Deutschland

Bundesregierung setzte Drohnen rechtswidrig zur Überwachung der Bürger ein

Euro-Hawk-Drohnen der Bundeswehr haben bei Testflügen private Mobilfunk-Kommunikation abgehört, ohne die zuständigen Datenschutz-Beauftragten zu informieren. Das getestete System kann im zivilen Bereich etwa zur Überwachung von Bürgerprotesten eingesetzt werden.
02.09.2013 00:43
Lesezeit: 2 min

Mit der Euro-Hawk-Drohne kann jede funkgebundene Kommunikation ausspioniert werden. Handys werden ebenso aufgespürt wie Mikrowellen oder startende Fahrzeuge. Die Einsatzmöglichkeiten gehen aber weit über den militärischen Bereich hinaus. Beim Betrieb des Systems hat die Bundeswehr den Datenschutz grob missachtet.

Weder für bereits durchgeführte Euro-Hawk-Testflüge noch für den geplanten Serienbetrieb habe die Bundeswehr die vorgeschriebenen Datenschutzkonzepte erstellt, sagte Andrej Hunko, Bundestagsabgeordneter für die Linke. Er kritisiert, dass sich die Datenschutzbeauftragten des Bundes (BfDI) erst selbst bei der Bundeswehr melden mussten.

„Hier zeigt sich erneut ein katastrophales Verständnis von Datenschutz: Die zuständigen [Datenschutz-]Beauftragten des Bundes und der Bundeswehr werden höchstens informiert, nicht aber eingebunden. Jedoch greifen die Aufklärungs- und Spionagedrohnen weit in die Bürgerrechte ein. Das eigentlich vorgeschriebene Datenschutzkonzept wurde wohl bewusst ignoriert – ein ungeheuerlicher Vorgang angesichts einer Spionagedrohne, die jede elektromagnetische Strahlung erfasst.“

Es gehe nicht an, dass die Bundeswehr zur Einhaltung des Datenschutzes erst gezwungen werden müsse, so Hunko. Auch für Testflüge des Euro Hawk-Prototypen sei erst auf Drängen der G-10-Kommission sichergestellt worden, dass die Löschung aufgezeichneter privater Telekommunikation von einem Juristen kontrolliert wird.

Das Fehlen eines Datenschutzkonzepts sei ihm zunächst verheimlicht worden, kritisiert Hunko. Dies ergebe sich aus den Akten für den Untersuchungsausschuss des Euro-Hawk. Zudem würden Anfragen der Linken zu Drohnen stets mehrere Wochen verschleppt. Doch nun dränge auch der Datenschutzbeauftragte des Bundes auf mehr Informationen zur Spionagedrohne und dem mitgeführten Signalerfassungssystem ISIS.

ISIS ist eine Überwachungsplattform, die fliegende Überwachungstechnik mit einer Bodenstation zusammenführt. Die Bundeswehr führt noch bis September Testflüge in der Nähe von München durch, um die Funktionalität des Gesamtsystems zu analysieren. Die Bundesregierung sprach in ihrem Einsatzkonzept von „ressortübergreifenden“ Einsätzen.

Die Funktionalitäten des Systems gehen sogar über die der von der NATO eingesetzten AWACS-Flugzeuge hinaus, berichtet netzpolitik.org. ISIS könne nicht nur den Mobilfunk abhören, sondern sogar die elektromagnetische Strahlung von startenden Fahrzeugen oder Mikrowellen empfangen. Weil dabei jedoch immense Daten anfallen, die nicht in Echtzeit zum Boden übermittelt werden können, erfolgt eine Verarbeitung bereits an Bord.

In einer von der Linken in Auftrag gegebenen Studie zum Einsatz von ISIS heißt es:

„Das ISIS-System im Euro Hawk kann bei 15 Kilometer Flughöhe in einem Umkreis von bis zu ca. 400 Kilometern alle Funksignale auffangen, anpeilen, aufzeichnen und zur Bodenstation übertragen, die stark genug sind, um von den Empfängern aufgenommen zu werden. Dazu gehören auch Mobilfunksignale, insbesondere die der Sendemasten, welche mittels Richtantennen von ISIS selektiv empfangen werden können.“

