Technologie

Experte fordert Förderung der Wasserstoff-Technologie

Dr. Wolfgang Christl ist Beauftragter für Innovation und Technologie (BIT) bei der Handwerkskammer für München und Oberbayern. Der „Bundesverband Mittelständische Wirtschaft Unternehmerverband Deutschland“ (BVMW) hat den Ingenieur zum Thema „Antriebsart der Zukunft“ interviewt.
14.01.2020 11:16
Lesezeit: 2 min
Experte fordert Förderung der Wasserstoff-Technologie
Ist der Wasserstoff-Antrieb die Zukunft? (Foto: dpa) Foto: Ole Spata

BVMW München: Elektromobilität und die damit verbundenen Umbrüche machen nicht nur der Automobil-Industrie zu schaffen. Wasserstoff- und Brennstoffzellen-Technologie standen bisher nicht im Fokus der Mobilitäts- und Energiewende.

Sind diese Technologien die „Rettung des Verbrennungsmotors“?

Dr. Wolfgang Christl: Voranstellen möchte ich, dass Wasserstoff für industrielle und mobile Anwendungen heute mit hohem Energieaufwand aus Erdgas hergestellt wird. Potenzial für CO2-Reduktion entsteht, wenn konventionell gewonnener Wasserstoff durch Wasserstoff aus erneuerbaren Energien ersetzt wird.

Wirkungsgrade auf den Pfaden der Elektrolyse, Methanisierung und Synthese von flüssigen Kraftstoffen treiben die Kosten in die Höhe. Der Aufwand für Verteilung und Speicherung muss berücksichtigt werden. Die direkte Verwendung von Strom ist kostengünstiger.

Naheliegend ist die Verwendung von Wasserstoff und synthetischen Kraftstoffen im Verkehr immer dann, wenn Batteriesysteme für die Mobilitätsanforderung zu groß, zu schwer und zu teuer werden.

Deswegen sprechen wir von Wasserstoff, eGas und eFuels bei Langstreckenmobilität, Schwertransporten, Zügen, Schiffen und Flugzeugen.

BVMW München: PKW und Individualverkehr sind also Ihrer Ansicht nach nicht die idealen Anwendungsgebiete für Wasserstoff und Brennstoffzelle?

Dr. Wolfgang Christl: Bei der individuellen Mobilität, also vordringlich dem PKW-Verkehr, schätze ich die Einsatzgebiete folgendermaßen ein:

Batterieelektrische Fahrzeuge für unsere alltäglichen Mobilitäts-Anforderungen, die jetzt auf den Markt kommen, erreichen wegen sinkender Preise für Batteriezellen Kostenparität. CO2-Bepreisung und Förderung werden dies noch verstärken. Wer viel fährt, spart mit Elektromobilität auch viel.

Plug-In-Hybride werden aufgrund des hohen technischen Aufwands eine teure Übergangslösung bleiben. Es macht keinen Sinn, kleinere Fahrzeuge mit Verbrennungsmotor oder als Plug-In-Hybrid anzubieten. Da CO2-Emissionen bei Plug-In-Hybriden bei sportlicher Fahrwiese und seltenem Laden von Grünstrom mehrfach höher sind als der im Verkaufsprospekt ausgewiesene Prüfstands-Wert, droht ein böses Erwachen, wenn die CO2-Emissionen im Verkehr nicht wie erwartet sinken.

Der Einsatz von Brennstoffzellen wird sich auf Elektrofahrzeuge für Langstrecken- und Vielfahrer beschränken.

Die Hoffnung mancher, mit Wasserstoff den Verbrennungsmotor retten zu können, kann ich nicht teilen. Wasserstofffahrzeuge dürften eine Nischenerscheinung bleiben, bis leistungsfähige Brennstoffzellen in Großserie verfügbar sind. Ihr Einsatz ist zudem erst nach 2030 in größerer Stückzahl zu erwarten, wird also nicht helfen, die Klimaziele 2030 zu erreichen.

BVMW München: Wo sehen Sie die sinnvollen Einsatzgebiete von Wasserstoff?

Dr. Wolfgang Christl: Vor dem Hintergrund des Klimawandels diskutieren wir das Ziel von 100 Prozent erneuerbaren Energien bis 2050 (oder früher!). Studien zum Thema Sektor-Kopplung zeigen, dass noch viel mehr an Wind- und PV-Strom benötigt wird, wenn neben dem Strom auch Heizen und Mobilität mit regenerativ erzeugter Energie versorgt werden sollen.

