Bundeskanzlerin Angela Merkel drängt die EU dazu, der türkischen Forderung nach höheren Geldzahlungen zur Versorgung syrischer Bürgerkriegsflüchtlinge entgegenzukommen. Wenige Tage vor dem EU-Gipfel äußerte sie auf einer CDU-Wahlveranstaltung im baden-württembergischen Haigerloch am Samstag Unverständnis über die lange EU-Debatte dazu. Die Türkei möchte zusätzlich zu den bereits vereinbarten drei Milliarden für die Versorgung von Flüchtlingen 2018 eine Anschlussfinanzierung von weiteren drei Milliarden Euro erhalten. "Wir wissen doch, dass alles, was bei uns passiert, viel teurer ist und für die Flüchtlinge vielleicht nicht einmal besser. Deshalb halte ich das für absolut richtig", sagte sie. Schließlich komme das Geld Flüchtlingen zugute, zitiert Reuters die Kanzlerin.
Österreich hingegen bekräftigte seine Skepsis gegenüber einer engen Kooperation mit der Türkei in der Flüchtlingsfrage. "Es ist richtig, mit der Türkei zusammenzuarbeiten, aber nicht um jeden Preis", sagte Innenministerin Johanna Mikl-Leitner der "Welt am Sonntag". Die Regierung in Wien treibt daher ihre nationalen Maßnahmen voran. "Es ist davon auszugehen, dass die Flüchtlinge versuchen werden, nach der Schließung der Balkanroute auf anderen Routen auszuweichen", sagte Mikl-Leitner. Daher bereite die Regierung sich darauf vor, die österreichische Grenze auch an anderen Übergängen zu sichern. Neben Spielfeld habe man Kontrollen für zwölf weitere Orte im Fokus - "optional mit Zäunen, Gittern, Containern und Überprüfungen durch Polizisten und Soldaten".
Auch die Schweiz bereitet sich auf neue Flüchtlingsbewegungen vor. Die Schweizer Armee ist laut NZZ bereit, innerhalb kurzer Zeit zur Verstärkung der Polizei an die Grenzen vorzurücken. Die Schweizer gehen davon aus, dass sich die Flüchtlinge und Migranten nach der Schließung der Balkan-Grenze über Italien nach Norden durchschlagen wollen. Die Schweizer haben bereits im Januar deutlich mehr Asylanträge als im Januar 2015 gesehen. Wenn das Wetter wieder besser wird, erwartet man in der Schweiz einen weiteren Anstieg.
Die Türkei hat den Europäern angeboten, alle Flüchtlinge und Migranten aufzunehmen, die über das Land und Griechenland in die EU einreisen. Dafür fordert die Regierung in Ankara unter anderem neben einer schnelleren Visaliberalisierung eine Anschlussfinanzierung der Flüchtlingshilfe ab 2018.
Österreichs Innenministerin allerdings machte erhebliche Vorbehalte gegen die türkischen Forderungen geltend. Das gilt vor allem für die geforderte Visafreiheit für Türken in der EU. Eine Regierung damit zu belohnen, das gerade erst die Pressefreiheit im Lande massiv untergrabe, wäre "ein mehr als bedenkliches Signal", warnte sie. Um eine beschleunigte Visafreiheit zu erhalten, müsse die Türkei zahlreiche Bedingungen erfüllen. Auch in der CSU gibt es massive Bedenken gegen die Visafreiheit.
Bundesinnenminister Thomas de Maiziere räumte Versäumnisse in der deutschen Flüchtlingspolitik ein. Nach seiner Auffassung sollte Europa nun mit einem Bündel von Maßnahmen mehr dafür tun, den Zuzug von Menschen zu kontrollieren. Neben einem wirksameren Schutz der EU-Außengrenze plädiert er für die beschleunigte Einführung eines Reise-Registers im Schengen-Raumm, flankiert von einem umfassenderen Informationsaustausch in Europa über Flüchtlings- und Reise-Ströme. Das Register soll darüber Aufschluss geben, wer aus Drittländern in das Schengen-Gebiet einreist und wann er es wieder verlassen hat. "Ein neues System mit Visa- und biometrischen Daten könnte uns warnen, wenn ein Drittstaatsangehöriger seine Aufenthaltsfrist überzieht", sagte er der Welt. Es gehe um einen wirksameren Kampf nicht nur gegen illegale Migration, sondern auch gegen Terroristen und Kriminelle.
Unterdessen wurde bekannt, dass die deutschen Polizei-Streifenboote "Uckermark" und "Börde", die in der Ägäis die griechische Küstenwache unterstützen, im Meer aufgegriffene Flüchtlinge nach Griechenland bringen, nicht aber in die Türkei. Grund ist nach Angaben des Innenministeriums, dass die Bundespolizisten im Einsatz dem Weisungsrecht der griechischen Grenzpolizei unterlägen. Diese lasse Flüchtlinge auf eigenes Gebiet bringen.