„ISIS wäre bei einem Einsatz im Inneren, z.B. bei einem G8-Protestszenario, in der Lage, ein flächendeckendes Bild über die Kommunikationsstruktur der Protestierenden z. B. auch über Handfunkgeräte, Satellitentelefone und WiFi zu generieren und durch seine Peilfunktionen ein permanentes Lagebild über Aufenthaltsorte von Protestierenden auch in einem größeren Gebiet zu geben.“

Nach dem Aus für das Euro-Hawk-Projekt ist noch unklar, wie die ISIS-Überwachungstechnik künftig genutzt werden soll. Mangelnder Datenschutz ist derzeit nicht der einzige Vorwurf gegen Verteidigungsminister Thomas de Maizière. Er steht auch erneut wegen Steuerverschwendung bei einem umstrittenen Helikopterkauf in der Kritik (mehr hier).

Mehr zum Thema
article:fokus_txt
X

DWN Telegramm

Verzichten Sie nicht auf unseren kostenlosen Newsletter. Registrieren Sie sich jetzt und erhalten Sie jeden Morgen die aktuellesten Nachrichten aus Wirtschaft und Politik.
E-mail: *

Ich habe die Datenschutzerklärung gelesen und erkläre mich einverstanden.
Ich habe die AGB gelesen und erkläre mich einverstanden.

Ihre Informationen sind sicher. Die Deutschen Wirtschafts Nachrichten verpflichten sich, Ihre Informationen sorgfältig aufzubewahren und ausschließlich zum Zweck der Übermittlung des Schreibens an den Herausgeber zu verwenden. Eine Weitergabe an Dritte erfolgt nicht. Der Link zum Abbestellen befindet sich am Ende jedes Newsletters.

DWN
Finanzen
Finanzen „Banknoten-Paradoxon“: Milliarden unter den Matratzen - Bargeldmenge steigt weiter
15.06.2025

Ungeachtet der stetig abnehmenden Bedeutung von Scheinen und Münzen beim alltäglichen Einkauf steigt die im Umlauf befindliche...

DWN
Unternehmen
Unternehmen Resilienz als strategischer Imperativ: Carlsberg und Davos-Forum fordern neue Unternehmenslogik
15.06.2025

Krisen, Krieg, KI und Klimawandel: Carlsberg und das Weltwirtschaftsforum rufen Unternehmen auf, Resilienz nicht als Reaktion, sondern als...

DWN
Wirtschaft
Wirtschaft Der ESG-Betrug: Wie Konzerne Moral simulieren
15.06.2025

Konzerne feiern Nachhaltigkeit, während ihre Bilanzen eine andere Sprache sprechen. Zwischen Greenwashing, Sinnverlust und Bürokratie:...

DWN
Panorama
Panorama Leben auf einem Eismond? - Astrobiologe auf Spurensuche
15.06.2025

Dicke Eiskruste und bis zu minus 200 Grad - klingt nicht gerade angenehm. Warum der Saturnmond Enceladus auf der Suche nach außerirdischem...

DWN
Unternehmen
Unternehmen Kritik oder Mobbing? Wie Sie den feinen Unterschied erkennen
15.06.2025

Mobbing beginnt oft harmlos – mit einem Satz, einem Blick, einer E-Mail. Doch wann wird aus Kritik systematische Zermürbung? Dieser...

DWN
Wirtschaft
Wirtschaft Das neue Magazin ist da: Das können wir gut - wo Deutschland in Zeiten von KI, Transformation und Globalisierung überzeugt
15.06.2025

Was kann Deutschland gut? Diese Frage mag auf den ersten Blick einfach erscheinen, fast schon trivial. Doch in einer Zeit, in der das Land...

DWN
Wirtschaft
Wirtschaft „Kleinkrieg“ um Lkw-Plätze: Autoclub kritisiert Überfüllung
15.06.2025

Auf und an Autobahnen in Deutschland fehlen viele tausend Lkw-Stellplätze – nach einer Kontrolle an Rastanlagen beklagt der Auto Club...

DWN
Politik
Politik Machtverschiebung in Warschau: Der Aufstieg der Nationalisten bringt Polen an den Abgrund
15.06.2025

In Polen übernimmt ein ultrakonservativer Präsident die Macht – während die liberale Regierung um Donald Tusk bereits ins Wanken...