Finanzen

Konjunktur: Bundesbank sieht keinen Anlass für Schwarzmalerei

Lesezeit: 2 min
09.02.2016 16:48
Bundesbank-Präsident sieht keinen Anlass zur Schwarzmalerei wegen der wirtschaftlichen Lage. Folker Hellmeyer von der Bremer Landesbank sieht dagegen durchaus ernste Gefahren für die Weltwirtschaft am Horizont. Das größte Risiko sind aus seiner Sicht die destabilisierenden Regime-Change-Aktionen in der Geopolitik.
Konjunktur: Bundesbank sieht keinen Anlass für Schwarzmalerei

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Bundesbank-Chef Jens Weidmann sieht, wie Reuters meldet, die Konjunkturentwicklung mit Blick auf die schwächere Entwicklung in China und den Verfall der Rohstoffpreise eingetrübt, bleibt jedoch ostentativ zuversichtlich: "Zur Schwarzmalerei besteht aus meiner Sicht aber kein Anlass."

Folker Hellmeyer von der Bremer Landesbank, naturgemäß ein rationaler Optimist, sieht in seinem Forex Report allerdings durchaus Anzeichen einer ernsten Krise. Er neigt eigentlich nicht zu Superlativen, analysiert jedoch diesmal das große Thema "Kernschmelze" an den Märkten:

Kernschmelze an Finanzmärkten oder Übertreibung?

Die Bewegung an den Finanzmärkten ist dramatisch. Sie impliziert nach klassischem Textbuch bezüglich der Ausgeprägtheit der Einbrüche an den Aktienmärkten, kollabierenden Renditen im Staatsanleihemarkt mit guter Bonität eine Kernschmelze in der Weltwirtschaft und die nächste globale Finanzkrise nach dem Muster 2008/2009.

Diese Implikation kannn jedoch auch in Frage gestellt werden: Hängt die hohe Volatilität und aktuelle Negativtendenz nicht auch damit zusammen, dass die Märkte heute strukturell extrem anfällig sind?

Prozyklischer technischer Handel im Bereich von Nanosekunden schafft keine belastbare Liquidität. Die Regulierung (u.a. Verbot des Eigenhandels) wirkt schussendlich Krisen verschärfend, da dadurch belastbare Liquidität und der Faktor Mensch nachhaltig geschwächt wurden und weiter werden. Fakt ist, dass Märkte nicht mehr faire Bewertungen im Rahmen einer sachlichen Diskontierung der zukünftigen Cash-Flows bieten.

Weltwirtschaft:

Indien wächst stärker, China bleibt ein belastbarer Treiber der Weltwirtschaft mit mindestens 6,5% Wachstum. Die Umsetzung der Projekte „one road, one belt“ und Seidenstraße gehen ab Mitte 2016 in die Umsetzung und werden dauerhaft unterstützende Auswirkungen auf den Rohstoffsektor und damit auf Rohstoffproduzenten haben. Die Eurozone ist im stabilen Fahrwasser nahe der Potentialwachstumsrate.

Die USA waren 2015 die herbe makroökonomische Enttäuschung und werden es auch 2016 sein. Derzeit ergibt sich ein voraussichtlicher globaler Wachstumspfad zwischen 3,0% - 3,5%. Ist dieser Flirt der US-Wirtschaft mit der Rezession mangels Strukturreformen ausreichend für eine globale Kernschmelze?

Geopolitik:

Das Thema Geopolitik bleibt in der Tat ein latenter Belastungsfaktor für die Weltwirtschaft, insbesondere für Europa und den arabischen Raum.

Es ist an der Zeit, neue Wege einzuschlagen und dabei zu überprüfen, warum dieses Chaos angerichtet wurde. Dabei ist die Politik des „Regime Change“ einer kritischen Würdigung zu unterziehen.

Fazit:

Eine Kernschmelze kann aus geopolitischen Gesichtspunkten nicht ausgeschlossen werden. Die Weltwirtschaft bietet im jetzigen Zustand keine Grundlage für ein derartiges Fiasko. Die Marktbewegungen finden wesentlichen Teil der Grundlagen in veränderten Marktbedingungen, die Prozyklizität erhöhen. Ergo sind Risiken ernst zunehmen, noch überwiegen Charaktermerkmale der Übertreibung.

Die Europäische Zentralbank (EZB) wird nach Weidmans Einschätzung wegen des Ölpreis-Verfalls ihre Inflationsprognose zurücknehmen müssen. Der starke Rückgang des Rohstoffs drücke auf die Teuerungsrate, sagte Weidmann am Dienstag in Paris nach dem deutsch-französischen Finanz- und Wirtschaftsministerrat. Die Inflation werde daher nun erst später als bislang erwartet wieder steigen, "weshalb die Inflationsvorhersage für dieses Jahr wohl substanziell gesenkt werden muss". Momentan geht die EZB für den Euro-Raum 2016 von einer Teuerung von einem Prozent im Jahresdurchschnitt aus.

Ob und welche Konsequenzen die EZB daraus ziehen wird, ließ Weidmann offen. Die Notenbank verfolgt schon seit geraumer Zeit eine ultra-lockere Geldpolitik, unter anderem mit milliardenschweren Anleihenkäufen und einem Leitzins nahe null Prozent. Damit will sie unter anderem eine Abwärtsspirale bei den Preisen verhindern. Eine solche Deflation kann die Wirtschaft auf Jahre lähmen, weil sich Verbraucher dann zurückhalten, Unternehmen weniger verdienen und Investitionen aufschieben.


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