Politik

EU verteidigt Christen-Beleidigung in Polen: Kunst soll schocken!

Dem polnischen Musiker Adam Darski droht in seinem Land eine Strafe wegen der „Verletzung religiöser Gefühle“. Die EU kritisierte die polnische Justiz: Die Freiheit der Beleidigung von Religionen sei ein europäischer Wert - sofern es sich nicht um den Islam handelt, den man lieber nicht beleidigen sollte.
15.12.2012 01:43
Lesezeit: 1 min

Adam Darski, dem Frontmann der polnischen Band Behemoth, droht eine Verurteilung wegen der „Verletzung religiöser Gefühle“. Das Oberste Gericht seines Landes kassierte das Urteil eines Danziger Gerichts, das den Musiker freigesprochen hatte. Bereits im Jahr 2007 hatte Darski bei einem Konzert seiner Band eine Bibel zerrissen und die Katholische Kirche als „mörderische Sekte“ bezeichnet. Daraufhin wurde er von polnischen Behörden angezeigt. Allerdings sprach ein Danziger Gericht den Musiker in erster Instanz frei. Es folgte der Verteidigung in dem entscheidenden Punkt, dass bei Darskis Konzert lediglich die eigenen Fans zugegen waren und somit keine „religiösen Gefühle“ verletzt worden seien, so die Gazeta Wyborcza.

Der Fall wurde jedoch an das Oberste Gericht weitergegeben, das den Fall anders sah. Es vertrat die Auffassung, dass Darski sich dessen bewusst war, dass sein Handeln die „religiösen Gefühle“ anderer verletzen könnte - auch wenn diese gerade nicht anwesend seien. Und das könnte für einen Schuldspruch genügen. Nun muss das Danziger Gericht neu entscheiden, ob Darski „religiöse Gefühle“ verletzt hat. Dem Musiker drohen bis zu zwei Jahre Haft.

Zu dem Fall hat sich nun passenderweise die EU-Kommission zu Wort gemeldet - die in diesem Fall erklärterweise nicht zuständig ist, weil das Verhältnis von Kirche und Religionen immer noch nationalstaatliches Recht ist. Dennoch fühlte sich die Kommission bemüßigt, die polnische Justiz zu rüffeln: Eine mögliche Verurteilung des Musikers durch die polnische Justiz widerspreche den europäischen Werten. Die EU-Staaten müssten internationale Verträge wie die EU-Menschenrechtskonvention respektieren, die auch von Polen unterzeichnet wurde. Das Recht auf freie Meinungsäußerung beschütze nicht nur Gedanken, die gern gehört würden, sondern auch solche, die „beleidigen, schockieren oder verstören“, teilt die Kommission in einem Sendschreiben mit.

In Polen kommt die Zurechtweisung durch Brüssel gar nicht gut an. Mehrere polnische Parlamentarier empörten sich über die Einmischung von der EU, berichtet das polnische Nachrichtenportal Interia. Außerdem halten viele Christen des Landes die Kritik der EU für unfair, da die EU die Beleidigung des Islam oder von Homosexuellen kritisiere und gleichzeitig Christenbeleidiger verteidige, so Interia.

Erst kürzlich musste ein türkischer TV-Sender 25.000 Euro Strafe zahlen, weil den Behörden die Darstellung Gottes in einer Folge der Simpsons nicht passte: Der Teufel traf Gott zu einem Kaffee-Kränzchen. Auch in diesem Zusammenhang wurde mit der Beleidigung der Religion argumentiert (mehr hier). Vor der EU ist zu diesem Vorfall keine Stellungnahme bekannt - obowhl sie ihre Stimme gerade im Hinblick auf die immer noch laufenden Beitrittsgespräche mit der Türkei hätte erheben können.

Mehr zum Thema
article:fokus_txt
Anzeige
DWN
Finanzen
Finanzen Experten-Webinar: Ist Bitcoin das neue Gold? – Chancen, Risiken und Perspektiven

Inflation, Staatsverschuldung, geopolitische Unsicherheiten: Viele Anleger fragen sich, wie sie ihr Vermögen in Zeiten wachsender...

X

DWN Telegramm

Verzichten Sie nicht auf unseren kostenlosen Newsletter. Registrieren Sie sich jetzt und erhalten Sie jeden Morgen die aktuellesten Nachrichten aus Wirtschaft und Politik.
E-mail: *

Ich habe die Datenschutzerklärung gelesen und erkläre mich einverstanden.
Ich habe die AGB gelesen und erkläre mich einverstanden.

Ihre Informationen sind sicher. Die Deutschen Wirtschafts Nachrichten verpflichten sich, Ihre Informationen sorgfältig aufzubewahren und ausschließlich zum Zweck der Übermittlung des Schreibens an den Herausgeber zu verwenden. Eine Weitergabe an Dritte erfolgt nicht. Der Link zum Abbestellen befindet sich am Ende jedes Newsletters.

DWN
Technologie
Technologie SaaS ist tot – die Zukunft gehört der KI, nicht Ihrer Plattform
01.06.2025

Niemand will die Nutzung Ihrer Plattform lernen – Unternehmen wollen Ergebnisse. Künstliche Intelligenz ersetzt Tools durch fertige...

DWN
Panorama
Panorama EU-Reform könnte Fluggastrechte deutlich schwächen
01.06.2025

Von Verspätungen betroffene Fluggäste haben in Zukunft möglicherweise deutlich seltener Anspruch auf Entschädigung. Die EU-Staaten...

DWN
Wirtschaft
Wirtschaft Wettlauf um die Zukunft: Wie die USA ihre technologische Überlegenheit retten wollen
01.06.2025

China wächst schneller, kopiert besser und produziert billiger. Die USA versuchen, ihre Führungsrolle durch Exportverbote und...

DWN
Unternehmen
Unternehmen Freelancer: Unverzichtbare Stütze in flexiblen Arbeitswelten
01.06.2025

Trotz Homeoffice-Boom bleibt die Nachfrage nach Freelancern hoch. Warum Unternehmen auf Projektarbeiter setzen, wo die Vorteile liegen –...

DWN
Politik
Politik „Choose Europe“: Brüssel will Gründer mit Kapital halten
31.05.2025

Die EU startet einen neuen Wachstumsfonds, der Start-ups mit Eigenkapital unterstützen und in Europa halten soll. Doch Geld allein wird...

DWN
Wirtschaft
Wirtschaft Energiewende umgekehrt: US-Firmen fliehen vor Trumps Klimapolitik – nach Europa
31.05.2025

Während Trump grüne Fördermittel in den USA kürzt, wendet sich die Clean-Tech-Branche von ihrer Heimat ab. Jetzt entstehen in Europa...

DWN
Politik
Politik Ärztepräsident warnt vor „Versorgungsnotstand“
31.05.2025

Ärztepräsident Klaus Reinhardt warnt vor Beeinträchtigungen im medizinischen Netz für Patienten, wenn nicht bald Reformen zu mehr...

DWN
Finanzen
Finanzen Gesetzliche Erbfolge: Wer erbt, wenn es kein Testament gibt
31.05.2025

Jeder kann selbst bestimmen, wer seine Erben sein sollen. Wer das allerdings nicht durch ein Testament oder einen Erbvertrag regelt und...