Die Volatilität erneuerbarer Energien und der in unserer Region erforderliche saisonale Ausgleich macht Batteriespeicher und Wasserstoff strategisch bedeutend. Noch ist es möglich, in relevanten Technikfeldern Technologieführerschaft zu sichern. Politische Rahmenbedingungen müssen jetzt gesetzt werden.

BVMW München: Macht es also der richtige „Mix“?

Dr. Wolfgang Christl: Es ist seit langem bekannt, dass zukünftig das technische Lösungsangebot breiter wird. Hinzu kommen regionale Unterschiede. PV-Anlagen in sonnenreichen Regionen können Strom kostengünstiger liefern, hier ergeben sich Ansatzpunkte für internationale Kooperationen.

Bei weiterem Ausbau der Wind- und Sonnenkraft in unseren Regionen können Elektrolyse und Batteriespeicher auch dezentral netzstabilisierend wirken.

Die Luftfahrt könnte über eine kontinuierlich ansteigende Quote für Beimischung von synthetischen Kraftstoffen in die regenerative Zukunft hinübergerettet werden. Dies würde Investoren auch stabile und planbare Rahmenbedingungen bieten.

Kurz gesagt - wir brauchen beides – Batteriespeicher und Wasserstoffwirtschaft … und das ganze bitte schnell. Es wurde schon viel zu viel Zeit verloren.

Rahmenbedingungen sind so zu setzen, dass Innovationen und Investitionen sich rechnen. Nur so werden die Märkte entstehen können, welche das Potenzial haben unsere Zukunft zu sichern.

BVMW München: Wir danken Ihnen für Ihre Expertenmeinung!

Mehr zum Thema
article:fokus_txt
DWN
Politik
Politik Rutte warnt in Berlin: Russland sieht Europa als nächstes Ziel
11.12.2025

Bundeskanzler Merz und Nato-Generalsekretär Rutte haben in Berlin Alarm geschlagen. Russland ziele nicht nur auf die Ukraine, sondern...

DWN
Finanzen
Finanzen Münchener Rück-Aktie: Neue Strategie setzt deutliche Gewinneffekte frei
11.12.2025

Die Münchener Rück-Aktie gewinnt an Tempo – und das aus gutem Grund. Die neue Strategie Ambition 2030 verspricht höhere Gewinne,...

DWN
Politik
Politik Analyse: Putin und Trump spielen im selben Team gegen Europa
11.12.2025

Putin und Trump sprechen plötzlich dieselbe Sprache. Europas Zukunft steht auf dem Spiel, während Washington und Moskau ein gemeinsames...

DWN
Technologie
Technologie Halbleiter-Förderung: Dresden und Erfurt erhalten grünes Licht
11.12.2025

Europa hängt bei Chips weiter an Asien – nun greift die EU zu einem Milliardenhebel. Deutschland darf zwei neue Werke in Dresden und...

DWN
Finanzen
Finanzen EZB erhöht Druck: Vereinfachte Regeln für Europas Banken
11.12.2025

Die EZB drängt auf einfachere EU-Bankenvorschriften und will kleinere Institute entlasten. Doch wie weit darf eine Reform gehen, ohne...

DWN
Wirtschaft
Wirtschaft Ifo-Institut korrigiert Wirtschaftsprognose: Deutschlands Aufschwung bleibt schwach
11.12.2025

Die neue Wirtschaftsprognose des Ifo-Instituts dämpft Hoffnungen auf einen kräftigen Aufschwung. Trotz Milliardeninvestitionen und...

DWN
Wirtschaft
Wirtschaft Klimarisiken: Unternehmen gefährden ihre Umsätze durch schwaches Risikomanagement
11.12.2025

Unternehmen geraten weltweit unter Druck, ihre Klimarisiken präziser zu bewerten und belastbare Strategien für den Übergang in eine...

DWN
Politik
Politik Trump warnt die Ukraine und verspottet Europa. „Am Ende gewinnt der Stärkere“
11.12.2025

US-Präsident Donald Trump erhöht den Druck auf die Ukraine und attackiert gleichzeitig europäische Staatschefs. Seine Aussagen im...