Politik

Volksentscheid: Hamburger stoppen Privatisierung des Energie-Netzes

Lesezeit: 2 min
24.09.2013 02:46
Die Hamburger Bürger haben sich gegen die durchgeführte Privatisierung des Energienetzes ausgesprochen. Der Hamburger Senat muss nun den Rückkauf des Netzes einleiten. Unerfreulicher Nebeneffekt: Auch den Rückkauf werden die Steuerzahler finanzieren müssen.
Volksentscheid: Hamburger stoppen Privatisierung des Energie-Netzes

Mehr zum Thema:  
Benachrichtigung über neue Artikel:  

Die Hamburger Bürger haben sich entschieden, ihre Energie wieder in die Hand der Stadt zurückzuholen. Nur mehr mit 25,1 Prozent war Hamburg an den Energienetzen der Stadt beteiligt. Das soll sich nun ändern. Mit 50,9 Prozent Ja-Stimmen gewann die Initiative des Bündnisses „Unser Hamburg- Unser Netz“ den Volksentscheid am Sonntag. Nun muss der Senat handeln und das Netz zurückkaufen.

„Wir sind sehr zufrieden“, sagte Wiebke Hansen, die Kampagnen-Leiterin der Initiative, den Deutschen Wirtschafts Nachrichten. „Dies ist ein Sieg der direkten Demokratie“. Aber, „dass es knapp ausgehen würde, war uns klar“, sagte Hansen. Gegenüber den 50,9 Prozent Ja-Stimmen standen immerhin 49,1 Prozent Nein-Stimmen. Dies habe aber auch mit der Besonderheit der Debatte zu tun, so Hansen.  Vattenfall hatte Hansen zufolge 20 Millionen Euro in die Kampagne gegen den Rückkauf der Energienetze gesteckt. Die Initiative habe aber nur etwa ein Prozent des Vattenfall Budgets für ihre Kampagne inklusive der Bezahlung der Mitarbeiter gehabt.

Doch nicht nur im finanziellen Bereich gab es Schwierigkeiten für die Initiative. So vertrat beispielsweise der Hamburger Senat ganz eindeutig die Position des großen Stromkonzerns Vattenfall. SPD und CDU sprachen sich im Vorhinein klar gegen den Volksentscheid aus. „Zu den vielen Schulden, die die Stadt hat, nochmal zwei Milliarden obendrauf, um im Wesentlichen Rohre und Kabel zu kaufen? Das halte ich nicht für klug“, wird Olaf Scholz in einem Infoheft zum Volksentscheid zitiert. Auch die CDU versuchte die Hamburger vor allem über die Rückkauf-Kosten zu einem Nein zu bewegen. „Der Hamburger Haushalt würde mit der Kaufsumme von zwei Milliarden und Zinsen von ca. 40 Millionen im Jahr erheblich belastet.“

Wiebke Hansen lässt sich von dieser Summe nicht abschrecken. Die Zahlen, die SPD und CDU zitieren, stammen aus Gutachten – von Vattenfall und Eon bezahlt, so Hansen.  „Wir rechnen mit weniger.“ Und nur die Absicherung des für den Rückkauf notwendigen Kredits würde über den Haushalt laufen, nicht der ganze Kredit.  Aber dieser Kredit „ist ein sicheres Ding“, die Energienetze bringen ja auch Geld ein, so die Kampagnen-Leiterin. Außerdem wurden „diese Gutachten auch bis jetzt geheim gehalten“. Der Senat werde einen Grund dafür haben, sagte Hansen den Deutschen Wirtschafts Nachrichten.

