Finanzen

EZB drückt bei Staatsanleihen und faulen Krediten beide Augen zu

Lesezeit: 2 min
15.01.2014 18:22
Die EZB schont beim bevorstehenden Stresstest die Banken. Faule Kredite sollen mit „vereinfachten Definitionen“ bewertet werden. Schon beim letzten Stresstest wurden Risikobewertungen der Staatsanleihen nicht in die Bankbilanzen aufgenommen. Massive Kapitallücken blieben unentdeckt.
EZB drückt bei Staatsanleihen und faulen Krediten beide Augen zu

Mehr zum Thema:  
Benachrichtigung über neue Artikel:  

Beim letzten Stresstest der Europäischen Bankenaufsicht (EBA) im Jahr 2012 wurde eine Risikobewertung der Staatsanleihen in den Bankbilanzen nicht in die Bewertung aufgenommen, sondern quasi zum Tabu erklärt.

Dies hatte harsche Kritik der Kapitalmärkte hervorgerufen. Denn die massiven Kapitallücken einiger Banken in Irland, Spanien und Zypern blieben unentdeckt. Vor allem auf Zypern kam es deshalb im März 2013 beinahe zu einem Staatsbankrott. Dieser konnte nur durch einen ESM-Kredit in Höhe von 9 Milliarden Euro und einen IWF-Kredit von 1 Milliarde Euro abgewendet werden. Spanien erhielt zur Bankenrettung einen ESM-Kredit von 41,4 Milliarden Euro. Deutschlands Steuerzahler sind mit 27,1 Prozent die Gläubiger der Bankenrettungen.

Nun möchte die EZB die Skepsis an der Glaubhaftigkeit des bevorstehenden Tests damit umgehen, indem sie erklärt, vor dem Beginn der Bankenunion die Kreditinstitute genauestens prüfen zu wollen.

EZB-Chef Mario Draghi erklärte in einem veröffentlichten Schreiben an den Vorsitzenden des Wirtschafts- und Währungs-Ausschusses im EU-Parlament, Sharon Bowles, dass Staatsanleihen jedweder Kategorie in den Stresstests berücksichtigt werden.

Wie die Bankenaufsicht die Bonds jedoch konkret bewerten sollen, ließ Draghi offen. Damit räumt die EZB den Bankenaufsehern offenbar genügend Spielräume ein. Konkrete Bestimmungen des Stresstests werden Ende des Monats oder Anfang Februar veröffentlicht.

Bevor der Banken-Stresstest in die erst Phase geht, ist eine Bilanzprüfung von 128 Banken vorgesehen. Die Bestände der Staatsanleihen sei „ein Thema“ schreibt Draghi weiter in seinem Brief an Bowles, selbst wenn „das Risiko gering ist, dass im AQR (Asset-Quality-Review) etwas Negatives dabei herauskommt“.

In den Bestimmungen der Bilanzierungsvorschriften werden Staatsanleihen als risikolos bewertet und müssen nicht mit Eigenkapital unterlegt werden, was Bundesbankpräsident Jens Weidmann seit längerem beanstandet und als „Illusion der Risikolosigkeit“ kritisiert.

Denn Tatsache ist, dass die Banken in den Krisenstaaten der Eurozone Hunderte von Milliarden Euro Staatsanleihen halten. Allein italienische Banken halten derzeit etwa zwischen 350 und 400 Milliarden Euro landeseigene Staatsanleihen.

Darüber hinaus wurde bekannt, dass die 128 teilnehmenden Banken am Stresstest hinsichtlich der Bewertung der faulen Kredite in ihren Büchern eine weichere, „vereinfachte Definition“ bei der Erhebung ihrer „ersten Daten“ zur Erreichung der Asset-Quality-Review anwenden dürfen.

Kenner der Materie sagen, dass die Banken – die ab November 2014 unter die vollständige Aufsicht der EZB kommen werden – die „vereinfachten Definitionen“ auch in den Folgejahren anwenden können, berichtet Reuters.

