Finanzen

Geldanlage: Warnung vor der Illusion der Sicherheit

Lesezeit: 6 min
10.01.2017 23:06
Eine Analyse aller Anlageklassen zeigt: Sparer und Anleger dürfen sich nicht auf die Versprechungen von Regierungen verlassen. Immobilien, Aktien und Fonds sind nicht ohne Risiko - bieten aber bei nüchterner Abwägung durchaus Chancen.

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Die wichtigste Erkenntnis: Sparer und Anleger müssen wissen, dass ihre Feinde die Regierungen sind. Anleger müssen alle Strategien rund um diese Erkenntnis bauen. Die traditionellen Grundlagen der Vermögensbildung stimmen nicht mehr. Die Basis sollten Spareinlagen bei der Bank bilden. Die Zinsen sind minimal und die Gelder selbst sind gefährdet, weil im Krisenfall Einlagen nicht mehr unbedingt geschützt sind, sondern sogar zur Sanierung der jeweiligen Bank herangezogen werden können.

Das zweite Element sollte in Staatsanleihen bestehen, die als sicher gelten und eine solide Verzinsung garantieren. Die Finanzlage der Euro-Staaten ist kritisch und die Zinsen sind niedriger als die Geldentwertung. Bei den Immobilien werden die hohen Preise als Alarmsignal gesehen. Somit verbleibt als einzig attraktive Sparte jener Bereich, der vor allem in Mitteleuropa stets als risikoreich von den meisten gemieden wurde – die Investition in attraktive Unternehmen mit einem zukunftsträchtigen Geschäftsmodell. Die Welt der Sparer und Anleger hat sich grundlegend verändert.

Drei Nachrichten bestimmen den Jahresauftakt, die Sparer und Anleger dazu treiben, sich unter diesen ungünstigen Umständen doch nach attraktiven Strategien umzusehen:

Staatsanleihen fungieren nicht mehr als Anker in einem Vermögen

Eines müssen die Investoren jedenfalls zur Kenntnis nehmen – sie haben entscheidende Feinde und das sind die Staaten und vor allem die Euro-Staaten, die in einer verzweifelten Lage sind und daher nach den Erträgen und den Vermögen greifen.

Zur Orientierung:

  • Die Euro-Staaten produzieren derzeit ein Defizit in der Größenordnung von 190 Milliarden Euro. Wenn die Zinsen nur um 1 Prozent steigen, springt der Betrag auf 280 Milliarden Euro. Das klingt enorm, ist aber unvermeidlich, weil die Schulden schon 9.000 Milliarden betragen und 1 Prozent eben 90 Milliarden entspricht.
  • Die Steuern und Abgaben im Euro-Raum liegen schon bei viel zu hohen 50 Prozent der Wirtschaftsleistung, jede weitere Anhebung erstickt die Wirtschaft. Die Staaten haben also bei den Einnahmen keinen Spielraum mehr.
  • Im Endeffekt sind die Niedrigzinsen eine Vermögensteuer: Die Sparer und Anleger werden geschröpft und die Staaten sind die Hauptnutznießer der niedrigen Zinsen.

Diese Umstände müssen so klar unterstrichen werden, weil traditionell Staaten ideale Partner der Anleger sind: Staaten gehen nicht unter wie andere Schuldner. Staaten sind kontinuierlich auf dem Markt präsent. Die Verzinsung der Anleihen hält in der Regel die Inflation ab und ermöglicht darüber hinaus eine Realverzinsung. Alle diese Bedingungen sind schon seit längerem nicht mehr gegeben und werden auch in absehbarer Zeit nicht wieder hergestellt. Dies bedeutet, dass die Staatsanleihen nicht mehr als solider und ruhiger Anker in den Veranlagungen eingesetzt werden können.

Die Position der Banken hat sich dramatisch verändert

Traditionell sind Sparer und Anleger in Mitteleuropa risikofeindlich und suchen Sicherheit. Dieses Verhalten hat nicht nur die Staatsanleihen zu den beliebtesten Anlageformen gemacht, aus diesem Grund wurden auch Banken stets als ideale Partner angesehen: Vom simplen Sparbuch über die Obligationen der Institute – Pfandbriefe, Kommunalbriefe, Anleihen – bis hin zu den Bank-Aktien konnte man die verschiedensten Instrumente nutzen. Banken galten als sicher und die Einlagen-Sicherungssysteme sorgten für eine zusätzliche Absicherung.

Diese Logik war auch durch das System begründet: Banken waren die Geldsammelstellen und sorgten über die Veranlagung für die breite Streuung der Mittel bei den Unternehmen und den Haushalten. Über den Mittler Bank war jeder einzelne Sparer in der Gesamtwirtschaft investiert, ohne selbst das Risiko der einzelnen Veranlagung tragen zu müssen.

