Finanzen

Das Kreditprogramm des IWF steht in Argentinien vor dem Scheitern

In Argentinien bahnt sich ein Regierungswechsel an, in dessen Folge der IWF auf Forderungen in Milliardenhöhe sitzen bleiben könnte. Es wäre das zweite Mal innerhalb von zwei Jahrzehnten.
27.08.2019 16:33
Lesezeit: 3 min

Am Wochenende ist ein Team des Internationalen Währungsfonds (IWF) nach Buenos Aires geflogen, um dort die Zukunft seiner Kredite für Argentinien auszuloten. Der Fonds hatte dem Land im vergangenen Jahr einen Rekordkredit in Höhe von 56 Milliarden Dollar eingeräumt und damit einen Staatsbankrott verhindert.

Um diesen Kredit zu erhalten, musste Argentinien ein IWF-Programm akzeptieren, das dem Land unter anderem Kürzungen im Staatshaushalt auferlegt. Doch der Bailout zeigt nur wenig Erfolg. Die argentinische Wirtschaft ist weiter in der Rezession. Und nun drohen dem Fonds Milliarden-Verluste.

Denn bei einer wichtigen Vorwahl vor zwei Wochen hat der oppositionelle Kandidat Alberto Fernandez dem amtierenden Präsidenten Mauricio Macri überraschend eine herbe Niederlage beigebracht. Nun gilt Fernandez, der das IWF-Hilfsprogramm überarbeiten will, als Favorit für die Präsidentenwahl im Oktober. Nicht zuletzt der Unmut der Argentinier über die harten vom IWF vorgegebenen Maßnahmen hatten zum Wählerumschwung geführt. Dies führte umgehende zu einem Einbruch der argentinischen Finanzmärkte und der Landeswährung. Der Peso brach im Verlauf von nur einer Woche um 20 Prozent ein, und die Renditen für Staatsanleihen schossen in die Höhe. Das implizite Ausfallrisiko stieg auf über 80 Prozent.

Nach den Beratungen mit den IWF-Vertretern am Wochenende sagte Fernandez' Wahlbündnis Frente de Todos, dass es weder den Plänen der amtierenden Regierung von Mauricio Macri noch den Empfehlungen des IWF zustimmt. Damit steht der IWF nun vor einer schwierigen Entscheidung.

Denn einerseits erscheint die Zukunft des IWF-Programms nun höchst ungewiss und weitere Kreditzahlungen werden womöglich nie zurückgezahlt. Doch anderseits würde der Fonds riskieren, die Turbulenzen noch zu verschlimmern, wenn er im September die nächste Zahlung in Höhe von 5,3 Milliarden Dollar zurückhält.

Zwar sind die Präsidentschaftswahlen in Argentinien noch zwei Monate entfernt. Doch Macris deutliche Niederlage gegen Alberto Fernandez und seine Mitstreiterin, die frühere argentinische Präsidentin Cristina Fernández de Kirchner, hat dazu geführt, dass Analysten ihn bereits abgeschrieben haben.

Wackelnde Vereinbarung mit Argentinien ist eine Peinlichkeit für den IWF

"Der IWF hat viel investiert - nicht nur Geld, sondern auch Prestige", sagt Hector Torres, ein ehemaliger Exekutivdirektor des IWF. "Die Tatsache, dass die Vereinbarung im Moment nicht gut funktioniert, ist eine Peinlichkeit", zitiert ihn Bloomberg. Die September-Zahlung werde "eine schwierige Entscheidung sein".

Bis Anfang des Monats war Argentinien auf bestem Wege, in diesem Jahr das IWF-Ziel eines ausgeglichenen Haushalts zu erreichen (Zinszahlungen nicht eingerechnet). Der Fonds könnte diese positive Entwicklung in der ersten Jahreshälfte als Grund für die Auszahlung im nächsten Monat anführen. Allerdings hat die Regierung von Macri nach der herben Wahlschlappe vor zwei Wochen damit begonnen, ihre Politik zu lockern. Sie hat die Treibstoffpreise eingefroren und staatliche Ausgaben erhöht, was die jüngste Talfahrt des Pesos und die Inflation im Land noch weiter in die Höhe zu treiben droht.

Fitch Ratings prognostiziert nun ein Primärdefizit (das heißt Zinszahlungen nicht eingerechnet) von 1 Prozent. Die Regierung hingegen sagt noch immer, dass sie die Haushaltsziele des IWF erreichen wird. Daher könnte der Fonds auch zu dem Schluss kommen, dass Argentinien seine Ziele nicht erfüllt. Dann wäre die Auszahlung im September gefährdet, zitiert Bloomberg Daniel Marx, der vor zwei Jahrzehnten als argentinischer Finanzminister mit dem IWF verhandelte und nun in Buenos Aires das Unternehmen Quantum Finanzas leitet.

