Finanzen

Deutsche Sparer: Das Geld auf dem Konto schmilzt einfach ab

Lesezeit: 4 min
12.02.2017 01:32
Die deutschen Sparer sind wegen ihrer Risikoscheu besonders anfällig für die finanzielle Repression. Diese aber nimmt in der Kombination von Strafzinsen und Inflation nun Fahrt auf, wie Max Otte erklärt.
Deutsche Sparer: Das Geld auf dem Konto schmilzt einfach ab

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Auf 5,7 Billionen Euro taxiert die DZ Bank unser Geldvermögen nach ihren vorläufigen Berechnungen für das Jahr 2016. Das ist ein Plus von 230 Milliarden Euro gegenüber dem Vorjahr. Zum Vergleich: Das Bruttoinlandsprodukt der Bundesrepublik betrug 2016 nahezu nur die Hälfte davon: 3,1 Billionen Euro.

Wir Deutsche sind also Spar-Europameister. Unsere Sparquote erreicht mit 9,8 Prozent den Spitzenplatz im Euroraum. Aber wir wissen nichts mit unserem Geld anzufangen. 70 Prozent des Gelvermögens schlummern auf Sparbüchern, Tagesgeldkonten, in Lebensversicherungen oder im Sparstrumpf zu Hause – allesamt Anlageformen, die praktisch keinerlei Rendite mehr erwirtschaften. Zum Jahreswechsel erst wurde die Garantieverzinsung für Lebensversicherungen auf gerade einmal 0,9 Prozent gesenkt. Aktuell zahlt die Commerzbank 0,55 Prozent auf das Tagesgeld und die Berliner Sparkasse 0,2 Prozent auf das Sparbuch. Mit exakt 0 Prozent pro anno will die Sparkasse Leipzig ihre Kunden für das Sparbuch begeistern. Und Deutschlands größte Sparkasse, die Hamburger Sparkasse (Haspa), führte unlängst sogar Negativzinsen für ihre Firmenkunden ein.

Wir Deutschen scheuen das Risiko. Nach zwei (im Westen) oder sogar drei Enteignungen (im Osten) ist das verständlich. Genau diese Risikoscheu führt allerdings dazu, dass wir schleichend ein drittes (bzw. viertes) Mal enteignet werden.

Das Vermögensbarometer 2016 veranschaulicht die Verunsicherung der deutschen Sparer. Im Auftrag der Sparkassen wurden hier mehr als 1.800 Bürger befragt. Die Ergebnisse machen deutlich, dass viele Deutsche, trotz sinkender Zinsen für Anleihen, weiter auf die vermeintliche Zuverlässigkeit der festverzinsichlichen Wertpapiere setzen. 57 Prozent der Befragten nannten „Sicherheit‟ als wichtigstes Kriterium für ihre Anlageentscheidung. „Rendite‟ rangiert nur auf dem fünften Platz. Und eine Umfrage der Postbank zeigt, dass sich 47 Prozent der Deutschen lieber mit dem zinslosen Girokonto zufrieden geben als sich mit vermeintlich riskanten Aktien zu beschäftigen. Nur 532 Milliarden Euro halten deutsche Anleger aktuell in Form von Unternehmensanteilen. Diese trugen immerhin rund 44 Mrd. Euro zum Vermögenszuwachs der Deutschen im Jahr 2016 bei.

Doch dies ist nur ein Tropfen auf den heißen Stein. Mit ihrem falschen Anlageverhalten betrügt sich die deutsche Mittelschicht selbst, wie es die gar nicht so linke „taz“-Redakteurin Ulrike Hermann in ihrem Buch „Hurra wir dürfen zahlen“ ausführlich beschreibt. Der Grund ist das Zusammenspiel von steigender Inflation und fallenden Zinsen. Konkret heißt das: Sobald die Inflationsrate über dem Zinsniveau einer Geldanlage liegt, verliert diese kontinuierlich an Wert. Aktuell beobachten wir das vor allem beim Bargeld, bei Sparbüchern sowie Tages- und Festgeldkonten. Nehmen wir für Deutschland in einer ersten Näherung Zinsen von 0 Prozent und eine tatsächliche Inflation von 2 bis 3 Prozent an.

In diesem Fall schrumpft die Kaufkraft des in Bargeld, Sichteinlagen und Versicherungen angelegten Vermögens jedes Jahr um 80 bis 120 Milliarden Euro. Das sind immerhin 1.000 bis 1.500 Euro pro Person und Jahr. Diese Berechnung kommt auch den Zahlen nahe, die Markus Grabka vom Deutschen Institut für Wirtschaftsforschung (DIW) für den realen Rückgang des Vermögens je Deutschem in den letzten zehn Jahren errechnet hat. Er kommt zu dem Schluss, dass die deutschen Haushalte zwischen 2003 und 2013 netto 15 Prozent oder je 20.437 Euro eingebüßt haben – den Wert eines Mittelklasseautos. Und nach einer Studie der DZ Bank aus dem April 2015 verloren Sparer, die auf Geldwerte setzten, seit 2010 insgesamt sogar 112 Milliarden Euro.

