Politik

Russland und Türkei: Putin sagt Erdogan Unterstützung zu

Lesezeit: 3 min
18.07.2016 02:33
Russlands Präsident Putin hat dem türkischen Präsidenten Erdogan seine Unterstützung in der Staatskrise in der Türkei zugesagt. Es sei nicht hinnehmbar, dass demokratisch gewählte Politiker durch das Militär gestürzt würden. Deutsche Politiker gingen dagegen auf Distanz zu Erdogan und zweifeln am EU-Beitritt der Türkei.
Russland und Türkei: Putin sagt Erdogan Unterstützung zu

Mehr zum Thema:  
Benachrichtigung über neue Artikel:  

Inhalt wird nicht angezeigt, da Sie keine externen Cookies akzeptiert haben. Ändern..

Russlands Präsident Putin hat nach dem gescheiterten Putsch-Versuch seine Unterstützung für den türkischen Präsidenten Erdogan bekräftigt: „Wladimir Putin sagte im Zusammenhang mit einer kleinen Gruppe, die in der Nacht zum 16. Juli die demokratisch gewählten türkischen Autoritäten stürzen wollte, dass Russlands Haupthaltung für verfassungsfeindlicher Handlungen und Gewaltanwendungen in das Leben eines Landes für kategorisch inakzeptabel hält (…) Recep Tayyip Erdogan wurde angesichts der Opfer unter den Zivilisten und Strafverfolgungsbehörden, die sich gegen die Putschisten erhoben hatten, Beileid ausgesprochen“, zitiert die Nachrichtenagentur Tass den Kreml aus einer Mitteilung.

Die BRICS Post analysiert, dass der Putschversuch in der Türkei sich eindeutig gegen die Interessen Russlands richtete. Doch Russland müsse aus dem Putschversuch seine Lehren ziehen, denn Russland und die Türkei seien sich politisch-strukturell sehr ähnlich und es gebe keine Garantie dafür, dass nicht auch Russland Zielscheibe eines Putschversuchs werden könnte.

„Ein Bruch zwischen Ankara und den NATO-Staaten hat sich nun seit Monaten erweitert und die Tatsache, dass der vermeintliche Drahtzieher des Putsches sich in den USA befindet, lässt Öl ins Feuer gießen. Diese Krise ist eine einzigartige Gelegenheit für Moskau, sich als Ankaras wichtigsten Verbündeten zu positionieren, indem Unterstützung für Erdogans Festigung seiner Macht gegeben wird und das Vorgehen gegen seine Gegner, was bereits auf dem Weg ist, ignoriert wird, was wiederum der Westen nicht machen würde. Eine weitere Entfremdung zwischen Ankara und Europa und den USA könnte sehr vorteilhaft für Moskau sein, insbesondere in Bezug auf die Beziehungen zu Europa.“

Brüssel sei zunehmend frustriert über die Unfähigkeit der Türkei, den Flüchtlingsstrom nach Europa zu stoppen und könnte deshalb um politische Unterstützung in Moskau buhlen. Zahlreiche europäische Politiker hatten zuvor vorgeschlagen, dass Putin der beste Partner wäre, um das Flüchtlingsproblem in den Griff zu bekommen, so die BRICS Post.

Das Blatt wörtlich: „Allerdings wurde die Idee kontinuierlich abgebürstet. Brüssel kann auf diesen Vorschlag zurückkommen, wenn Russland eine mächtige Vermittlerrolle zur Türkei übernimmt. Auf diese Weise könnte Russland Hebel sowohl in der Türkei als auch in Syrien haben, die zwei Voraussetzungen für den Umgang mit der Flüchtlingskrise sind.“

Zahlreiche deutsche Politiker gingen nach dem Putsch-Versuch auf Distanz zu Erdogan. Wenn Erdogan die Situation ausnutze, "um weitere Verfassungsrechte einzuschränken, dann werden die Beitrittsverhandlungen schwierig bis unmöglich", sagte der Vorsitzende des Auswärtigen Ausschusses im Europaparlament, Elmar Brok (CDU), dem Handelsblatt.

Der deutsche EU-Kommissar Günther Oettinger (CDU) hat den türkischen Staatspräsidenten Recep Tayyip Erdogan gewarnt, nach dem gescheiterten Militärputsch die demokratischen Grundrechte weiter einzuschränken. "Ich erwarte, dass wir unsere Kooperation streng nach rechtsstaatlichen Prinzipien und gemäß unserer Werte fortsetzen", sagte Oettinger der Welt.

Sollte Erdogan den Putsch nun nutzen, um die demokratischen Grundrechte in der Türkei weiter einzuschränken, entferne er sich von den Werten der EU und der Nato, sagte der EU-Kommissar. "Er würde damit seine Position zwar innenpolitisch stärken, doch er würde sich außenpolitisch isolieren", warnte Oettinger.