Nach dem erfolgreichen Volksentscheid müsse der Senat nun aber in den nächsten Monaten erste Schritte einleiten. Gemäß der Hamburger Verfassung seien Volksentscheide rechtlich bindend. Notfalls könne man sogar vor dem Verfassungsgericht klagen, so Hansen. Politische Bindung an die Entscheidung bestehe aber auch aufgrund der anstehenden Wahl der Bürgerschaft 2015. „Der Druck auf den Bürgermeister ist groß.“

Dennoch werde man die Entwicklungen in Hamburg weiter verfolgen und die Arbeit fortsetzen, um sicher zu gehen, dass der Rückkauf tatsächlich und auch transparent erfolgt. Die Stadt müsse beispielsweise ein Unternehmen für den Rückkauf schaffen. Aber auch die Frage, wie der Bieterstreit um die Konzessionen am Ende ausgeht, dem sich die Stadt auch stellen muss, bleibt offen. Hier ist dann Vattenfall der größte Konkurrent.

Hamburg muss am Ende eine „möglichst sichere, preisgünstige, verbraucherfreundliche, effiziente und umweltverträgliche (…) Versorgung der Allgemeinheit mit Elektrizität und Gas sicherstellen können, so fordert es das Energiewirtschaftsgesetz. Bei den derzeitigen Schwankungen am Rohstoffmarkt keine einfache Aufgabe.

In Berlin steht am 3. November ebenfalls ein Volksentscheid an: „Vattenfall den Stecker zieh’n“ heißt das Motto des Berliner Energietischs. Dem Volksentscheid in Berlin räumt Hansen größere Chancen ein. Hier sei die Partnerschaft zwischen Regierung und Konzern nicht gegeben.


Mehr zum Thema:  

Anzeige
DWN
Panorama
Panorama Kostenloses Experten-Webinar: Die Zukunft der personalisierten Medizin aus der Cloud - und wie Sie davon profitieren

Eine individuelle Behandlung für jeden einzelnen Menschen - dieser Traum könnte nun Wirklichkeit werden. Bei der personalisierten Medizin...

DWN
Unternehmen
Unternehmen Tesla Grünheide - Protesttage: Polizei schützt Autofabrik mit Großaufgebot
10.05.2024

Die Kundgebungen gegen den Autobauer Tesla in Grünheide erreichten am Freitag einen neuen Höhepunkt. Während eines...

DWN
Unternehmen
Unternehmen Der Chefredakteur kommentiert: Deutsche Bahn, du tust mir leid!
10.05.2024

Liebe Leserinnen und Leser, jede Woche gibt es ein Thema, das uns in der DWN-Redaktion besonders beschäftigt und das wir oft auch...

DWN
Technologie
Technologie Kein Erdgas mehr durch die Ukraine? Westeuropa droht erneute Energiekrise
10.05.2024

Eines der größten Risiken für die europäische Erdgasversorgung im nächsten Winter ist die Frage, ob Gaslieferungen weiterhin durch die...

DWN
Finanzen
Finanzen DAX-Rekordhoch: Deutscher Leitindex springt auf Allzeithoch bei über 18.800 Punkten
10.05.2024

Der DAX hat am Freitag mit einem Sprung über die Marke von 18.800 Punkten seinen Rekordlauf fortgesetzt. Was bedeutet das für Anleger und...

DWN
Unternehmen
Unternehmen Streik am Bau: Gewerkschaft kündigt Proteste in Niedersachsen an
10.05.2024

Die IG Bauen Agrar Umwelt hat angekündigt, dass die Streiks am Bau am kommenden Montag (13. Mai) zunächst in Niedersachsen starten...

DWN
Politik
Politik Selenskyj drängt auf EU-Beitrittsgespräche - Entwicklungen im Ukraine-Krieg im Überblick
10.05.2024

Trotz der anhaltenden Spannungen an der Frontlinie im Ukraine-Krieg bleibt Präsident Selenskyj optimistisch und setzt auf die...

DWN
Politik
Politik Corona-Aufarbeitung: Spahn spricht sich für breite Analyse aus mit allen Blickwinkeln
10.05.2024

Im deutschen Parlament wird zunehmend eine umfassende Analyse der offiziellen Corona-Maßnahmen, einschließlich Masken und Impfnachweisen,...

DWN
Politik
Politik Pistorius in den USA: Deutschland bereit für seine Aufgaben
10.05.2024

Verteidigungsminister Boris Pistorius betont in Washington eine stärkere Rolle Deutschlands im transatlantischen Bündnis. Er sieht den...