Derweil freuen sich unsere europäischen Nachbarn über ordentliche Renditen. Abzulesen ist dies am Netto-Geldvermögen (das Vermögen abzüglich der Schulden) pro Einwohner, das in vielen Ländern mit sehr viel niedriger Sparquote deutlich höher ist als bei uns in Deutschland. In den Niederlanden (80.182 Euro pro Kopf im Jahr 2015) und selbst im wirtschaftlich gebeutelten Italien (53.494 Euro) haben die Bürger mehr auf der hohen Kante als wir Deutschen (47.681 Euro).

Der Grund: Die Italiener, Niederländer und viele andere legen ihr Geld sehr viel effektiver an als wir. Laut einer Studie der Allianz-Versicherung erwirtschafteten sie zwischen 2012 und 2015 ein Plus von 4,6 Prozent. Wir Deutsche hingegen haben uns in dieser Zeit mit 2,3 Prozent begnügt.

Mit Sparbüchern und Tagesgeldkonten verlieren Anleger heute Geld. Diese schleichende Enteignung wird von Ökonomen gerne beschönigend „Finanzielle Repression‟ genannt. Der Begriff tauchte erstmals 1973 in den Büchern der Ökonomen Ronald McKinnon („Money and Capital in Economic Development“) und Edward Shaw („Financial Deepening in Economic Development“) auf. Die Regierungen versuchen dabei, durch vielerlei Mittel ihre Schulden abzubauen – bevorzugt durch die künstliche und langanhaltende Senkung der Zinsen (Niedrigzins). Hinzu können auch Eingriffe wie die Regulierung des Kapitalverkehrs, das Verbot bestimmter Anlageprodukte, Sondersteuern für Vermögende, direkte Interventionen auf den Finanzmärkten, die befristete Schließung von Banken und vor allem auch die teilweise Konfiszierung von Bankeinlagen (Bail-In) erfolgen. Zuletzt mussten das im Jahr 2013 die Zyprioten erleben.

Doch das Instrumentarium selbst ist schon sehr viel älter. Von 1919 bis 1923 ließ die Hyperinflation bereits die Sparguthaben unserer Eltern und Großeltern schmilzen.

Heute ist die „finanzielle Repression‟ aus Niedrigzins und (versteckter) Inflation in der Politik wieder akzeptiert, wenn nicht sogar aktiv vorangetrieben. Im Hintergrund arbeiten Think Tanks und transnationale Institutionen bereits an schärferen Maßnahmen. So kommen die Ökonomen Kenneth Rogoff und Carmen Reinhart in ihrer Studie „Financial and Sovereign Debt Crises: Some Lessons and Those Forgotten‟ für den Internationalen Währungsfonds (IWF) zu dem Schluss, dass zukünftig Umschuldungen erforderlich seien, die „weit über alles, was bis jetzt öffentlich diskutiert wurde, hinausgehen‟. Allein über den Niedrigzins könne das Schuldensystem nicht mehr lange aufrecht erhalten werden. Rogoff und Reinhart beschreiben ein Endspiel der globalen Finanzkrise, bestehend aus Inflation und Kapitalverkehrskontrollen, aus einer direkten Umschuldung der Regierungen, direkten Steuern auf Sparguthaben und schleichender Abschaffung des Bargelds.

Anleger also, die ihr Geld auch in Zukunft auf Sparbüchern und Konten parken, bringen ihr Vermögen ernsthaft in Gefahr. Diese „Investments“ kosten Geld, weil sie der laufenden Geldentwertung viel zu geringe Zinsen entgegen setzen. Sie werden kontinuierlich Opfer der „finanziellen Repression‟, der schleichenden Enteignung namens „Inflation“.

Doch zum Glück gibt es Auswege aus dieser Anlagemisere. Spanier, Niederländer und Italiener machen es uns vor, die US-Amerikaner, Briten, Schweden und Belgier ebenso. Sie alle lassen ihr Vermögen auf den Aktienmärkten gedeihen. Dazu mehr in meinem nächsten Artikel.

Max Otte ist Professor für allgemeine und internationale Betriebswirtschaftslehre an der Fachhochschule Worms und Leiter des von ihm gegründeten Finanzanalyseinstituts IFVE Institut für Vermögensentwicklung GmbH in Köln. Im Frühjahr 2011 nahm er zusätzlich einen Ruf an die Karl-Franzens-Universität Graz an. Er hat zahlreiche Artikel in bekannten Zeitungen und Fachzeitschriften und bereits mehrere Bücher zu Wirtschafts- und Kapitalmarktthemen veröffentlicht. Sein Buch "Der Crash kommt", in dem er die Finanzkrise 2008 vorhersagte, wurde zu einem überwältigenden Bestseller. Max Otte hat Volkswirtschaftslehre in Köln studiert und an der Princeton University promoviert. Er war für zahlreiche Unternehmen und Organisationen beratend tätig, u.a. die Weltbank, das Bundesministerium für Wirtschaft und die Vereinten Nationen.

In seinem Vermögensplan bewertet er erfolgversprechende deutsche, österreichische und Schweizer Aktien. 

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