Deutschland

Bundesregierung kündigt weitreichende Eingriffe in die Wirtschaft an

Lesezeit: 2 min
05.02.2019 14:29
Die Bundesregierung hat ihre neue Industriepolitik vorgestellt. Die geplanten Maßnahmen reichen bis zu einer Teilverstaatlichung systemrelevanter Unternehmen.

Mehr zum Thema:  
Benachrichtigung über neue Artikel:  

Ein Rückgang des Lebensstandards, Deutschland als "Erdulder" und "verlängerte Werkbank" anderer Länder: Mit drastischen Worten hat Bundeswirtschaftsminister Peter Altmaier (CDU) vor einem Abrutschen der deutschen Industrie im internationalen Wettbewerb gewarnt - und seine Forderung nach mehr staatlichen Eingriffsmöglichkeiten begründet. Er will in Einzelfällen sogar eine Teilverstaatlichung von Firmen ermöglichen. Aus der Opposition kam scharfe Kritik an Altmaiers Konzept.

Derzeit erlebe die Welt eine "rasante Beschleunigung" von Innovationen, sagte Altmaier bei der Vorstellung seiner "Nationalen Industriestrategie 2030" am Dienstag. Bisherige Produktionsverfahren und ganze Industrien würden von neuen Technologien ersetzt. Wer diese Technologien beherrsche, habe die Chance, "vorne mit dabei zu sein". Wer sie aber "verpennt, wird irgendwann die verlängerte Werkbank von anderen sein", warnte Altmaier. Deutschland müsse in dieser veränderten Welt nicht "Erdulder", sondern müsse "Akteur sein.

Manche Länder versuchten, durch "Protektionismus und Interventionismus" ihrem eigenen Wirtschaftsraum Vorteile zu verschaffen, kritisierte Altmaier mit Blick auf die USA und China. Dies sei nicht marktwirtschaftlich. Deutschland und Europa müssten Wege finden, darauf zu reagieren.

Konkret forderte er unter anderem, die Belastung der Unternehmen durch umwelt- und sozialpolitische Weichenstellungen zu minimieren. Als Beispiele nannte Altmaier hohe Strompreise durch die Energiewende und hohe Sozialabgaben. Außerdem müsse der Staat Innovationen und die Ansiedlung von Schlüsseltechnologien in Deutschland und Europa stärker fördern.

Der CDU-Politiker forderte auch, das Wettbewerbsrecht so zu überarbeiten, dass in bestimmten Fällen Firmenzusammenschlüsse leichter möglich sind, um größere Unternehmen entstehen zu lassen, die international "auf Augenhöhe" sein können. Falls Firmen mit Schlüsseltechnologien Übernahmekandidaten werden, sollten europäische Konkurrenten ermutigt werden zuzugreifen. "In Ausnahmefällen" müsse aber eine ausländische Übernahme auch durch eine Teilverstaatlichung verhindert werden können.

Wichtig sei bei alledem ein klarer Rahmen, betonte Altmaier. Der Staat dürfe nicht "nach Gutsherrenart" entscheiden, wann er eingreife, und dürfe dies nur tun, "wo es um die Wurst geht".

Der FDP reicht diese Einschränkung nicht. Es gehe bei Altmaiers Vorschlägen "letztendlich um Planwirtschaft", erklärte der wirtschaftspolitische Sprecher Reinhard Houben. Stattdessen solle die Wirtschaft bei Steuern und Abgaben entlastet sowie "von bürokratischen Hemmnissen" befreit werden.

Linken-Chef Bernd Riexinger warf Altmaier vor, er handele "nicht im gesellschaftlichen Interesse", sondern überlasse "willfährig weiter Konzernen die Macht". Auch Grünen-Fraktionschef Anton Hofreiter forderte, "statt Großunternehmen zu Megakonzernen aufzublasen, muss sich die Bundesregierung zu klaren ökologischen und sozialen Zielen bekennen".

Der Bundesverband der Deutschen Industrie (BDI) betonte, für ein industriepolitisches Gesamtkonzept der Regierung sei es "höchste Zeit". Altmaiers Papier enthalte "eine Reihe diskussionswürdiger Vorschläge".

Altmaier begrüßte am Dienstag Kritik an seinen Vorschlägen und wünschte sich eine breite Debatte. Am Ende der Diskussion soll seinem Willen nach das Bundeskabinett eine Industriestrategie mitsamt Umsetzungsfahrplan beschließen; zudem soll die Bundesregierung das Thema auch auf europäischer Ebene in den Fokus rücken.


Mehr zum Thema:  

DWN
Unternehmen
Unternehmen Neue Verträge: Nach dem KaDeWe sind auch Oberpollinger und Alsterhaus gerettet
26.07.2024

Die berühmten Flaggschiffe der deutschen Warenhäuser scheinen nach der Pleite des Immobilien-Hasardeurs René Benko endlich gerettet zu...

DWN
Politik
Politik Ukraine-Hilfsgelder von Russland: EU gibt Erträge aus dem eingefrorenen Vermögen frei
26.07.2024

Die Europäische Union hat jetzt die ersten Zinserträge aus dem im Westen eingefrorenem russischen Staatsvermögen freigegeben. Die...

DWN
Politik
Politik Der Chefredakteur kommentiert: Islamisches Zentrum Hamburg - ein längst überfälliges Verbot, Frau Faeser!
26.07.2024

Liebe Leserinnen und Leser, jede Woche gibt es ein Thema, das uns in der DWN-Redaktion besonders beschäftigt und das wir oft auch...

DWN
Politik
Politik Bundeskanzler Scholz zu irregulärer Migration: „Die Zahlen müssen runter“
26.07.2024

Erwerbsmigration nach Deutschland sei erwünscht, meint der Kanzler. Problematisch findet er unerlaubte Einreisen. Eine Innenexpertin der...

DWN
Panorama
Panorama ADAC warnt: Es droht schlimmstes Stau-Wochenende der Saison
26.07.2024

Wer nun in den Urlaub fährt, sollte etwas mehr Zeit einplanen und mitunter starke Nerven haben. Der ADAC rechnet mit vielen Staus. Lassen...

DWN
Politik
Politik Außenministerin Baerbock: Seegerichtshof in Hamburg wird an Bedeutung gewinnen
26.07.2024

In Hamburg informiert sich die Außenministerin bei ihrer Sommerreise über die Arbeit des Internationalen Seegerichtshofs. Anschließend...

DWN
Finanzen
Finanzen EZB nach Stresstest: Banken haben Verbesserungsbedarf bei Cyber-Angriffen
26.07.2024

Seit der Finanzkrise 2008 wird genauer hingeschaut bei den Banken. Im Euroraum müssen sich die Institute nach Einschätzung der...

DWN
Politik
Politik Verfassungsschutz weist auf russische Sabotageversuche hin
26.07.2024

Der deutsche Inlandsgeheimdienst beobachtet schon länger verstärkte russische Geheimdienstaktivitäten. Neue Hinweise veranlassen ihn...