Doch nicht nur die argentinische Regierung, sondern auch die Zentralbank des Landes könnte gegen die Vorgaben des IWF verstoßen. Denn sie hat massiv Währungsreserven eingesetzt, um den Peso zu verteidigen. "Jetzt, wo sie anfangen, in die Spotmärkte einzugreifen, könnte sich das auf die Nettoreserven auswirken", so Marx. Zwar gelang es der Zentralbank in der vergangenen Woche, die Währungs- und Anleihemärkte zu stabilisieren. Doch Staatsschulden, die Argentinien nach 2018 zurückzahlen muss, handeln weiter bei weniger als der Hälfte ihres theoretischen Werts. Auch dies ist ein Warnsignal für den IWF.

Der Internationale Währungsfonds hat spezielle Kriterien für die Vergabe von Milliardenkrediten, die nach der Griechenlandkrise überarbeitet wurden. Die Einhaltung der vereinbarten Programme wird jetzt bei jeder Überprüfung neu bewertet. Bei zwei dieser Kriterien hat Argentinien derzeit erhebliche Schwierigkeiten, wie man auf den Finanzmärkten sehen kann. Der IWF muss sicherstellen können, dass die Schulden eines Kreditnehmers nachhaltig sind und dass er gute Aussichten auf Zugang zu privatem Kapital hat.

Es droht eine Wiederholung der Geschichte

Oppositionsführer Fernandez hat in den Jahren nach der Krise Ende 2001 in der Rolle des argentinischen Kabinettschefs bereits Erfahrungen mit dem IWF gemacht. Damals verfehlte Argentinien mehrere Haushaltsziele im Rahmen des Kreditprogramms, doch der IWF erhöhte seine Kredite. Dann kündigte die argentinische Regierung an, dass sie sich auf eine Umschuldung vorbereitet. In der Folge eilten Bürger zu ihren Banken, um ihr Geld abzuheben. Doch die Behörden hatte ihre Guthaben bereits eingefroren. Viele Argentinier machen noch heute den IWF dafür verantwortlich.

Fernandez sagt, dass es keine Wiederholung dieser Ereignisse geben werde. "Es besteht keine Möglichkeit, dass Argentinien in Zahlungsverzug gerät, wenn ich Präsident bin", sagte er vergangene Woche. Das IWF-Programm muss seiner Ansicht nach aber überarbeitet werden, damit Argentinien wieder wachsen könne.

"Der IWF steckt in der Klemme", zitiert Bloomberg einen Analysten. "Es erinnert mich an das Sprichwort: Wenn du der Bank 100 Dollar schuldest, ist das dein Problem. Wenn du der Bank 100 Millionen Dollar schuldest, ist das das Problem der Bank."

Mehr zum Thema
article:fokus_txt
DWN
Immobilien
Immobilien Wohntraum wird Luxus: Preise schießen in Städten durch die Decke
13.05.2025

Die Preise für Häuser und Wohnungen in Deutschland ziehen wieder deutlich an – vor allem in den größten Städten. Im ersten Quartal...

DWN
Finanzen
Finanzen Wird die Grundsteuer erhöht? Zu viele Ausgaben, zu wenig Einnahmen: Deutsche Kommunen vorm finanziellen Kollaps
13.05.2025

Marode Straßen, Bäder und Schulen: Fast neun von zehn Städten und Gemeinden in Deutschland droht in absehbarer Zeit die Pleite. Bereits...

DWN
Politik
Politik EU im Abseits: Trump bevorzugt London und Peking – Brüssel droht der strategische Bedeutungsverlust
12.05.2025

Während Washington und London Handelsabkommen schließen und die USA gegenüber China überraschend Konzessionen zeigen, steht die EU ohne...

DWN
Panorama
Panorama Nach Corona nie wieder gesund? Die stille Epidemie der Erschöpfung
12.05.2025

Seit der Corona-Pandemie hat sich die Zahl der ME/CFS-Betroffenen in Deutschland nahezu verdoppelt. Rund 600.000 Menschen leiden inzwischen...

DWN
Wirtschaft
Wirtschaft Machtkampf der Tech-Eliten: Bill Gates attackiert Elon Musk – „Er tötet die ärmsten Kinder der Welt“
12.05.2025

Ein milliardenschwerer Konflikt zwischen zwei Symbolfiguren des globalen Technologiekapitalismus tritt offen zutage. Der frühere...

DWN
Politik
Politik Pflege am Limit? Ministerin fordert Reform für mehr Eigenverantwortung
12.05.2025

Pflegekräfte sollen mehr dürfen und besser arbeiten können – das fordert Gesundheitsministerin Nina Warken zum Tag der Pflegenden....

DWN
Wirtschaft
Wirtschaft Milliarden ungenutzt: Irischer Top-Investor fordert Einsatz von Pensionsgeldern zur Stärkung europäischer Technologie
12.05.2025

Die europäische Technologiebranche droht im globalen Wettbewerb ins Hintertreffen zu geraten. Der Grund: Staatlich geförderte...

DWN
Politik
Politik Geheime Waffenlieferungen: Kritik an Intransparenz – Ukrainischer Botschafter lobt Merz’ Kurs
12.05.2025

Die neue Bundesregierung unter Friedrich Merz hat entschieden, Waffenlieferungen an die Ukraine künftig wieder geheim zu halten – ein...