Der Putschversuch sei auch kein Grund, dem türkischen Staat mehr Handlungsfähigkeit im Anti-Terror-Kampf zu geben. "Putschisten sind Straftäter, doch sie sind keine Terroristen", sagte der Digitalkommissar. "Die Minderheiten im Parlament sowie die Medien im Land brauchen Freiheiten. Die sollten nicht eingeschränkt werden."

Der Vorsitzende des Europa-Ausschusses im Bundestag, Gunther Krichbaum (CDU), forderte die türkische Regierung auf, die demokratischen Prinzipien einzuhalten. Unrecht dürfe nicht mit Unrecht bekämpft werden, sagte er dem Blatt. "Eher geht ein Kamel durch ein Nadelöhr, als dass ein undemokratischer Staat Mitglied der EU wird." SU-Generalsekretär Andreas Scheuer forderte, nun die Beitrittsverhandlungen ernsthaft zu überdenken. "Wer es spätestens bis jetzt nicht gemerkt hat: Die EU-Türkei-Politik muss vollständig auf den Prüfstand."

SPD-Fraktionsvize Rolf Mützenich sagte dem Kölner Stadt-Anzeiger: "Die Bundeskanzlerin muss sich deutlicher äußern als sie das in der Vergangenheit getan hat." Zudem müsse es auch öffentliche Signale geben, etwa Treffen mit der Opposition. "Ich kann der Kanzlerin nur raten, das gesamte türkische Parlament zur Kenntnis zu nehmen", sagte Mützenich.

Eine Beendigung der EU-Beitrittsverhandlungen lehnte er ab. "Die Verhandlungen sind immer noch ein Instrument, um auf die Verhältnisse in der Türkei einzuwirken", sagte Mützenich. Die Gespräche würden aber durch das Vorgehen der Regierung in Ankara erschwert.

Die EU hatte ihre Verhandlungen mit der Türkei über einen EU-Beitritt im Juni ausgeweitet. Beide Seiten vereinbarten damals den Beginn von Gesprächen über Verhandlungskapitel 33 zu Haushaltsfragen. Die Eröffnung hatten die EU-Staats- und Regierungschefs Ankara im März im Gegenzug für die Rücknahme von Flüchtlingen aus Griechenland versprochen.


Mehr zum Thema:  

Anzeige
DWN
Panorama
Panorama Halbzeit Urlaub bei ROBINSON

Wie wäre es mit einem grandiosen Urlaub im Juni? Zur Halbzeit des Jahres einfach mal durchatmen und an einem Ort sein, wo dich ein...

DWN
Weltwirtschaft
Weltwirtschaft OWZE-Prognose 2024: Minimales Wirtschaftswachstum für Deutschland erwartet
02.05.2024

Die Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OWZE) geht von einem minimalen Wirtschaftswachstum für Deutschland...

DWN
Finanzen
Finanzen Deutschland im Investitionstief: Rückgang setzt Wirtschaft unter Druck
02.05.2024

Deutschlands Attraktivität für ausländische Investitionen schwindet weiter: 2023 markiert den niedrigsten Stand seit 2013. Manche...

DWN
Politik
Politik 1.-Mai-Demonstrationen: Gewerkschaften fordern dringend Gerechtigkeit
02.05.2024

Am Tag der Arbeit kämpfen Gewerkschaften für bessere Arbeitsbedingungen. Ihre Spitzenvertreter betonten die Notwendigkeit von...

DWN
Politik
Politik Militärhistoriker Lothar Schröter im DWN-Interview: Die Folgen des Massenmords von Odessa 2014
02.05.2024

Der Militärhistoriker Lothar Schröter ordnet im DWN-Interview den Massenmord in Odessa vom 2. Mai 2014 ein. Dabei geht er auch auf die...

DWN
Politik
Politik DWN-Interview: Ukraine-Krieg - Zehn Jahre nach dem Massenmord von Odessa
02.05.2024

Am 2. Mai 2014 ist es in der ukrainischen Stadt Odessa zu einem Massenmord gekommen, bei dem fast fünfzig Menschen qualvoll ums Leben...

DWN
Technologie
Technologie Infineon vor herausforderndem Quartal: Augenmerk auf Zukunftsaussichten
02.05.2024

Der Chiphersteller Infineon sieht schwieriges Quartal voraus, mit moderaten Rückgängen und angespanntem Automobilmarkt. Wie geht es...

DWN
Finanzen
Finanzen Bitcoin als Geldanlage: „Das ist gleichzusetzen mit einem Besuch im Casino“
02.05.2024

Bitcoin entzweit trotz neuer Kursrekorde die Anlegergemeinschaft. Die einen halten große Stücke auf den Coin, die anderen sind kritisch....

DWN
Immobilien
Immobilien Balkonkraftwerk mit Speicher: Solarpaket könnte Boom auslösen - lohnt sich der Einbau?
01.05.2024

Balkonkraftwerke aus Steckersolargeräten werden immer beliebter in Deutschland. Insgesamt gibt es aktuell über 400.000 dieser sogenannten...