Eine EZB-Sprecherin sagte, diese Frage würde noch diskutiert und eine Entscheidung in Kürze erwartet.

Die EBA definiert Kredite als „notleidend“, wenn eine Rückzahlung mehr als 90 Tagen überfällig ist oder wenn eine Rückzahlung grundsätzlich unwahrscheinlich ist. Eine zweite Regel definiert eine unwahrscheinliche Rückzahlung, wenn eine Bank etwa für einen Kredit eine Stundung zugesagt hat oder die Begleichung der Kreditsumme reduziert wird.

Allein italienische Banken sitzen auf Problemkrediten von geschätzten 250 Milliarden Euro. Auch in Spanien erreichen die faulen Kredite ein Rekordhoch, (mehr hier).

Die deutsche Berenberg-Bank warnte Ende Mai 2013, während eines neuen Stresstests für die Banken in der Eurozone könne eine „Kapitallücke“ von 300 bis 400 Milliarden Euro konstatiert werden.

Da jedoch der permanente „Rettungsschirm“ ESM ermächtigt wurde, die Banken bei Bedarf zu refinanzieren, um sie zu „retten“, dürften auf die Steuerzahler noch einige Überraschungen warten.


Mehr zum Thema:  

Anzeige
DWN
Finanzen
Finanzen Die Edelmetallmärkte

Wegen der unkontrollierten Staats- und Unternehmensfinanzierung durch die Zentralbanken im Schatten der Corona-Krise sind derzeitig...

DWN
Politik
Politik DWN-Kommentar: Deutsche müssen über Abschiebungen diskutieren - mit aller Vorsicht
26.04.2024

Liebe Leserinnen und Leser, jede Woche gibt es ein Thema, das uns in der DWN-Redaktion besonders beschäftigt und das wir oft auch...

DWN
Politik
Politik Tourismus-Branche: „In Hotellerie und Gastgewerbe ist noch nichts wieder in Ordnung“
26.04.2024

Die deutsche Tourismus-Branche, also Hotellerie und Gastronomie, firmiert neuerdings unter dem neuen Sammelbegriff „Gastwelt“ - auch um...

DWN
Unternehmen
Unternehmen Bürokratieabbau: Ministerin fordert mehr Widerstandsfähigkeit und Effizienz
26.04.2024

Rheinland-Pfalz ist ein mittelständisch geprägtes Land. Gerade kleinere Betriebe hadern mit zu viel bürokratischem Aufwand.

DWN
Politik
Politik Hybride Bedrohungen: Drohnen-Flüge und psychologische Kriegsführung
26.04.2024

Bundesverteidigungsminister Boris Pistorius hat eindringlich vor hybriden Bedrohungen in Deutschland gewarnt. Gegen den Einsatz von...

DWN
Weltwirtschaft
Weltwirtschaft Gallup-Studie: Globale Führungsbewertung 2024 - wie Deutschland unter Großmächten abschneidet
26.04.2024

Die Gallup-Studie 2024 zeigt die Stabilität und Herausforderungen in der globalen Führungsbewertung für Länder wie USA, Deutschland,...

DWN
Politik
Politik Habeck kontert Kritiker: „Energiekrise gemeistert und Strompreise gesenkt“
26.04.2024

Nach Kritik an Atomausstieg: Habeck und Lemke bestätigen, die Energieversorgung sei gesichert und nukleare Sicherheit gewährleistet.

DWN
Technologie
Technologie Künstliche Intelligenz: Wie sich Deutschland im internationalen Rennen positioniert
26.04.2024

Die Deutsche Industrie macht Tempo bei der KI-Entwicklung. Das geht aus einer kürzlich veröffentlichten Analyse des Deutschen Patent- und...

DWN
Immobilien
Immobilien Commerzbank-Studie: Immobilienpreise könnten weiter fallen
26.04.2024

Deutsche Wohnimmobilien verlieren weiter an Wert. Die Commerzbank sieht ein Abwärtspotenzial von 5 bis 10 Prozent, abhängig von...