Dieses System funktioniert nicht mehr: Die EU-Regeln behindern das Bankgeschäft nachhaltig. Alle Banken des Euro-Raums hatten Ende 2012 etwa 11.042,1 Milliarden Kredite an Unternehmen und Private vergeben, Ende September 2016, fast vier Jahre später, waren es 10.752,1 Milliarden

Außerdem bestimmen die EU-Regeln, dass mit kleinen Einschränkungen die Einlagen der Bank-Kunden im Falle einer Krise zur Sanierung des jeweiligen Instituts herangezogen werden und notfalls untergehen.

Die Investition in Immobilien muss gut kalkuliert sein

Die Reaktion der Anleger auf diese immer deutlicher werdenden Faktoren führte in den vergangenen Jahren zur verstärkten Investition in Immobilien, die naturgemäß die Preise in die Höhe trieb. Wie lauteten die Warnungen zu Beginn des Jahres 2017? Weltweit ist eine Immobilien-Blase zu beobachten, die jederzeit platzen könnte! Tatsächlich sind die Preise in vielen Regionen extrem hoch, doch empfiehlt sich eine sachliche, nüchterne Analyse. Schließlich sind Realitäten stets eine interessante Anlageform.

Bei einem Preisverfall der Immobilien werden für den einzelnen Anleger stets folgende, durchaus maßgebliche Konsequenzen betont:

  • Die Immobilie wurde zu einem Preis gekauft, der beim Verkauf nicht mehr erlöst werden kann.
  • Zudem wurde möglicherweise der Kauf mit Krediten finanziert, denen durch den Preisverfall kein entsprechender Wert mehr gegenübersteht.
  • Der Käufer ist finanziell nicht in der Lage, die Kredite zu bedienen oder den Verlust zu verkraften.

Allerdings sind diese Faktoren nicht allein entscheidend. Im Vordergrund sollten die Bewertungen der Immobilie stehen:

  • Welchen Ertrag wirft die Immobilie ab und welche Verzinsung ergibt sich in Relation zum ursprünglichen Kaufpreis. Dieses Maß ist beim Kauf zu beachten und behält seine Gültigkeit, auch wenn durch die Marktverhältnisse der Preis sinkt.
  • Man kann davon ausgehen, dass die Investition unter diesen Umständen nachhaltig sinnvoll war. In der Regel erholen sich die Preise nach dem Platzen einer Immobilien-Blase wieder.
  • Tendenziell steigen die Preise in allen Ballungsräumen kontinuierlich, da die Weltbevölkerung wächst und die Konzentration in den Städten zu Lasten der ländlichen Räume anhält.
  • Die Alarmrufe dürfen somit nicht überbewertet werden, außer man hat eine Immobilie teuer erworben, die keinen Ertrag abwirft und auch nicht zu erträglichen Konditionen vermietet werden kann. Derartige Investitionen sorgen aber auch ohne Immobilien-Blase für unlösbare Probleme.

Kritisch ist allerdings, wie derzeit bei allen Finanzierungen, das von den EU-Regeln erzwungene Verhalten der Banken. Ist man bei Immobilien-Investitionen auf einen Kredit angewiesen und verschlechtert sich die wirtschaftliche Lage des Investors, so muss die Bank auf die Bremse treten. Die rechtzeitige Sicherung von Rahmen erweist sich mehr denn je als unverzichtbare Vorsichtsmaßnahme.

Die Sparer und Anleger sind im Kapitalmarkt angekommen

Die Sparer und Anleger müssen zur Kenntnis nehmen, dass die sicheren Investitionen nicht mehr sicher sind und die Chancen nutzen, die sich auf dem Kapitalmarkt ergeben: Die Veranlagung in tüchtige Firmen verspricht einen attraktiven Ertrag und stellt den Kauf von Staatspapieren oder die Dotierung von Sparbüchern in den Schatten.

Allerdings muss man die Bedenken zur Kenntnis nehmen. Kursverluste an den Aktienbörsen und spektakuläre Firmenpleiten würden immer wieder beweisen, dass das Risiko groß sei. Die Investition in Unternehmen sei doch mit dem Besuch eines Kasinos zu vergleichen. Diese Einstellung resultiert aus der Missachtung der Grundregeln, die es auch in diesem Bereich sehr wohl gibt und die dafür sorgen, dass der Vergleich mit der Spielbank falsch ist.

Zwei entscheidende Fragen sind zu beantworten: Handelt es sich um eine bereits erfolgreiche, etablierte Firma? Oder geht es um ein neues Unternehmen, das interessante Projekte verfolgt, aber noch keine Ergebnisse vorweisen kann. Beide Varianten sind attraktiv, nur unterliegen sie anderen Bedingungen:

Jedes bestehende Unternehmen hat eine Ertragsgeschichte, die die Qualität aufzeigt, ohne dass man der Illusion nachhängen darf, dass Gewinne von gestern Erfolge von morgen garantieren. Der Gewinn je Aktie muss in Relation zum Kurs gesehen werden. Beträgt der Gewinn 5 Euro, so bedeutet ein Kaufpreis je Aktie von 100 Euro, dass man 5 Prozent Verzinsung akzeptiert. Der Anleger entscheidet, ob er vielleicht 200 zu zahlen bereit ist, dann entsprechen die 5 Euro nur mehr 2,5 Prozent. Die Kurs-Gewinn-Relation oder englisch price-earning-ratio ist ein Schutz vor Kasino-Erlebnissen.

