Trotz der auf null gesenkten Zinsen hat die EZB nach Ansicht ihres Chefvolkswirts Peter Praet noch Spielraum für eine geldpolitische Lockerung, wie Reuters meldet. „Wie man bei anderen Notenbanken sieht, haben wir rein technisch noch nicht das untere Ende erreicht“, sagte der Belgier am Freitag der italienischen Zeitung La Repubblica. In einigen Staaten sind die Leitzinsen unter null - etwa in der Schweiz oder auch in Dänemark. Sollte sich Störfeuer von außen ergeben oder die Finanzierungsbedingungen in der Euro-Zone sich nicht wie erhofft verbessern, bleibe eine Zinssenkung eine Option.
Die wieder aufgeflammten Spekulationen auf weitere Zinssenkungen der EZB haben den Aufwärtstrend des Euro am Freitag gestoppt. Die Gemeinschaftswährung fiel bis auf 1,1257 Dollar zurück, nachdem sie am Donnerstag zeitweise auf ein Fünf-Wochen-Hoch von 1,1342 Dollar geklettert war. „Die Aussagen von Praet rücken die Möglichkeit einer weiteren geldpolitischen Lockerung im Euro-Raum sicherlich wieder stärker in den Fokus“, sagte ein Händler. „Einige Anleger nutzen dies und machen nach der jüngsten Euro-Rally Kasse.“
Nach dem umfangreichen Maßnahmenpaket der EZB in der vergangenen Woche hatten sich viele Investoren darauf eingestellt, dass sie nun erst einmal auf neue Geldgeschenke verzichten müssen. Jetzt sehe es so aus, als ob die Notenbanker die Geldschleusen weiter offen hielten, schrieb Antoine Bouvet, Stratege bei der Mizuho Bank, in einem Kommentar. Am Rentenmarkt ließen die Reaktionen auf die Äußerungen Praets ebenfalls nicht lange auf sich warten. Die Rendite der zehnjährigen portugiesischen Staatsanleihen fiel auf ein Sieben-Wochen-Tief von 2,675 Prozent. Deutsche Papiere warfen zeitweise nur noch 0,198 Prozent nach 0,233 Prozent im Schlussgeschäft vom Donnerstag.
Die Europäische Zentralbank (EZB) hatte den Leitzins vorige Woche erstmals auf null Prozent gesetzt. Zudem weitete sie das Volumen ihrer Anleihekäufe auf 80 von bislang 60 Milliarden Euro monatlich aus und damit stärker als erwartet. EZB-Chef Mario Draghi kündigte zudem an, künftig im Rahmen des großangelegten Bondprogramms auch Firmenanleihen zu erwerben. Der Strafzins für Geschäftsbanken wurde zudem nochmals verschärft. Der sogenannte Einlagensatz wurde auf minus 0,4 Prozent von bislang minus 0,3 Prozent herabgesetzt.
Damit wird es für die Institute noch teurer, wenn sie überschüssige Gelder über Nacht bei der Notenbank parken. Statt Geld zu horten, sollen sie verstärkt Kredite vergeben und damit der Konjunktur Auftrieb verleihen. Diesem Ziel ist die EZB jedoch auch nach Jahren der kontinuierlich gesteigerten expansiven Geldpolitik nicht wirklich näher gerückt. Stattdessen zeigt sich, dass die Negativzinsen teils schwerwiegende Nebenwirkungen haben, die beispielsweise die Renditemöglichkeiten der Geschäftsbanken belasten. Diese denken deswegen bereits über eine Weitergabe der Kosten an die Kunden nach. Die Negativzinsen haben zudem zur Folge, dass große institutionelle Anleger verstärkt Bargeld oder Gold horten.
*** Bestellen Sie den täglichen Newsletter der Deutschen Wirtschafts Nachrichten: Die wichtigsten aktuellen News und die exklusiven Stories bereits am frühen Morgen. Verschaffen Sie sich einen Informations-Vorsprung. Anmeldung zum Gratis-Newsletter hier. ***