Politik

Britischer Inlandsgeheimdienst erhält Sonder-Lizenz für schwere Straftaten

Laut einer Entscheidung des britischen High Court können MI5-Spione ungestraft schwere Straftaten begehen, wenn sie diese im Dienst verübt haben und ein öffentliches Interesse nachweisen können. Die Richter des High Court waren in der Frage jedoch gespalten.
04.01.2020 16:46
Lesezeit: 2 min
Britischer Inlandsgeheimdienst erhält Sonder-Lizenz für schwere Straftaten
Das Thames House in London ist seit 1994 der Hauptsitz des britischen Geheimdienstes MI5. (Foto: dpa) Foto: Horacio Villalobos

Beamte des britischen Geheimdienstes MI5, der dem Innenministerium des Landes untersteht, sowie ihre Informanten dürfen ungestraft töten und andere schwere Straftaten begehen, solange sie Polizei und Staatsanwaltschaft davon überzeugen können, dass ihr Handeln im öffentlichen Interesse gelegen hat. Dies wurde im Dezember vom Investigatory Powers Tribunal (IPT) entschieden, das als einziges britisches Gericht Klagen gegen Geheimdienste verhandelt und mit Richtern des Hohen Gerichtshofs besetzt ist.

Damit wurde das Verfahren bestätigt, das im März 2018 von der damaligen Premierministerin Theresa May öffentlich gemacht wurde. Doch das Urteil fiel denkbar knapp aus, da zwei der fünf Richter dagegen stimmten. Ihrer Ansicht nach gibt es keine rechtliche Grundlage dafür, MI5-Beamten die Beteiligung an einer Straftat zu genehmigen. Wenn man dies zulasse, könnte dies zu einem Machtmissbrauch führen. Es ist das erste Mal in der 20-jährigen Geschichte des IPT, dass eine abweichende Meinung veröffentlicht wurde.

Zwar hat es dem Urteil zufolge für den MI5 zu keinem Zeitpunkt eine Immunität vor Strafverfolgung gegeben, und dessen Beamten und Agenten müssten sich für Verbrechen vor dem Gesetz verantworten. Dabei könnten sie jedoch einer Verurteilung entgehen, wenn sie gegenüber den Strafverfolgungsbehörden nachweisen können, dass sie in gerechtfertigter Weise handelten und ihr Handeln im öffentlichen Interesse lag.

Geklagt hatten mehrere Menschenrechtsgruppen und dabei argumentiert, dass das bestehende Verfahren gegen britisches Recht und gegen die Europäische Menschenrechtskonvention verstoße, da es die Begehung von Straftaten durch MI5-Agenten zulasse. Doch das Hohe Gericht wies die Klage ab und unterstützte das im März 2018 von Premierministerin May beschriebene Verfahren, wie der britische Telegraph berichtet.

In den von Theresa May veröffentlichten Richtlinien des Geheimdienstes heißt es, dass die Autorisierung eines Agenten keinen rechtlichen Status hat, sondern lediglich die Grundlage für die Rechtfertigung einer Entscheidung des Sicherheitsdienstes bildet, falls anschließend wegen einer Straftat ermittelt werden sollte. Weiter heißt es in den Richtlinien:

"Die Art der Arbeit des Dienstes ist so beschaffen, dass seine Agenten häufig beauftragt werden, über raffinierte Terroristen und andere Personen und Organisationen zu berichten. [...] Unter diesen Umständen kann es manchmal notwendig und verhältnismäßig sein, dass sich die Agenten an Straftaten beteiligen, um den Zugang zu Informationen zu sichern oder aufrechtzuerhalten, die zur Rettung von Leben oder zur Störung schwererer Straftaten genutzt werden können."

Bei der Verlesung des Urteils betonte Lord Justice Singh jedoch den Abschnitt in den Richtlinien, der anerkennt, dass jedes Verbrechen vor den Strafverfolgungsbehörden gerechtfertigt werden muss. Darin heißt es: "Insbesondere das Genehmigungsverfahren und die damit verbundenen Aufzeichnungen können die Grundlage für die Erklärung des Dienstes gegenüber den Strafverfolgungsbehörden bilden, dass eine Strafverfolgung nicht im öffentlichen Interesse liegt".