Neue Unternehmen müssen mit einem Konzept überzeugen. Da hilft keine Kurs-Gewinn-Relation, da sind die Anleger gefordert: Jede und jeder muss sich fragen, ob die in Aussicht gestellten Projekte den Markt erobern werden. Da mag es Gutachten und Experten-Meinungen geben, letztlich ist die Zukunft nicht prognostizierbar. Aber: Die Kurse derartiger Unternehmen sind meist sehr niedrig, man geht also kein größeres Risiko ein, hat aber die Chance auf beachtliche Gewinne. Hier deckt sich die Geld-Anlage auch mit der Herausforderung für die Einzelnen, wie sie sich persönlich ihre berufliche Zukunft unter den sich dramatisch ändernden Bedingungen vorstellen.

Zudem bieten Unternehmens-Anleihen eine Möglichkeit, das beim Aktienkauf gegebene unmittelbare Risiko zu minimieren und dennoch in der aktiven Wirtschaft investiert zu sein.

Fonds und Versicherungen bieten Schutz, sind aber auch gefordert

Für viele ist der Gedanke, selbst über zukunftsträchtige Projekte Überlegungen anzustellen, unrealistisch. Es ist auch tatsächlich kein einfacher Ansatz. Er ergibt sich aber aus der Tatsache, dass durch die modernen Technologien, durch die Digitalisierung, durch Industrie 4.0, durch Internet und andere Faktoren sich die Gegebenheiten in allen Bereichen grundlegend ändern. Hier sei nur daran erinnert, dass der Kurs der Apple-Aktie davon abhängt, ob das jeweils neueste iPhone beim Publikum ankommt. Ist dies nicht der Fall, stürzt der Kurs um 30 und mehr Prozent ab. Ein anderes Beispiel: Niemand kann sagen, ob sich das reine Elektroauto durchsetzt oder die Hybrid-Version gewinnt. Oder: Wie entwickeln sich die einzelnen Unternehmen im Internet?

Somit neigen die meisten Anleger verständlicherweise zum Kauf von Fondsanteilen und zum Abschluss von Lebensversicherungen, sodass zwei unbestrittene Vorteile genutzt werden:

  • Die Mittel werden breit gestreut.
  • Profis beobachten ständig den Markt und reagieren auf der Basis von Kenntnissen, die dem einzelnen nicht zur Verfügung stehen.

Nur: Auch die Experten sehen sich ständigen und umfassenden Änderungen gegenüber und können nicht garantieren, dass sie immer die richtigen Maßnahmen treffen. Die EU versucht zwar mit dem Regelwerk MiFID die Anleger zu schützen und verpflichtet die Manager zu umfangreichen Dokumentationen und Risiko-Analysen, doch viele Entwicklungen sind einfach nicht vorhersehbar.

Fonds und Versicherungen, die trotz der niedrigen Zinsen in Anleihen und insbesondere in Staatsanleihen investieren, bieten eine Entlastung für Anleger.

Der Kauf einer einzelnen Niedrigzins-Anleihe löst einen mehrfachen Verlust aus:

  • Die laufende Verzinsung deckt nicht die Inflation ab, sodass ein Realverlust entsteht.
  • Handelt es sich um eine Anleihe mit Minus-Zinsen, so summieren sich der Abschlag und die Inflation.
  • Wenn die Zinsen wieder steigen, sinkt automatisch der Kurs der Anleihe.

    In einem Fonds oder einer klassischen Lebensversicherung, die dominant in Staatsanleihen veranlagt, wird das Problem entschärft. Durch den laufenden Ankauf von Anleihen kommt es zur Mischung von höher und von niedriger verzinsten Papieren. Man profitiert in der Niedrigzinsphase von den älteren Papieren. Wenn die Zinsen wieder steigen, ziehen die neuen Papiere den Ertrag in die Höhe und mildern die Verluste aus der Niedrigzinsphase.

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Ronald Barazon war viele Jahre Chefredakteur der Salzburger Nachrichten. Er ist einer der angesehensten Wirtschaftsjournalisten in Europa und heute Chefredakteur der Zeitschrift „Der Volkswirt“ sowie Moderator beim ORF. 

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Ronald Barazon war viele Jahre Chefredakteur der Salzburger Nachrichten. Er ist einer der angesehensten Wirtschaftsjournalisten in Europa und heute Chefredakteur der Zeitschrift „Der Volkswirt“ sowie Moderator beim ORF.


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