wurden aus dem Verkehr gezogen. Das Timing war bewusst gewählt, um die nicht übermäßig die Aufmerksamkeit der Weltöffentlichkeit auf Indien zu lenken. Die Aktion lange geheim vorbereitet, wie indische Medien berichten. Premier Modi sagte am Samstag auf seiner Japan-Reise, die Geldautomaten seien absichtlich nicht vor der Einführung der neuen Geldscheine umgestellt worden, um die Aktion nicht ruchbar werden zu lassen.
Bloomberg berichtet, dass mit den über Nacht ungültigen Geldscheinen 86 Prozent des Bargelds, das in Indien im Umlauf ist, seinen Wert verloren habe. Allein die State Bank erhielt 7,1 Milliarden Dollar in Cash von ihren Kunden.
Die radikale Maßnahme wurde vordergründig als Kampf gegen Geldwäsche und Steuerhinterziehung dargestellt. Tatsächlich verlieren viele Inder nun über Nacht ihr Geld, weil sie es nicht versteuert haben. Sie können es nicht zur Bank bringen, weil ihnen ab einer gewissen Höhe Steuerstrafverfahren drohen.
Interessant ist, dass zugleich die Cash-Möglichkeiten der Inder beschränkt wurden: Die Hindustan Times berichtet, dass jeder Inder nur 4.000 Rupien gegen Vorlage eines Identitätsausweises erhält. Der Rest muss auf den Konten verbleiben. Auf den Bankomaten können die Kunden nur noch 30 Dollar abheben. Niemand weiß, wie lange die Maßnahmen anhalten. Auch die Flucht ins Gold wurde erschwert: Juweliere wurden nach Informationen der Deutschen Wirtschafts Nachrichten angehalten, alle Kunden an die Steuerbehörden zu melden, die größere Beträge in Gold umtauschen wollten. Den Juwelieren wurde gedroht, man werde die Überwachungskameras in den Läden nutzen, um die Kunden auszuforschen, sollten sich die Händler weigern, die Kunden zu melden. Auch das Abheben vom Konto und die Ausstellung von Schecks sind mit 10.000 Rupien begrenzt, berichtet die Hindustan Times. Diese Begrenzungen sollen zunächst bis zum 24. November gelten.
Tatsächlich ist der Zwangsumtausch in Kombination mit der effektiven Rationierung von Bargeld die raffinierstete Banken-Rettung seit langem: Denn das Geld muss auf der Bank bleiben – und damit können die Banken einen Kollaps vermeiden. Die Zeitung Mint berichtet, dass die indischen Banken auf faulen Krediten in Milliarden-Höhe sitzen. Der IWF hat ermittelt, dass 8,6 Prozent der gesamten Kreditsumme der indischen Banken als Non-Performing-Assets qualifiziert werden müssen. Indien liegt damit auf Platz 7 der am meisten gefährdeten Staaten der Welt. Besonders betroffen sind die staatlichen Banken. Laut Mint sind ihre NPA mit 11 Prozent deutlich höher als die der privaten Banken mit 3,2 Prozent. Die Lage hat sich bei den staatlichen Banken im Jahr 2016 dramatisch verschlechtert. Mint berichtet, dass sich die Lage bei allen indischen Banken im September zugespitzt habe.
Mit dem Zwangsumtausch erhalten die Banken etwas Luft. Eine dauerhafte Lösung ist die Maßnahme nicht. Denn die Wirtschaft wird mindestens sechs Monate unter einer Depression im Konsum leiden, schreibt die Financial Times. Laveesh Bandhari vom Think Tank Indicus erwartet „massiv negativen Einfluss für mindestens drei Monate“. Vor allem kleine Unternehmen, die ihr gesamtes Geschäft auf Bargeld aufgebaut haben, werden betroffen sein.
Die „Schadenfreude“ der „kleinen Leute“, von der die FT berichtet, sie habe sich eingestellt, als die Müllabfuhr ganze Geldsäcke mit wertlosem Geld gefunden habe, dürfte nur ein Nebeneffekt sein.
Denn vor allem die „kleinen Leute“ sind von der brachialen Maßnahme betroffen. Die Hindustan Times schreibt, dass der Obst- und Gemüsemarkt in Dehli erwägt, den Betrieb einzustellen – weil die Leute kein Bargeld mehr haben. In Mumbai haben sich die Preise für Salz über Nacht verzehnfacht.