Politik

Kehrtwende: IWF gibt Forderung nach Schuldenschnitt für Griechenland auf

Lesezeit: 2 min
31.08.2015 00:05
Weil die europäischen Steuerzahler die Rückzahlung der IWF-Kredite übernommen haben, rückt der IWF nun offenbar von seiner noch vor wenigen Wochen vehement vorgetragenen Forderung nach einem Schuldenschnitt für Griechenland ab. IWF-Chefin Christine Lagarde will den Posten behalten und muss sich zu diesem Zweck der Unterstützung von Angela Merkel versichern. Ihr dürfte in diesen Tagen das jähe Ende der Karriere ihres Vorgängers Dominque Strauss-Kahn vor Augen stehen.
Kehrtwende: IWF gibt Forderung nach Schuldenschnitt für Griechenland auf

Mehr zum Thema:  
Benachrichtigung über neue Artikel:  

IWF-Chefin Christine Lagarde vollzieht offenbar eine Kehrtwende in der Frage nach einem Schuldenschnitt für Griechenland auf: Schuldenerleichterungen seien nach Ansicht von Lagarde ausreichend, um das Euro-Land wieder auf die Beine zu bringen. "Wir sprechen nicht über den Erlass von Schulden", sagte Lagarde in einem Interview der Schweizer Zeitung Le Temps vom Samstag. Verhandelt werde vielmehr über eine Verlängerung von Kreditlaufzeiten, eine Senkung von Darlehenszinsen sowie die Stundung von Zahlungen. Eine solche Umstrukturierung der Verbindlichkeiten sollte reichen, damit die Griechen ihre derzeit nicht tragfähigen Schulden in den Griff bekommen. Lagarde äußerte sich nicht zu der Frage, ob sich der Internationale Währungsfonds (IWF) auch am dritten Hellas-Kreditpaket in Höhe von 86 Milliarden Euro beteiligt.

Diese Position ist neu: Noch vor wenigen Wochen hatte der IWF eine Berechnung vorgelegt, der zufolge nur ein massiver Schuldenschnitt Griechenland entlasten könne. Doch die Aussicht, dass die europäischen Steuerzahler nun die Schulden für Griechenland übernehmen und damit auch die Rückzahlungen der IWF-Kredite sichergestellt ist, scheint diese Berechnungen obsolet zu machen.

Der IWF hatte sich in der Griechenland-Debatte für Schuldenerleichterungen eingesetzt. Griechenlands Geldgeber aus der Euro-Zone wie vor allem die Bundesregierung hatten jedoch einen regelrechten Schuldenschnitt ausgeschlossen. Lagarde erklärte in dem Interview, eine Debatte über einen Schuldenschnitt sei nie eröffnet worden. "Ich denke nicht, dass es nötig ist, sie zu anzufangen, wenn die Sache gut läuft."

Unlängst hatte auch der Chef des Euro-Rettungsfonds ESM, Klaus Regling, erklärt, ein Schuldenschnitt scheide als Option aus. Regling sagte zudem, er rechne mit einer IWF-Beteiligung am neuen Kreditpaket.

IWF-Chefin Christine Lagarde, die in heißen Phase der Griechenland-Debatte abgetaucht war, unternimmt mit diesem sehr überraschenden Vorstoß offenbar den Versuch, Wahlkampf in eigener Sache zu betreiben: Lagarde möchte eine weitere Periode auf dem Posten verbringen und muss dazu rechtzeitig sicherstellen, keine mächtigen Widersacher aufkommen zu lassen. Ein Konflikt mit Angela Merkel, mit der sie seit langem gut befreundet ist, ist in diesem Kontext nicht wünschenswert.

Der englischsprachige Dienst von Reuters enthüllt zum Thema des Schuldenstreits zwischen der EU und dem IWF einige interessante Details: Demnach waren die Franzosen unter Nicholas Sarkozy bereits 2010 strikt gegen die Einbeziehung des IWF. Doch Angela Merkel soll darauf bestanden haben: Sie misstraute der EU-Kommission, die keine Krisenerfahrung habe. Doch bereits 2011 sollen sich die Stimmen im IWF gemehrt haben, die einen Schuldenschnitt für unerlässlich hielten: Der damalige IWF-Chef Dominque Strauss-Kahn macht sich sich höchstpersönlich auf den Weg nach Berlin, um Merkel einen Schuldenschnitt abzuringen. Er kam jedoch nur bis zum New Yorker Kennedy-Airport: Wegen einer Affäre mit einem Zimmermädchen in einem New Yorker Hotel wurde Strauss-Kahn aus dem startbereiten Flugzeug geholt und verhaftet. Er verlor seinen Job. Seine geplante Diskussion mit Merkel über den Schuldenschnitt fand nie statt.

Inhalt wird nicht angezeigt, da Sie keine externen Cookies akzeptiert haben. Ändern..


Mehr zum Thema:  

OGLAS
DWN
Ratgeber
Ratgeber Auf die Zukunft setzen: Energie professionell managen

Die aktuelle Energiekrise bewegt deutsche Unternehmen. Angesichts steigender Energiepreise macht sich Verunsicherung breit. Gleichzeitig...

DWN
Politik
Politik Uranmunition für die Ukraine: Kriegsverbrechen mit Ansage

Das britische Verteidigungsministerium hat bestätigt, dass Großbritannien zusammen mit den Challenger 2 Panzern Munition mit...

DWN
Finanzen
Finanzen Der nächste Dominostein? Märkte wetten auf Pleite der Deutschen Bank

Die Rettung der Credit Suisse war nur der erste Dominostein in der Bankenkrise. Die Finanzmärkte haben sich jetzt auf die Deutsche Bank...

DWN
Politik
Politik Raketen unter dem Radar: Steht ein neues atomares Wettrüsten bevor?

Russland und die USA haben mehrere Abkommen zur gegenseitigen Kontrolle ihrer Kernwaffen aufgekündigt. Eine gefährliche...

DWN
Unternehmen
Unternehmen Energie, Inflation und Fachkräftemangel belasten die Gastronomie-Branche

Die Gastronomie hat sich kaum vom Lockdown-Schock erholt, da ziehen schon die nächsten Gewitterwolken am Himmel auf. Steigende...

DWN
Technologie
Technologie Wärmepumpe soll zum Standard in Neubau- und Altbauten werden

Ab 2024 sollen Wärmepumpen Öl- und Gasheizungen ersetzen. Die Pläne sorgen für Verunsicherungen bei Hauseigentümern. Dieser Beitrag...

DWN
Finanzen
Finanzen Damoklesschwert Goodwill in DAX-Unternehmen

Die Höhe der durch die DAX-Unternehmen ausgewiesenen Geschäfts- oder Firmenwerte hat in den 14 Jahren seit der Finanzkrise sehr stark...

DWN
Weltwirtschaft
Weltwirtschaft China und Brasilien verzichten im Handel auf den Dollar

China erzielt einen weiteren Erfolg gegen den US-Dollar. Der Handel mit Brasilien soll künftig nur noch in den Währungen der beiden...

DWN
Weltwirtschaft
Weltwirtschaft Mohn-Anbau-Verbot in Afghanistan: Europa besorgt wegen Fentanyl

Das Anbauverbot von Mohn in Afghanistan führt in Europa zu einem Mangel an Heroin. Drogenabhängige könnten nun auf das viel...