Finanzen

Jens Weidmann an Südeuropa: Wir lassen uns nicht erpressen

In einem Interview an mehrere südeuropäische Zeitungen richtet sich Bundesbank Chef Jens Weidmann direkt an die Länder und spricht Klartext: Sollte sich Griechenlands neue Regierung nicht an die Vereinbarungen halten, würde die finanzielle Hilfe beendet werden, so der Bundesbank-Chef Jens Weidmann. Man wolle sich nicht erpressen lassen.
15.06.2012 11:55
Lesezeit: 1 min

Zwar sei es eine demokratische Entscheidung, wer in Griechenland am Wochenende gewählt werde, aber auch die neue griechische Regierung sei an bestehende Vereinbarungen gebunden, sagte Bundesbank-Chef Jens Weidmann in einem gemeinsamen Interview für mehrere süderopäische Zeitungen (El Pais und Publico/Spanien, Kathimerini/Griechenland, Corriere della Sera/Italien). Wenn die Regierung sich entscheiden würde, sich einseitig aus dem Hilfsprogramm zurück zu ziehen, „würde es aus meiner Sicht bedeuten, dass die Basis für eine weitere finanzielle Hilfe nicht mehr gegeben ist“. Griechenland müsste dann entsprechend die Konsequenzen tragen. „Wir alle werden betroffen sein, aber meine Einschätzung ist, dass es Griechenland schlechter gehen wird als allen anderen“, fügte er hinzu. Auf die Frage, ob es denn eine Möglichkeit gebe, Teile des Rettungspaketes neu zu verhandeln, antwortete Jens Weidmann, dass er es für eine „gefährliche Strategie“ halte. Eine Änderung der Bedingungen würde den Ländern schaden, die diese bereits umsetzen.

Eine Antwort bezüglich möglicher Notfallpläne für den Fall, dass Griechenland den Euro verlässt, wollte Jens Weidmann jedoch nicht geben. „Ich rede nicht über Notfallpläne.“ Zudem könne man sich nicht mit dem Risiko der Ansteckung von einem Land erpressen lassen. Das „Ergebnis eines möglichen Übergreifens der Krise nicht sein, dass man akzeptiert, was eine Regierung einseitig beschlossen hat“. Zwar könne nur Griechenland über einen Austritt entscheiden, aber es werde ohne finanzielle Hilfe „sehr schwierig“, in der gemeinsamen Währungsunion zu verbleiben. Schon eine einjährige Verlängerung des Programms sei „eine politische Entscheidung, die negative Folgen für die Union als Ganzes haben würde“.

Den Wachstumspakt hält Jens Weidmann grundsätzlich für möglich. „Unser Problem in Europa ist es, das Wachstumspotenzial zu erhöhen. Wenn wir über einen Wachstumspakt debattieren, sollte dieser sich auf langfristiges Wachstum und deshalb auf strukturelle Reformen fokussieren”. Projekt-Bonds für Infrastrukturprojekte beispielsweise, wie sie bereits diskutiert werden, sieht der Bundesbank-Chef eher kritisch. „Für Infrastruktur? Ich bin überzeugt, dass Spanien und andere Länder nicht unter fehlender Infrastruktur leiden“. Ihm fehle eine „adäquate Analyse”. “Wenn es ein Hindernis für Investitionen gebe, zum Beispiel in Griechenland, dann sei es eher zu viel Bürokratie und ein ineffizientes Steuersystem.“ Um etwa der jüngere Generation eine Perspektive zu geben, müsse man das Problem an der Wurzel packen. „Es geht um die Struktur der Wirtschaft, nicht um zeitlich begrenzte Anreize“, so Jens Weidmann.

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