Politik

Putin: Nur Allah weiß, warum die Türkei unser Flugzeug abgeschossen hat

In Anspielung auf den islamischen Hintergrund der Regierung Erdogan hat Präsident Putin den Abschuss eines Kampfjets als Kriegsverbrechen bezeichnet. Während Putin Erdogan scharf kritisiert, lobt er das türkische Volk ausdrücklich. Die religiöse Anspielung ist auch eine Botschaft in Richtung der ganzen muslimischen Welt.
03.12.2015 12:35
Lesezeit: 2 min

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Russlands Präsident Putin hat bei seiner Rede an die Nation einen interessanten Zusammenhang zwischen der islamistischen Ausrichtung der Regierung Erdogan und dem Abschuss einer russischen Maschine durch die Türkei hergestellt.

Moskau wisse nicht, warum die Türkei die russische Maschine abgeschossen habe, sagte Putin am Donnerstag vor Abgeordneten, Ministern und Gouverneuren bei seiner jährlichen Ansprache an die Nation. „Wahrscheinlich weiß nur Allah, warum sie das getan haben. Wahrscheinlich hat Allah entschieden, die Machtclique in der Türkei zu bestrafen, indem er ihnen Vernunft und gesunden Menschenverstand entzieht“, sagte der russische Präsident. Es sei „nicht das letzte Mal“, dass Russland die Türkei an das erinnere, was sie getan habe, „und nicht das letzte Mal, dass sie bereuen wird“, was sie getan habe.

Die Anspielung auf Allah ist bedeutsam, weil sie sowohl einen Kontext zum islamistisch motivierten Terror von religiösen Extremisten herstellt als auch eine indirekte Botschaft an all jene Muslime ist, die die Vorherrschaft im Islam in Teheran und nicht in der Türkei sehen. Beide Staaten wetteifern nämlich darum, die Vorreiterrolle in der islamischen Welt zu übernehmen. Putin sieht Erdogan hier als Problem und nicht als Lösung. Erst vor wenigen Tagen sagte Putin, Erdogan betreibe eine gefährliche Islamisierung der Türkei. Bei seinem Besuch in Teheran am 23. November überreichte Putin dem Obersten Geistlichen des Iran, Ayatollah Ali Khamenei, eine Kopie des ersten gebundenen Korans – eine klare Geste in Richtung der Weltgemeinschaft des Islam.

Ansonsten bestand die Rede aus der zu erwartenden Rhetorik, der man allerdings nicht allzuviel Gewicht beimessen sollte – was man schon an den verschiedenen Relativierungen in der Rede erkennen kann: „Wir werden nicht mit den Säbeln rasseln, wir werden keine kurzfristigen oder unüberlegten Handlungen setzen, die die Sicherheit Russlands oder der Welt gefährden. Aber wenn jemand glaubt, nach einem solch schändlichen Kriegsverbrechen, dem Mord an unseren Mitbürgern, mit Tomaten oder Sanktionen im Baubereich oder anderen Gebieten quitt zu sein, hat er sich schwer getäuscht“, sagte Putin mit Blick auf die von Russland verhängten Wirtschaftssanktionen nach dem Abschuss.

Putin für die Galerie im In- und Ausland: Russland werde den Akt „niemals vergessen. Wir werden diese Komplizenschaft mit Terroristen niemals vergessen. Wir haben Verrat immer als eine der niedrigsten Taten betrachtet. Lasst jene in der Türkei, die unseren Piloten in den Rücken geschossen haben, dies wissen. Sie werden bereuen, was sie getan haben.“

Zugleich sagte Putin, dass sich der Zorn der Russen nicht gegen das türkische Volk richte: „Die türkischen Bürger sind gut, talentiert und arbeiten hart. Wir haben eine Menge alter und verlässlicher Freunde in der Türkei. Ich möchte betonen, dass ich sie nicht mit jenem Teil der herrschenden Elite gleichsetze, welche die direkte Verantwortung für die Toten unseres Einsatzes in Syrien tragen.“

Putin hat als erster internationaler Politiker die Vorwürfe thematisiert, dass der türkische Präsident Recep Tayyip Erdogan zur Finanzierung der Terror-Miliz Islamischer Staat (IS) beizutrage, indem die Türkei ihr Erdöl abkaufe. Putin bekräftigte am Donnerstag den Vorwurf der Zusammenarbeit der Türkei mit „Terroristen“.

Erdogan hatte Russland am Mittwoch „Verleumdung“ vorgeworfen und gefordert, die Vorwürfe zu beweisen. Am Donnerstag verurteilte Erdogan russische Äußerungen als „unmoralisch“, wonach seine eigene Familie in Ölhandel mit dem IS verwickelt sei. „Meine Familie in diese Sache zu verwickeln ist die unmoralische Seite dieser Angelegenheit“, sagte Erdogan in einer Fernsehansprache.

Ankara sieht sich seit geraumer Zeit Vorwürfen ausgesetzt, die Dschihadisten zu unterstützen. So hat eine unabhängige Studie ergeben, dass die Islamisten den türkischen Hafen für ihre Ölgeschäfte verwenden.

Auch die Russen haben am Mittwoch umfangreiche Belege vorgelegt. Diese sind jedoch nicht von unabhängiger Seite bestätigt und daher mit Vorsicht zu genießen. Allerdings hat sich Russland bereit erklärt, das gesamte Material den UN vorzulegen und sich einer unabhängigen Überprüfung seiner Behauptungen zu stellen. Die Nachrichtenagentur Reuters schreibt, dass „konkrete Belege“ für die Kollaboration der Türkei mit den Terroristen „rar“ seien – was eine interessante Nuance darstellt: Denn dies bedeutet, dass es Belege gibt. Bisher war das Thema in der Öffentlichkeit unter den Tisch gekehrt worden, um die Nato-Operationen in der Region nicht zu gefährden.

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