Die Mehrheitsentscheidung kommt zu dem Schluss, dass das Verfahren dem Geheimdienst eine "implizite Befugnis" gibt, sich an kriminellen Aktivitäten zu beteiligen, fügte aber hinzu: "Es ist wichtig zu verstehen, dass dies nicht bedeutet, dass er die Befugnis hat, seinen eigenen Beamten oder den von ihnen gehandhabten Agenten Immunität vor dem Straf- oder Zivilrecht zu verleihen". Der MI5 gebe nicht vor, eine solche Immunität zu gewähren, und sei dazu auch nicht befugt.

Die Mehrheitsentscheidung wird von den Geheimdiensten begrüßt werden, die befürchtet hatten, dass ihre Agenten durch die Furcht vor Strafverfolgung an der Ausübung ihrer Pflichten behindert werden könnten.

Die Kläger haben bereits angekündigt, gegen das Urteil Berufung einzulegen. Ilia Siatitsa von Privacy International sagte: "Das IPT hat entschieden, dass der MI5 seinen Informanten heimlich die Erlaubnis geben kann, in Großbritannien schwere Straftaten, einschließlich Gewalt, zu begehen. Aber zwei seiner fünf Mitglieder haben stark abweichende Meinungen abgegeben und versucht, grundlegende Standards der Rechtsstaatlichkeit aufrechtzuerhalten".

Mehr zum Thema
article:fokus_txt
X

DWN Telegramm

Verzichten Sie nicht auf unseren kostenlosen Newsletter. Registrieren Sie sich jetzt und erhalten Sie jeden Morgen die aktuellesten Nachrichten aus Wirtschaft und Politik.

E-mail: *

Ich habe die Datenschutzerklärung sowie die AGB gelesen und erkläre mich einverstanden.

Ihre Informationen sind sicher. Die Deutschen Wirtschafts Nachrichten verpflichten sich, Ihre Informationen sorgfältig aufzubewahren und ausschließlich zum Zweck der Übermittlung des Schreibens an den Herausgeber zu verwenden. Eine Weitergabe an Dritte erfolgt nicht. Der Link zum Abbestellen befindet sich am Ende jedes Newsletters.

DWN
Wirtschaft
Wirtschaft Bund sichert Deutschlandticket-Finanzierung bis 2030 ab
10.11.2025

Das beliebte Deutschlandticket bleibt den Fahrgästen erhalten: Bund und Länder haben sich auf eine langfristige Finanzierung bis 2030...

DWN
Panorama
Panorama Wegwerftrend mit Folgen: Politik will Einweg-E-Zigaretten stoppen
10.11.2025

Sie sehen schick aus, leuchten bunt und sind sofort einsatzbereit – Einweg-E-Zigaretten liegen vor allem bei jungen Menschen im Trend....

DWN
Unternehmen
Unternehmen Rüstungsindustrie in Europa: 10 Unternehmen mit stabilen Renditen
09.11.2025

Europäische Verteidigungsunternehmen profitieren von stabilen Aufträgen und steigenden Investitionen. Technologische Kompetenz und lokale...

DWN
Technologie
Technologie Dunkle Wolke aus den USA: Die digitale Gefahr des US CLOUD Acts
09.11.2025

Ein US-Gesetz erlaubt amerikanischen Behörden Zugriff auf Daten in europäischen Clouds – ohne Wissen oder Zustimmung der Betroffenen....

DWN
Finanzen
Finanzen Contrarian Thinking: Wie falsche Narrative unsere Wahrnehmung verzerren – und was das für Anleger bedeutet
09.11.2025

In einer Welt voller Empörung, Filterblasen und ideologischer Schlagzeilen lohnt sich ein zweiter Blick. Wer immer nur der öffentlichen...

DWN
Unternehmen
Unternehmen Verjährung von Urlaubsansprüchen: Wann Resturlaub verfällt – und wann nicht
09.11.2025

Urlaub verfallen? Von wegen. Das Bundesarbeitsgericht (BAG) hat klargestellt: Ohne klare Belehrung bleibt der Urlaubsanspruch bestehen –...

DWN
Unternehmen
Unternehmen Die Zukunft der Chefetage: Warum mittleres Management an Bedeutung verliert
09.11.2025

Das mittlere Management verliert in vielen Unternehmen an Bedeutung. Wirtschaftliche Unsicherheit, neue Technologien und veränderte...

DWN
Wirtschaft
Wirtschaft Europas Wirtschaft unter Druck: Im Spannungsfeld zwischen China und USA
09.11.2025

Globale politische Spannungen und Handelskonflikte belasten derzeit Europas Wirtschaft. Militärische Krisen in der Ukraine und im Nahen...